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Aufsichtsrat tagt: Muss Karstadt Häuser schließen?

Aufsichtsrat tagt

Muss Karstadt Häuser schließen?

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    Dunkle Wolken ziehenüber die Firmenzentrale von Karstadt in Essen hinweg.
    Dunkle Wolken ziehenüber die Firmenzentrale von Karstadt in Essen hinweg. Foto: Roland Weihrauch (dpa)

    Im Sommer hat René Benko die angeschlagene Warenhauskette Karstadt übernommen, zwei Monate später fürchtet die Belegschaft das Schlimmste. Rund 17.000 Karstadt-Mitarbeiter werden am Donnerstagnachmittag die Sitzung des Aufsichtsrats in Essen mit Spannung verfolgen. Das Kontrollgremium berät über die Zukunft des angeschlagenen Unternehmens. Auf der Tagesordnung stehen auch Personalfragen. Medienberichten zufolge könnte der bisherige Aufsichtsratschef Stephan Fanderl zum neuen Karstadt-Chef berufen werden.

    Bereits bei seiner vorigen Sitzung im September hatte der Karstadt-Aufsichtsrat die Weichen für einen harten Sanierungskurs  gestellt. Auch die Schließung verlustreicher Filialen wurde dabei nicht ausgeschlossen. Konkreten Beschlüsse gibt es aber noch nicht.

    Wie schlecht geht es Karstadt?

    Ziemlich schlecht. Die Karstadt Warenhäuser schreiben seit Jahren rote Zahlen. Allein in den Geschäftsjahren 2011/2012 und 2012/2013 summierten sich die Verluste der Karstadt Warenhaus GmbH unter dem Strich auf fast 300 Millionen Euro. Und auch in dem Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2013/2014 verbrannte das Unternehmen Geld, wie Interimschef Miguel Müllenbach in einem dem Branchenfachblatt "Der Handel" vorliegenden Brief an die Karstadt-Mitarbeiter berichtete. "Das hinter uns liegende Geschäftsjahr gehört mit zu den schwierigsten in der Geschichte von Karstadt", schreibt Müllenbach.

    Was bedeutet das für die Arbeitnehmer?

    Die 17 000 Karstadt-Beschäftigten müssen sich wohl auf harte Einschnitte einstellen. Nach Angaben von Verdi-Verhandlungsführer Arno Peukes plant die Karstadt-Spitze den Abbau von rund 2000 Arbeitsplätzen - in der Zentrale und in den 83 Warenhäusern. Mögliche Filialschließungen seien dabei noch gar nicht berücksichtigt. Verdi zufolge will die Unternehmensleitung außerdem längere Arbeitszeiten und Einschnitte beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld durchsetzen. Die Gewerkschaft hat bereits ihren Widerstand gegen das "Horrorpaket" angekündigt. Der Handelsexperte Gerd Hessert von der Universität Leipzig glaubt jedoch, dass die Arbeitnehmer am Ende Zugeständnisse machen müssen: "Es geht ums Ganze bei Karstadt. Da ist es besser, 65 Prozent der Arbeitsplätze zu erhalten, als Karstadt ganz zu verlieren."  

    Was sind die Ursachen für den Niedergang von Karstadt?

    Das Modell Warenhaus hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Glanz verloren. Einkaufszentren wie die "Mall of Berlin" oder das "Centro" in Oberhausen erscheinen vielen Verbrauchern attraktiver. Außerdem haben sich Konkurrenten wie H&M, Zara und zuletzt Primark mit preiswerten, schnell wechselnden Kollektionen einen immer größeren Teil des Einkaufsbudgets der Verbraucher gesichert. Und auch auf den boomenden Online-Handel hat das Unternehmen bislang keine Antwort gefunden. Zusätzlich setzten Managementfehler dem Unternehmen zu.  

    Was ist schief gelaufen an der Unternehmensspitze?

    Der Niedergang von Karstadt

    Die angeschlagene Warenhauskette Karstadt ist neben Kaufhof die letzte große ihrer Art in Deutschland. Der Niedergang der traditionellen Warenhäuser hat Gründe.

    SORTIMENT: Vor allem ab Mitte der 1960er Jahre gab es nach Erkenntnissen des Handelsverbands zunehmend Probleme für Warenhäuser. Ein Grund war der Zuwachs an neuen Fachgeschäften, die sich auf Waren spezialisiert hatten und den Kunden mehr Vielfalt bieten konnten.

    PREIS: Größere Fachhändler haben nicht nur Vorteile durch mehr Facetten eines Produkts, sie können es in der Regel auch günstiger anbieten. Gerade Textil-Discounter machten dem Warenhaus, das stark durch sein Modesortiment geprägt ist, zuletzt das Leben schwer.

    ONLINEGESCHÄFT: Hinzu kommt der Internethandel, der auch anderen Einzelhändlern zunehmend das Wasser abgräbt. Während die meisten Online-Anbieter im vergangenen Weihnachtsgeschäft zweistellige Zuwachsraten verzeichneten, schrumpften die Verkäufe von Karstadt über das Internet.

    INFRASTRUKTUR: Handelsexperte Jörg Funder von der Fachhochschule Worms sieht auch einen Grund in mangelhafter IT-Infrastruktur. Dadurch sei die Steuerung der Warenbestände erschwert worden. Warenhäuser wüssten dadurch nicht: Was verkauft sich gut, was nicht?

    NVESTITIONSSTAU: Branchenkenner sind sich einig, dass in den vergangenen Jahren zu wenig investiert wurde. Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein schätzt den Investitionsstau bei Karstadt auf mindestens 1,5 Milliarden Euro. Soviel Geld wäre nach seiner Auffassung nötig, um Karstadt zukunftsfähig auszurichten.

    SERVICEKULTUR: Alltägliche Ware zu alltäglichem Service - so beschreibt Branchenkenner Funder das Warenhaus. Innovationen, die den Einkauf für Kunden zum Erlebnis machten, gebe es dort nicht mehr.

    Vier Jahre lang gehörte Karstadt dem deutsch-amerikanischen Investor Nicolas Berggruen. Im Rückblick erscheinen sie als verlorene Jahre für Karstadt. Die meisten Handelsexperten sind sich einig, dass bei dem Traditionsunternehmen in dieser Zeit viel zu wenig investiert wurde. Doch auch bei der Personalpolitik hatte Berggruen eine unglückliche Hand. Der von ihm berufene, bis Ende 2013 amtierende Karstadt-Chef Andrew Jennings versuchte, Karstadt mit der Brechstange ein jugendlicheres Image zu verpassen. Er setzte auf neue trendige Marken und gab ganze Sortimentsbereiche wie etwa Elektronik auf. Das verschreckte die ältere Stammkundschaft. Neue Zielgruppen wurden dennoch nicht im erhofften Umfang erreicht. 

    Wie könnte Karstadts Zukunft aussehen?

    Eine schwierige Frage. Der neue Eigentümer René Benko schweigt bis jetzt zu seinen Plänen. Nach der ersten Aufsichtsratssitzung nach dem Eigentümerwechsel stand lediglich fest, dass Filialschließungen für die Konzernspitze kein Tabu mehr sind. Konkrete Beschlüsse wurden aber zunächst nicht gefasst. Dabei hatte Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl bereits vor einigen Monaten signalisiert, das Unternehmen mache sich "berechtigte Sorgen um die Profitabilität von mehr als 20 Häusern".    

    Ist also bald mit einer Schließungswelle zu rechnen?

    Nicht unbedingt. Handelsexperte Hessert etwa glaubt nicht, "dass die Karstadt-Führung kurz vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft eine große Zahl von Filialschließungen ankündigt". Wenn überhaupt werde es einige wenige große Verlustbringer treffen. "Alles andere würde die Marke beschädigen", meint er. Auch Peukes erwartet bei der Sitzung des Kontrollgremiums keine Schließungsbeschlüsse. afp, dpa

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