Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Weltbild-Insolvenz: Warum die Verlage Weltbild brauchen

Weltbild-Insolvenz

Warum die Verlage Weltbild brauchen

    • |
    Die deutschen Verlage trifft die Weltbild-Insolvenz hart. Kommen sie genau deshalb als Investoren infrage?
    Die deutschen Verlage trifft die Weltbild-Insolvenz hart. Kommen sie genau deshalb als Investoren infrage? Foto: Boris Roessler/dpa

    Das Interesse des Kölner Bastei-Lübbe-Verlags an Weltbild ist kein Zufall. Denn die Buchbranche in Deutschland erwirtschaftet mit Weltbild einen großen Teil ihres Umsatzes, berichten Experten. Auch aus dieser Richtung könnten Investoren kommen. Bastei Lübbe beispielsweise verlegt längst viel mehr als die bekannten Heftchen „Der Bergdoktor“ oder „Jerry Cotton“. Auf dem Programm stehen heute viele Unterhaltungsbücher. Darunter der Bestseller „Inferno“ von Dan Brown oder Daniela Katzenbergers Buch über die Liebe – „Katze küsst Kater“. Würde Weltbild tatsächlich verschwinden, würde dies die Verlagsbranche in Deutschland erschüttern. Weltbild ist zusammen mit Hugendubel hinter Thalia der zweitgrößte Buchhändler Deutschlands, wie das Magazin Buchreport berichtet.

    Weltbild hat eine zentrale Stellung auf dem deutschen Buchmarkt

    Torsten Casimir kennt die Buchbranche Deutschlands bestens. Der Chefredakteur des Börsenblatts hat Weltbild im Herbst 2013 gar als „systemrelevant“ bezeichnet. Bewusst spielte Casimir auf das Etikett für Banken an, deren Abwicklung in der Finanzkrise als ausgeschlossen galt, hätte man nicht das Finanzsystem zusammenbrechen lassen wollen. Auch Weltbild nehme eine zentrale Stellung für den deutschen Buchmarkt ein, argumentiert er. Das Börsenblatt ist die Fachzeitschrift des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der die Interessen von Verlagen, Großhandel und Buchhändlern vertritt.

    „Weltbild ist ein wesentlicher Händler im Vertrieb von Büchern“, erklärt Casimir im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Unternehmen, das zuletzt allein mit Büchern geschätzt immer noch einen Jahresumsatz von gut einer halben Milliarde Euro erreicht habe, gewinne seine Bedeutung über zwei Kanäle: Einmal über die Online-Plattform weltbild.de. Und dann über die derzeit noch etwa 230 Filialen von Weltbild und Jokers. Weltbild betreibt sein Filialgeschäft unter dem Dach der Holding DBH – zusammen mit der Familie Hugendubel. Zur DBH gehören auch die Hugendubel-Buchläden.

    "Weltbild steht für rund 20 Prozent des deutschen Buchhandelsumsatzes."

    Die Weltbild-Insolvenz lässt die Branche deshalb nicht kalt. „Alle Buchproduzenten sind vielmehr in heller Aufregung“, sagt Casimir. Sie müssten ihre Absatzstrategien ändern und davon ausgehen, dass sie ihre Umsatzziele nicht erreichen. „Es gibt Verlage, die nur über weltbild.de Umsätze im Millionen-Bereich machen“, sagt Casimir. Dabei gehe es vor allem um Unterhaltungsliteratur und populäre Ratgeber. Katastrophal wäre es für viele Verlage, wenn sich auch Hugendubel im Zuge der Weltbild-Krise nicht halten könnte.

    Ähnlich sieht es auch der Branchenexperte und Sachbuchautor Holger Ehling, früherer Pressesprecher der Frankfurter Buchmesse: „Weltbild steht für rund 20 Prozent des deutschen Buchhandelsumsatzes“, erklärt er. „Wenn solch ein Vertriebskanal wegbricht, haben viele Unternehmen Schluckbeschwerden.“ Dies treffe auf alle bekannten Verlage auf dem Massenmarkt zu.

    Wettbewerb mit Amazon wird ohne Weltbild schwierig

    Der Buchmarkt in Deutschland steht seit dem Aufstieg des US-Versandriesen Amazon unter Druck. Müsste da das mögliche Verschwinden eines Konkurrenten nicht die anderen Buchhändler freuen? Weltbild-Chef Carel Halff selbst hatte noch im Herbst angekündigt, einen weiteren Teil der Filialen schließen zu wollen.

    Stattdessen aber ruft die Weltbild-Krise in der Branche weniger Freude als Verunsicherung hervor, meint Branchenkenner Casimir. Die zum Douglas-Konzern gehörende deutsche Buchhandelskette Thalia sei beispielsweise durch das Tolino-Projekt eng mit Weltbild verbunden. „Über die Tolino-Allianz sitzen Thalia, die Telekom, Weltbild und der Bertelsmann-Club im selben Boot“, erklärt Casimir. „Falls ein Hauptvertragspartner verschwinden würde, würde dies den Wettbewerb mit Amazon massiv schwächen.“ Das elektronische Bücher-Lesegerät Tolino ist als Konkurrenzprodukt zu Amazons Kindle konzipiert.

    Kleine Buchhandlungen müssen sich nicht sorgen

    Der Niedergang von Weltbild

    Mit Pornoliteratur fing vor knapp zweieinhalb Jahren der Niedergang des Weltbild-Verlages an.

    Dass ausgerechnet ein von der katholischen Kirche getragenes Medienunternehmen Geld mit Erotikangeboten oder Esoterikbüchern macht, sorgte für Schlagzeilen und stürzte die Augsburger Verlagsgruppe in die Krise.

    Seitdem hat sich Weltbild nicht mehr erholt. Der Insolvenzantrag ist der vorläufige traurige Höhepunkt der Entwicklung bei dem Konzern mit mehr als 6000 Beschäftigten und etwa eineinhalb Milliarden Euro Umsatz.

    Als im Oktober 2011 das Erotikangebot bei Weltbild bekannt wurde, trat zunächst der von der Kirche entsandte Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dann preschte der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor und verlangte eine Trennung von Weltbild.

    Seitdem wurde breit darüber diskutiert, wie sich die Diözesen von Weltbild trennen können. Eine Stiftung war im Gespräch, eine Lösung gab es nicht. Die Beschäftigten appellierten dabei immer wieder an die soziale Verantwortung der Bischöfe.

    Doch nicht nur der Wirbel um Buchtitel wie "Zur Sünde verführt" oder "Das neue Kamasutra" setzte dem Unternehmen zu. Im Wettbewerb mit Online-Gigant Amazon hatten es die Augsburger zunehmend schwer mit ihrem eher klassischen Katalog-Versandhandel.

    Seinen stationären Buchhandel hatte Weltbild im Jahr 2007 mit der Familie Hugendubel zusammengelegt. Das damals gegründete Gemeinschaftsunternehmen betreibt seitdem die Filialen unter etlichen Markennamen wie "Hugendubel", "Weltbild plus", "Jokers" sowie die Karstadt-Buchabteilungen.

    Dass die angeschlagene Verlagsgruppe zuletzt ihre zweiköpfige Geschäftsführung extra um den Sanierungsexperten Josef Schultheis erweiterte, konnte Weltbild nicht mehr retten. Er sollte den Umbau des Hauses in Richtung digitalem Handel beschleunigen.

    Möglicherweise kam dieser Schritt zu spät: Obwohl Weltbild im Weihnachtsgeschäft sogar etwas über dem Plan lag, musste das Unternehmen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) Einbußen bei Umsatz und Ergebnis verbuchen.

    "Das auch für die nächsten drei Jahre erwartete geringere Umsatzniveau verdoppelt den Finanzierungsbedarf bis zur Sanierung", begründete das Unternehmen den Insolvenzantrag.

    Die Gewerkschaft Verdi warf der Kirche umgehend vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

    Erst im Oktober wurde bekannt, dass Weltbild in Augsburg ihren Kundendienst auslagern will - 140 Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch weitere konkrete Zahlen und detaillierte Planungen zur Sanierung waren seit jeher von Weltbild kaum zu erfahren. Denn was Transparenz anging, operierte das Unternehmen ähnlich verschwiegen wie der große Konkurrent Amazon.

    Die Weltbild-Krise verdeutliche aber, dass ein bestimmter Typus von Buchhandlung seine beste Zeit hinter sich habe, sagt Buch-Experte Casimir auch. „Weltbild stand für ein Kataloggeschäft, das auf das Billigbuch setzt. Dieses Modell gehört der Vergangenheit an.“ Casimir glaubt deshalb nicht, dass die Weltbild-Insolvenz ein weiteres Krisensignal für kleine, inhabergeführte Buchhandlungen ist. „Denn kleine Buchhandlungen stehen nicht für das Modell Billigbuch per Katalog“, erklärt er.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden