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Streikrecht: Was das Gesetz zur Tarifeinheit für Arbeitnehmer bedeutet

Streikrecht

Was das Gesetz zur Tarifeinheit für Arbeitnehmer bedeutet

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    «Wir brauchen keine Tarifeinheit, sondern erträgliche Arbeitsbedingungen», steht auf einem GDL-Transparent.
    «Wir brauchen keine Tarifeinheit, sondern erträgliche Arbeitsbedingungen», steht auf einem GDL-Transparent. Foto: Rainer Jensen (dpa)

    Mit den Stimmen der Großen Koalition hat der Bundestag am Freitag das umstrittene Tarifeinheitsgesetz beschlossen. Allerdings stimmten auch mehrere Abgeordnete der Union gegen die Neuregelung oder enthielten sich. Die Oppositionsparteien lehnten das Gesetz als verfassungswidrig ab und sprachen von „Etikettenschwindel“. Mehrere kleinere Gewerkschaften kündigten an, Verfassungsklage einzureichen.

    Warum hat der Bundestag diese Neuregelung beschlossen?

    Bis zum Jahr 2010 galt in Deutschland der Grundsatz „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag“. Gab es in einem Unternehmen mehrere konkurrierende Tarifverträge, entschieden Arbeitsgerichte, welcher Vertrag zur Anwendung kommen sollte. Im Jahr 2010 erklärte das Bundesarbeitsgericht allerdings diesen Grundsatz für verfassungs- und rechtswidrig und stärkte somit die Rechte von sogenannten Spartengewerkschaften, die nur einen Teil der Belegschaft oder einzelne Berufsgruppen vertreten und für ihre Mitglieder besonders gute Bedingungen aushandeln können. Die Folge: In einem Unternehmen können mehrere Tarifverträge gelten, die von verschiedenen Gewerkschaften ausgehandelt wurden.

    Was bezweckt das neue Tarifeinheitsgesetz?

    Die Große Koalition sorgt sich um die „innerbetriebliche Lohngerechtigkeit“, will wieder zum Grundsatz der Tarifeinheit zurückkehren und stellt Regeln für den Fall von „Tarifkollisionen“ auf. Gibt es in einem Unternehmen konkurrierende Gewerkschaften, so sollen diese in einem ersten Schritt sich untereinander abstimmen und eine Regelung finden, indem sie beispielsweise separate, aber inhaltsgleiche Tarifverträge abschließen. Erst wenn dies nicht der Fall ist, kommt das neue Gesetz zum Zuge. Es sieht vor, dass nach dem Mehrheitsprinzip der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gilt, die in dem Betrieb die meisten Arbeitnehmer vertritt.

    Wie wird ermittelt, welche Gewerkschaft in einem Betrieb die meisten Arbeitnehmer hat?

    Durch einen Notar. In der Praxis muss allerdings zwischen Unternehmen und Betrieb unterschieden werden. Das Unternehmen Deutsche Bahn AG beispielsweise besteht aus etwa 300 Betrieben. In jedem einzelnen Betrieb muss geprüft werden, welche Gewerkschaft die meisten Beschäftigten vertritt. Das kann in einigen Betrieben auch die Spartengewerkschaft sein, in diesem Falle die GDL. Die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke geht davon aus, dass die Mehrheitsfrage häufig von Gerichten entschieden werden muss.

    Der Arbeitgeberverband und der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßen das Gesetz. Warum?

    Beide profitieren von der Regelung. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer verwies darauf, dass die Neuregelung „Rechtssicherheit und Rechtsklarheit“ schaffe und „einer weiteren Erosion und Zerlegung der Tarifautonomie“ entgegenwirke. Das Gesetz vermindere die Gefahr, „dass Betriebe mit Arbeitskämpfen rivalisierender Gewerkschaften bedroht werden“. Auch der DGB hat sich in der Vergangenheit für ein derartiges Gesetz stark gemacht, da es die sehr mitgliederstarken Einzelgewerkschaften gegen die Konkurrenz kleinerer Gewerkschaften schützt. Kleinere Gewerkschaften seien in ihrer Handlungsfreiheit nicht eingeschränkt, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann, notwendig sei lediglich eine Zusammenarbeit der Arbeitnehmervertretungen. Innerhalb des DGB gibt es allerdings unterschiedliche Stimmen. So lehnt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das Gesetz ab, da sie fürchtet, in vielen Betrieben als Minderheitsgewerkschaft nicht mehr zum Zuge zu kommen.

    Wie reagieren die Spartengewerkschaften wie Cockpit, Marburger Bund oder GDL?

    Sie lehnen das Gesetz als verfassungswidrig ab. Die Pilotenvereinigung Cockpit und der Deutsche Beamtenbund kündigten bereits am Freitag an, „umgehend“ beim Bundesverfassungsgericht eine Klage einzureichen. Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, sprach von einem „schwarzen Tag für die Grundrechte“. Er forderte Bundespräsident Joachim Gauck auf, das Gesetz vor der Unterzeichnung sorgfältig zu prüfen und die von Verfassungsrechtlern geäußerten Bedenken zu berücksichtigen. Auch die Grünen und die Linke halten das Gesetz für verfassungswidrig.

    Wird durch das Gesetz das Streikrecht eingeschränkt?

    Im Grundsatz nein, sagt die Regierung. Die geltenden Regelungen über einen Arbeitskampf werden nicht verändert. Die kleinen Gewerkschaften, aber auch Verdi verweisen hingegen darauf, dass es ihnen als Minderheitsgewerkschaft nicht möglich wäre, zu einem Streik aufzurufen, wenn der Tarifvertrag, der dadurch erstritten werden soll, ohnehin keine Chance auf Umsetzung hat. In diesem Falle könnten Arbeitsgerichte den Streik als „nicht verhältnismäßig“ einstufen und verbieten.

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