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Plan: Wenn der Discounter zum Vermieter wird

Plan

Wenn der Discounter zum Vermieter wird

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    So könnte sie aussehen, die Aldi-Wohnanlage in Berlin: unten ein Discounter-Markt, darüber Wohnungen.
    So könnte sie aussehen, die Aldi-Wohnanlage in Berlin: unten ein Discounter-Markt, darüber Wohnungen. Foto: Aldi Immobilienverwaltung

    Wenn der Name Aldi bisher in den Immobilienanzeigen vorkam, ging es in der Regel um Millionenbeträge. 2,2 Millionen Euro will Aldi Süd aktuell etwa für ein Ladenlokal im Mannheimer Norden haben, 1,5 Millionen Euro verlangt der Discounter für eine Gewerbe-Immobilie im oberfränkischen Hof. Künftig könnten Aldi-Immobilien allerdings schon für einen deutlich niedrigeren Preis zu haben sein. Aldi Nord gab jetzt bekannt, bis 2030 in Berlin mindestens 20 neue Filialen zu eröffnen – und im gleichen Zug mindestens 2000 Wohnungen in der Hauptstadt zu bauen. Die ersten 200 Wohnungen sollen in den Stadtteilen Neukölln und Lichtenberg entstehen und zu vergleichsweise niedrigen Preisen vermietet werden: Mehr als zehn Euro kalt wird der Quadratmeter dem Unternehmen zufolge nicht kosten, ein Teil auch deutlich weniger.

    Die Grundstücke gehören Aldi teilweise bereits, schon jetzt befinden sich dort Discounter-Märkte. Der Konzern will allerdings viele Geschäfte modernisieren und die Ladenfläche auf über 1400 Quadratmetern vergrößern. Dafür sollen die alten Geschäfte abgerissen und neu gebaut werden, diesmal allerdings mit zusätzlichem Platz für Wohnungen – zum Beispiel direkt über dem Discounter-Markt. „Grundstücke einstöckig zu bebauen ist eigentlich eine Flächenverschwendung“, sagte Jörg Michalek, Geschäftsführer der Immobilienverwaltung von Aldi, der Welt. Es ist ein bemerkenswerter Satz für den Manager eines Unternehmens, dessen riesige, einstöckige Discounter-Märkte über das ganze Land verteilt sind.

    Wolfgang Adlwarth hält die Aldi-Ankündigung für einen „geschickten Schachzug“. Der Handelsexperte der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung beobachtet den Discounter schon seit Jahrzehnten. „Aldi schlägt drei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Adlwarth: Der Konzern modernisiert seine Filialen, erweitert mit den direkt angrenzenden Wohnungen sein Einzugsgebiet und profiliert sich gleichzeitig als soziales Unternehmen. „Bezahlbare Wohnungen zu bauen – das passt gut zum Robin-Hood-Image von Aldi“, betont Adlwarth.

    Das Konzept ist allerdings nicht ganz neu. Discounter-Konkurrent Lidl hat schon vor acht Jahren am Tegernsee Wohnungen gebaut, auch Rewe und Edeka haben eigene Immobilien. Nicht immer sind die Unternehmen aber ganz freiwillig auf die Idee gekommen. In einer Zeit, in der allein in Bayern täglich 18 Fußballfelder zugebaut werden, verbinden immer mehr Kommunen ihre Grundstücks-Zusage mit der Auflage, Wohnraum zu schaffen. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) warb bereits im Herbst 2016 bei Managern von Lidl, Aldi, Rewe, Penny und Basic für seine Idee, Wohnungen auf Supermarkt-Parkplätze zu bauen. Die Gebäude sollen auf Stelzen stehen, die Autos könnten darunter parken.

    Hintergrund ist eine Wohnungsnot, die immer dramatischer wird: Besonders in den Städten fehlt schon seit einigen Jahren Wohnraum, die Miet- oder Kaufpreise der bestehenden Immobilien klettern rasant in die Höhe. Ursachen dafür sind unter anderem die Zuwanderung und der Trend, vor allem in Ballungsräume zu ziehen. Glaubt man Prognosen, wird allein Berlin bis 2030 um 300000 Einwohner wachsen. Aber auch außerhalb der Großstädte werden viele Wohnungen knapper und teurer, wie das Gutachterinstitut Prognos im vergangenen Jahr ermittelt hat.

    Experten sind der Meinung, dass es in den Städten und Kommunen über Jahre nicht ausreichend Wohnungen geben wird, um diesen Bedarf zu decken. Nach Berechnungen des Bundesverbands der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen fehlen eine Million Wohnungen. Und das, obwohl so viel Wohnraum geschaffen wird wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Die Lücke ist aber immer noch riesig. Das Münchner ifo-Institut geht davon aus, dass jährlich bis zu 400000 Wohnungen gebaut werden müssten, um den Bedarf zu decken. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland allerdings deutlich weniger Wohnungen fertiggestellt: exakt 277691.

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