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Banken-Fusion: Wie der Plan vom nationalen Banken-Champion platzte

Banken-Fusion

Wie der Plan vom nationalen Banken-Champion platzte

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    Der Traum einer „Deutschen Commerz“ ist ausgeträumt. Deutsche Bank und Commerzbank stellen die Fusionsgespräche ein.
    Der Traum einer „Deutschen Commerz“ ist ausgeträumt. Deutsche Bank und Commerzbank stellen die Fusionsgespräche ein. Foto: dpa

    Jörg Kukies, 51, hatte fast alles erreicht, wovon Banker träumen. Er studierte an Elite-Unis in den USA, war als Investmentbanker in London tätig und leitete zuletzt die Deutschland-Niederlassung der US-Investmentbank Goldman Sachs. Seit April 2018 arbeitet er nun im Finanzministerium für Minister Olaf Scholz, SPD. Dort erlebt der erfolgreiche Banker und Politiker jetzt allerdings eine herbe Niederlage. Denn die Fusionsgespräche zwischen der Deutschen Bank und der Commerzbank sind gescheitert. Nicht zuletzt waren es Kukies und Scholz, die diese Gespräche hinter den Kulissen unterstützt haben sollen. Der Traum war es, im Bankenbereich einen nationalen Champion zu schaffen.

    Aufgewachsen ist Kukies in Mainz, noch immer ist er treuer Fan des Fußballklubs Mainz 05. Zu Bundesligaspielen soll er gerne seine Tochter mitnehmen. In seiner Jugend fand er auf einer Fahrt nach Bonn zu einer Demonstration gegen die Apartheid in Südafrika zu den Jusos. Selbst als Banker riss sein Kontakt zur Politik nie ab. „Ich bin überzeugter Sozialdemokrat“, betonte er in einem Interview. Dass er heute als Staatssekretär weniger verdient als in der Bank, stört ihn nicht. Wichtiger sei ihm, Dinge zu bewegen. Eines seiner Ziele: den Finanzplatz Deutschland stärken. Hier liegt einiges im Argen.

    Olaf Scholz befürwortete anscheinend die Fusionsgespräche zwischen Deutscher Bank und Commerzbank.
    Olaf Scholz befürwortete anscheinend die Fusionsgespräche zwischen Deutscher Bank und Commerzbank. Foto: Hannibal Hanschke, dpa

    Denn Deutsche Bank und Commerzbank schwächeln seit geraumer Zeit, beide könnten leicht Opfer einer feindlichen Übernahme aus dem Ausland werden. „Deutsche Finanzinstitute sind gegenwärtig an der Börse ziemlich niedrig bewertet“, sagte Kukies erst kürzlich der Süddeutschen Zeitung. So lässt sich gut verstehen, weshalb man sich im Finanzministerium einen nationalen Champion wünschte. Doch Scholz und Kukies haben sich verrannt.

    Jörg Kukies: 23 Gespräche mit Vertretern der Deutschen Bank

    Ganze 23 Mal hatte sich Kukies 2018 mit Vertretern der Deutschen Bank getroffen. Zudem ist der Bund seit der Finanzkrise mit über 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt. Doch als beide Institute im März Sondierungen über eine Fusion bestätigten, baute sich Widerstand auf. Die Gewerkschaft Verdi befürchtete den Abbau tausender Stellen. Eine Super-Bank könnte im Falle einer neuen Finanzkrise für den Steuerzahler ungemein teuer werden, wandten Experten ein. Kukies trat auf die Bremse: „Ein starker Bankensektor ist in unserem volkswirtschaftlichen Interesse. Dafür setzen wir uns ein. Das bedeutet nicht, dass wir Fusionen treiben“, sagte er vor knapp zwei Wochen.

    Jetzt stellen Deutsche Bank und Commerzbank die Fusionsgespräche ein. Man sei zu dem Entschluss gekommen, dass ein Zusammenschluss „keinen ausreichenden Mehrwert bieten würde“, berichtete die Deutsche Bank. Verdi-Chef Frank Bsirske begrüßte die Entscheidung: „Ein solcher Schritt hätte Zehntausende von Arbeitsplätzen gefährdet“, sagte er.

    Und auch Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, hält den Stopp für richtig. Er war davon ausgegangen, dass die Gespräche „zu 90 Prozent“ scheitern würden. „Ich freue mich, dass wir ein Level erreicht haben, auf dem Vernunft vor persönlichen Eitelkeiten steht“, sagte er unserer Zeitung.

    Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank wäre nicht so leicht gewesen

    Für Nieding war der Traum von einer „Deutschen Commerz“ von Anfang an falsch: „Selbst eine fusionierte Bank wäre nicht unter den Top-Ten-Instituten der Welt gewesen.“ Dafür hätte sich das Institut über Jahre mit sich selbst beschäftigt. Die mühsame Integration der Dresdner Bank in die Commerzbank habe gezeigt, wie lange solche Prozesse dauern. Seiner Meinung nach hätte eine Fusion nur wenige Chancen gebracht, aber hohe Risiken gehabt.

    Das Spiel von Scholz und Kukies hält der Aktionärsschützer für unglücklich: „Ich habe die Rolle der Politik von Anfang an kritisch gesehen“, sagt Nieding. „Wo die Politik in Unternehmen mitgemischt hat, ist es nicht immer gut gelaufen. Und wenn ein sozialdemokratischer Minister Entscheidungen unterstützt, bei denen eine fünfstellige Zahl an Arbeitsplätzen bedroht gewesen wäre, hätte dies ein Gschmäckle.“ Nieding rechnet damit, dass 40.000 bis 50.000 der insgesamt rund 130.000 Stellen beider Institute weggefallen wäre.

    Wie aber geht es für die Banken jetzt weiter? „Wir favorisieren eine europäische Lösung“, sagte Nieding. Spekuliert wird, ob nicht bereits Institute wie die ING in den Niederlanden oder Unicredit in Italien die Fühler nach der Commerzbank ausstrecken. Berichten zufolge sucht die Deutsche Bank auch Partner für ihre Tochter DWS.

    Deutschen Bank macht mehr Gewinn als erwartet

    Die Deutsche Bank befinde sich inzwischen auf einem recht „soliden Weg“, lobt Nieding. Das Institut verdiente im ersten Quartal mehr als Analysten erwartet hatten: Der Gewinn nach Steuern belaufe sich auf rund 200 Millionen Euro, berichtete der Dax-Konzern am Donnerstag. „Die Deutsche Bank muss sich jetzt darauf konzentrieren, ihre Kosten im Blick zu behalten“, mahnt Nieding aber. „Wenn man 90 Cent ausgibt, um einen Euro zu verdienen, ist das nicht sehr rentabel.“

    Und noch eines stört den Aktionärsvertreter: „Wir sehen auch die hohen Boni sehr kritisch, die in der Deutschen Bank gezahlt werden.“

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