Dieses Mal dürfte die Abstimmung im Hohen Haus Europas in wenigen Minuten erledigt sein, auch wenn es um das "größte Klimaschutzgesetz aller Zeiten" geht, wie es der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese nennt. Das Feilschen und Verhandeln hatten die Vertreter des EU-Parlaments, der 27 Mitgliedstaaten und der EU-Kommission bereits im Dezember erledigt.
Am Dienstag wollen die Abgeordneten in Straßburg endgültig ihr grünes Licht für die Verschärfung des Instruments geben. Das Ja gilt als sicher – eigentlich. Seit dem Last-Minute-Drama im Gremium der Mitgliedstaaten um das Aus des Verbrennungsmotors schwingt bei der Beschreibung "Formsache" stets etwas Nervosität mit. Doch es gibt parteiübergreifend große Zustimmung für die Reform, mit der ab 2026 erstmals auch Emissionen aus dem Schiffsverkehr abgedeckt werden.
Wer sauber produziert, muss weniger zahlen
Zudem sollen ab 2027 auch solche aus dem Gebäude- und Verkehrsbereich hinzugezogen werden, ein Schritt, den der klimapolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Tiemo Wölken, als "extrem wichtig" bezeichnete, weil sie "in diesen Sektoren zuletzt als einzige stagniert beziehungsweise sogar gestiegen sind". Hinzu kommt, dass der Ausstoß von Treibhausgasen, etwa aus Zementfabriken, Stahlhütten oder Gas- und Kohlekraftwerken, viel schneller verringert werden soll als bislang geplant.
Mit dem sogenannten ETS (Emission Trading System) wird der Handel mit Verschmutzungszertifikaten beschrieben. Die 27 EU-Mitgliedstaaten bitten seit bald zwei Jahrzehnten unter anderem Unternehmen zur Kasse, die das klimaschädliche Treibhausgas ausstoßen. Für jede Tonne CO₂ muss ein Zertifikat erworben werden. Teils erhalten die Firmen diese kostenlos, teils müssen sie welche dazukaufen, um so die zu hohen Emissionen finanziell auszugleichen. Wenn Betriebe die Zertifikate nicht nutzen, können sie sie weiterverkaufen. Das Prinzip: "Wer die Umwelt belastet, muss dafür bezahlen", sagte der EU-Abgeordnete Michael Bloss (Grüne).
In Deutschland gibt es bereits eine entsprechende Regelung
Konkret bedeutet die vereinbarte Verschärfung, dass künftig der Ausstoß von Kohlendioxid auch in solchen Branchen teurer wird, die bislang von frei zugeteilten Zertifikaten profitierten. Nun verlangt die EU, diese bis 2030 fast zu halbieren – und bis 2034 schrittweise ganz zu streichen. Damit wird auch der Preis pro Tonne CO₂ kontinuierlich steigen und mit ihm der finanzielle Anreiz, auf klimafreundlichere Technologien umzusteigen.
Trotzdem kommen auf die Bürger zusätzliche Kosten hinzu. Denn die europäischen Verbraucher sollen künftig beim Tanken oder Heizen ebenfalls einen CO₂-Preis zahlen. In der Bundesrepublik ist das bereits seit 2021 der Fall, weshalb die deutschen Volksvertreter die Reform loben, da sie "gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa" schaffe. Die Vereinbarung für Privatleute soll erst ab 2027 gelten und eine Notbremse hat der Gesetzgeber ebenfalls eingebaut: Sollten die Menschen unter hohen Energiepreisen leiden, tritt der Emissionshandel für die Bereiche Verkehr und Gebäude erst 2028 in Kraft.
Sanierungen sollen gefördert werden
Um einkommensschwächere Verbraucher sowie kleine und mittelständische Unternehmen zu entlasten, will die EU diese ab 2026 mit Mitteln aus einem Klima-Sozialfonds beim Übergang unterstützen. Die Partner einigten sich darauf, den Fonds mit 86,7 Milliarden Euro auszustatten. "Uns ist der soziale Ausgleich gelungen", lobte CDU-Mann Liese den Kompromiss. Obwohl das Parlament einen höheren Beitrag durchsetzen konnte, als die Mitgliedstaaten anboten, fiel er, auch auf Druck aus Berlin, deutlich geringer aus als von vielen gewünscht.
"Man hat in der Bundesregierung noch nicht richtig verstanden, wie wichtig Armutsbekämpfung ist", kritisierte die EU-Abgeordnete Katrin Langensiepen (Grüne). Mit dem Geld will die EU zum einen Investitionen finanzieren, etwa in energieeffizientere Gebäude oder in öffentliche Verkehrsmittel, zum anderen Haushalten, die von Energiearmut betroffen sind, helfen, auf sparsamere Heizungen umzusteigen oder umweltfreundlichere Autos zu kaufen.
In Brüssel preisen Politiker den Emissionshandel als Herzstück des Fit-for-55-Pakets, das die EU-Kommission im Sommer 2021 zum Kampf gegen den Klimawandel vorgestellt hatte. Damit will die Gemeinschaft ihren Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken und die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen. Geht die Verordnung wie erwartet durch, soll sie ab Oktober nächsten Jahres in Kraft treten.