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Kommentar: Schwierige Tarifgespräche: Welcher Lohn ist in diesen Zeiten gerecht?

Kommentar

Schwierige Tarifgespräche: Welcher Lohn ist in diesen Zeiten gerecht?

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    Die IG Metall geht mit hohen Forderungen in die Tarifrunde.
    Die IG Metall geht mit hohen Forderungen in die Tarifrunde. Foto: Daniel Bockwoldt, dpa

    „Aktion“ klingt zupackend. „Konzertiert“ klingt abgestimmt. Gemeinwohl-Sound schwingt da doch mit, Kompromiss und Bereitschaft zum Verzicht. Im Sinne aller, des großen Ganzen, zur Eindämmung der Inflation. Darum soll es doch gehen. Wenn am Montag Arbeitgeber, Gewerkschafter und Wirtschaftsexperten beim Bundeskanzler aufschlagen, muss sich allerdings erst noch weisen, dass die nächste „Konzertierte Aktion“ der Bundesrepublik Deutschland einen besseren Ausgang nimmt als jene Erste. Denn die führte irgendwann zu „wilden Streiks“ und einer Menge Dissonanzen. Die Vorzeichen jedenfalls sind mindestens schwierig. Olaf Scholz geht ganz schön ins Risiko. Scheitern ganz und gar nicht ausgeschlossen. Anders gesagt: Es wird wohl ein paar dieser Aktionen brauchen.

    Denn die Gemengelage wird in Kriegs- und Teuerungszeiten eher schwieriger. Zwei Beispiele: Da sind die anstehenden Tarifrunden. Die IG Metall , die mächtigste deutsche Gewerkschaft, wird wohl acht Prozent mehr fordern. Die Arbeitgeber halten das für „deutlich überzogen“. Die maximale Rhetorik ist da mit eingepreist. Insofern geht es hier noch zivilisiert zu.

    Sogar das Streikrecht steht plötzlich zur Debatte

    Zugleich sprach der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger diese Woche davon, Deutschland sei viele Jahre durch eine „Wohlstands- und Wohlfühloase getaumelt“. Er forderte, damit müsse jetzt Schluss sein, und dachte dann laut darüber nach, dass man den Verdi-Warnstreiks in den Seehäfen vielleicht mit einem „nationalen Notstand“, der auch Streikrecht breche, begegnen könne. Derart drüber hilft es dann auch nicht mehr, zu betonen, man sei aber in keinem Fall dafür, das Streikrecht einzuschränken. Zugleich lehnen sowohl Gewerkschaften also auch Arbeitgeber ab, bei Scholz Tarifverhandlungen zu führen.

    Wie sensibel die Sache ist, zeigt sich auch hieran: Der kursierende Vorschlag, die Gewerkschaften sollten im Gegenzug zu steuerfreien – sprich staatlich unterstützten – Einmalzahlungen auf prozentuale Lohnforderungen verzichten, war schnell von ganz unterschiedlichen Seiten kritisiert worden. Die Gewerkschaften und Arbeitgeber verteidigen – zu Recht – die Tarifautonomie (die überaus sinnvolle Erhöhung des Mindestlohnes sollte als Eingriff hier die Ausnahme bleiben). Bundesfinanzminister Christian Lindner sorgt sich – zu Recht – um das immer größer werdende Loch im Bundeshaushalt. Scholz äußerte sich in der Folge dann auch zurückhaltend. Und verwies auf Montag.

    Eine angemessene Zahlung bindet Mitarbeiter eben mehr als nette Worte

    Aber wie das alles regeln? Konzertierte Aktion, das klingt nach großer Lösung. Dabei braucht es einen differenzierten Blick auf die Branchen. Richtig ist: Es gibt Unternehmen, die dicke Gewinne einfahren. Richtig ist: Es gibt Mittelständler, die wegen der gerissenen Lieferketten am Limit sind. Richtig ist: Wenn der Lohnzuwachs die Inflation nicht ausgleicht, wird es für viele noch enger. Richtig ist: Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale ist real. Richtig ist: Eine angemessene Bezahlung entfaltet in Zeiten des Fachkräftemangels mehr Bindung als jede behauptete Wertschätzung.

    Wenn die konzertierte Aktion eigentlich ein „Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“ sein soll, wie der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller zu sagen pflegte, wird es Demut brauchen. Vielleicht hilft es, bei der in Demokratien üblichen Suche nach Kompromissen den doch arg nach innen gerichteten Blick Richtung Ukraine zu wenden. Man kann mehr verlieren als den Wohlstand.

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