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Krieg in der Ukraine: Krieg ist keine Basis für Geschäfte: Wirtschaft kritisiert Sanktionen kaum

Krieg in der Ukraine

Krieg ist keine Basis für Geschäfte: Wirtschaft kritisiert Sanktionen kaum

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    Welche Zukunft es mit Russland in der globalen Wirtschaft geben kann, wird bereits kontrovers diskutiert.
    Welche Zukunft es mit Russland in der globalen Wirtschaft geben kann, wird bereits kontrovers diskutiert. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Der Überfall Russlands auf die Ukraine und die deshalb verhängten harten Sanktionen treffen auch die deutsche Wirtschaft in der Breite. Das geht aus einer Blitzumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervor. Zugleich aber werden sie akzeptiert. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagt: "Trotz dieser schmerzlichen Einbußen hören wir kaum Kritik an den verhängten Sanktionen." Selbst für die stark betroffenen Unternehmen sei Krieg keine Basis für Geschäfte.

    An der Blitzumfrage hatten sich bundesweit 3700 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen beteiligt. 78 Prozent der Betriebe seien den weiteren DIHK-Angaben zufolge vom Krieg und dessen Folgen geschäftlich betroffen. 60 Prozent berichteten von steigenden Preisen oder gestörten Lieferketten, 18 Prozent hätten direkte Folgen wie den Verlust von Kunden oder Lieferanten benannt. Lediglich 22 Prozent hätten angegeben, bislang keine Auswirkungen von Krieg und Sanktionen zu spüren. Branchenübergreifend sind die gestiegenen Energiekosten das wohl größte Problem. In der auf Energie und Rohstoffe angewiesenen Industrie herrsche "Krisenstimmung". Wansleben warnt: "Hier droht zusätzliches Inflationspotenzial."

    Ifo-Präsident Fuest: Gas-Handel mit Russland nicht einstellen

    Welche wirtschaftlichen Konsequenzen zu ziehen sind, die "Auswirkungen und Politikimplikationen des Kriegs in der Ukraine" wurden am Freitag auch bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Berlin diskutiert. Dort äußerte sich auch Ifo-Präsident Clemens Fuest mit Blick auf die von Deutschland und Europa anzustrebende stärkere Resilienz in Sachen Energieversorgung. Fuest hält zum Beispiel wenig davon, den Gas-Handel mit Russland langfristig gänzlich einzustellen.

    Warum? Fuest erklärt seine Position so: Angenommen Putin bliebe im Amt und somit der problematische politische Partner stelle sich doch die Frage, welche Position in dieser Konstellation die strategisch beste sei. Fuest ist hier klar: "Das ist nicht, den Handel mit ihm einzustellen. Denn: Gas von Russland kaufen schafft nicht einseitige Abhängigkeiten, sondern beidseitige Abhängigkeiten. Also auch für Putin ist es ein Problem, wenn wir den Gashahn zudrehen." Das Ziel müsse folglich darin bestehen, aus dieser beidseitigen Abhängigkeit eine einseitige zu machen. Also Russland vom Westen. Und das gelinge nicht, indem man den Handel beende. Wie macht man Russland abhängig?

    Fuest: "Indem man Überkapazitäten aufbaut." Zum Beispiel über den von der Bundesregierung angestrebten Ausbau der LNG-Terminals wie in Brunsbüttel, mit denen der Import von Flüssiggas massiv erhöht werden soll. Fuest: "Man muss also Möglichkeiten, Kapazitäten schaffen, auch woanders das Gas herzubekommen. Das ist nicht trivial. Aber wenn man die hat, dann sollte man weiter Gas kaufen. Denn dann kann man Putin sagen: Du bist von uns abhängig, wir aber nicht von dir." Das sei besser, als wenn man gar keine Möglichkeit habe, Russland zu sanktionieren, weil man keinen Handel mit dem Land treibe. Fuest: "Dann wird das so eine Art Nordkorea, und ob das dann friedlicher wird, denkt, glaube ich, niemand." Zugleich rechnet Fuest als Kriegsfolge für die Weltwirtschaft nicht mit einem Ende der Globalisierung. Sondern vielleicht sogar mit dem Gegenteil, einem "Schub". Warum? "Man versichert sich nicht gegen Ausfälle, indem man alles zu Hause macht, sondern indem man diversifiziert."

    Der für die Automobilindustrie wichtige Rohstoff Nickel wird teurer

    Ein gutes Beispiel, warum man – jenseits von Kohle, Gas und Öl – diversifizieren sollte, ist etwa Nickel. Der Rohstoff ist im Deutschland der Verkehrswende und der automobilen E-Offensive besonders wichtig für die Batterien. Und wird teurer. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) warnt in einer aktuellen Studie zum Beispiel: "Aus Russland fehlen wichtige Rohstofflieferungen. Auch aus der Ukraine wurden bisher wichtige Stoffe und Vorprodukte geliefert. Palladium, Nickel, Neon oder Kabelbäume sind Beispiele für neu entstandene Engpässe. Wenn diese länger andauern, weil Ersatz nur begrenzt mobilisiert werden kann, drohen anhaltende Produktionsausfälle in der deutschen Wirtschaft."

    Gabor Vogel, Rohstoffanalyst der DZ Bank, schätzt die Nickel-Problematik auf Anfrage unserer Redaktion so ein: "Nickel wird zur Batterie- und Edelstahlherstellung verwendet und Europa bezieht rund 17 Prozent aus Russland." Derzeit liege der Preis bei rund 37.000 US-Dollar je Tonne. Seit Jahresbeginn sei er – um gut 80 Prozent – immer gestiegen. Vogel resümiert: "Die Lieferketten bleiben stark unter Druck und für die Industrie bedeutet dies, dass mit längeren Lieferzeiten und dauerhaft erhöhten Notierungen zu rechnen ist, vor allem solange westliche Händler die russischen Rohstoffe meiden."

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