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Nördlingen: Varta-Chef Herbert Schein tritt zurück

Nördlingen

Varta-Chef Herbert Schein tritt zurück

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    Varta-Chef Herbert Schein, der selbst aus dem Ries stammt, gibt seinen Posten auf.
    Varta-Chef Herbert Schein, der selbst aus dem Ries stammt, gibt seinen Posten auf. Foto: Jochen Aumann

    Zuletzt sind anscheinend zu viele Probleme zusammengekommen, am Donnerstagnachmittag folgten die Konsequenzen: Varta-Chef Herbert Schein tritt mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Vorstandsvorsitzender zurück. Das gab das Unternehmen in einer Mitteilung an die Aktionärinnen und Aktionäre bekannt. Schein soll jedoch bis zum 31. Dezember des Jahres im Vorstand verbleiben und einen neuen Geschäftsbereich aufbauen, hieß es weiter. An seine Stelle an die Varta-Spitze rückt sein bisheriger Vorstandskollege Markus Hackstein. Der Österreicher war erst in diesem Jahr in das Führungsgremium aufgerückt.

    Varta hatte zuletzt seine Erwartungen an das Geschäft nach unten korrigieren müssen. Den Aktienkurs auf Talfahrt schickte aber in der vergangenen Woche die Mitteilung, dass der Vorstand seine Prognose für dieses Geschäftsjahr wie auch für das dritte Quartal komplett zurückzieht. Schlimmer noch, das Unternehmen sah sich auch nicht in der Lage, eine neue Prognose für das laufende Geschäftsjahr abzugeben. Damit dürfte das Unternehmen bei den Anlegern viel Vertrauen verspielt haben. Der Aktienkurs brach ein. Wurde das Papier zeitweise mit über 125 Euro gehandelt, stand es gestern Nachmittag gerade noch bei 30 Euro.

    Varta nimmt Prognose zurück – Aktienkurs bricht ein

    Als Grund für die Rücknahme der Prognose gab Varta "weiter gestiegene Kosten für Energie und der Rohstoffpreise" an. Diese könnten zudem nur zeitverzögert oder nur zu einem Teil an die Kundschaft weitergegeben werden. Dies dürfte aber nur ein Teil der Wahrheit sein.

    Große Hoffnungen setzt Varta in eine neue Hochleistungsbatterie, die in nur sechs Minuten geladen werden kann. Sie bietet sich für elektrische Werkzeuge, insbesondere aber für die Autoindustrie an. Varta berichtete, die Batterie zuerst in einer Pilotanlage zu fertigen und als "Booster" in elektrifizierten Premium- und Sportfahrzeugen einzusetzen. Als Kunde ist häufig der Name Porsche gefallen, andere Namen waren seither aber kaum im Gespräch. Auch scheinen nach Informationen unserer Zeitung die Markteinführung und der Anlauf der Produktion schwieriger zu sein als gedacht.

    Die Aufgabe des bisherigen Varta-Chefs Herbert Schein soll es sein, diesen Geschäftsbereich jetzt forcierter zu entwickeln, berichtete Varta. Schein solle "künftig das Geschäft für die attraktiven Märkte des Geschäftsbereichs der E-Mobility und Batterypacks in einer eigenen Varta-Gesellschaft vorantreiben", teilte das Unternehmen mit. "Das Unternehmen will künftig den schnell wachsenden Markt der großformatigen Lithium-Ionen-Zellen für E-Mobility und andere Anwendungen noch zielgerichteter mit der Bündelung in der V4Drive SE adressieren", hieß es. "Herbert Schein wird dieses Geschäft, das die Entwicklung und Fertigung von Zellen für eine große Bandbreite von attraktiven und wachstumsstarken Einsatzmöglichkeiten umfasst, in neuen Strukturen weltweit aufsetzen."

    Signifikante Mengen können 2022 wohl nicht mehr ausgeliefert werden

    In der Mitteilung zur Prognose-Rücknahme teilte Varta selbst mit, dass sich der Abruf beziehungsweise die Lieferfreigabe mit zwei großen Herstellern verzögere. "Abhängig davon können gegebenenfalls signifikante Volumina in diesem Jahr nicht mehr ausgeliefert werden", hieß es. Dieser Umsatz fehlt dementsprechend.

    Dazu gesellt sich anscheinend noch ein zweites Problem: Varta in Nördlingen ist groß geworden insbesondere mit kleinen Lithium-Ionen-Akkus, die in Elektronik eingebaut werden, zum Beispiel in Hörgeräte. Großes Renommee brachte es dem Hersteller ein, Apple als Kunden gewonnen zu haben, der die aufladbaren Knopfzellen (coin cells) in seine schnurlosen Kopfhörer, die AirPods, einbaut. Börsenbeobachter haben zuletzt aber wiederholt berichtet, dass Apple inzwischen auf einen anderen Anbieter setzt und Aufträge auch an Samsung vergibt. Das deckt sich mit Informationen unserer Redaktion, wonach Apple Aufträge an Varta zumindest reduziert hat.

    Auf dieser neuen Batteriezelle, der V4Drive, ruhen große Hoffnungen von Varta. Erfüllen sie sich?
    Auf dieser neuen Batteriezelle, der V4Drive, ruhen große Hoffnungen von Varta. Erfüllen sie sich? Foto: Jochen Aumann

    Varta gehört mehrheitlich dem österreichischen Investor Michael Tojner, der auch für sein zeitweiliges Interesse am Flugzeugbau-Zulieferer Premium Aerotec in unserer Region bekannt geworden ist. Für Verwunderung hatte in Beobachterkreisen gesorgt, dass Varta trotz hoher Investitions- und Entwicklungskosten zuletzt Dividenden ausgeschüttet hat.

    Eigentlich befinden sich große Bauprojekte in der Pipeline bei Varta

    Die Krise kommt für das Unternehmen zur Unzeit: Eine neue Halle für die Produktion hat das Unternehmen eben erst in Nördlingen errichtet. Varta will zudem neue Investitionen stemmen. Der Nördlinger Stadtrat hat zuletzt den Weg für eine Erweiterung des Unternehmens auf 6,2 Hektar freigemacht. Dort ist ein neues Gebäude mit einer Länge von mehr als 310 Metern, einer Breite von rund 50 Metern und einer Höhe von rund 20 Metern geplant.

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