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Niedrigzinsen: Warum Sparern noch eine lange Durststrecke droht

Niedrigzinsen

Warum Sparern noch eine lange Durststrecke droht

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    Die durchschnittliche Sparquote ist in Deutschland mit rund 10 Prozent des verfügbaren Einkommens nach wie vor deutlich höher als in den meisten anderen europäischen Ländern.
    Die durchschnittliche Sparquote ist in Deutschland mit rund 10 Prozent des verfügbaren Einkommens nach wie vor deutlich höher als in den meisten anderen europäischen Ländern. Foto: Daniel Karmann (dpa)

    Zwei Jahre ist es her, dass das erste Geldhaus in Deutschland ein Tabu brach: Die kleine Raiffeisenbank in Gmund am Tegernsee gab bekannt, erstmals Minuszinsen von ihren vermögendsten Kunden zu verlangen. Sparer mit mehr als 100.000 Euro Guthaben mussten faktisch also Geld dafür zahlen, dass die Bank ihr Vermögen verwahrt. Seitdem zogen immer mehr Institute nach. Aktuell listet das Vergleichsportal Verivox 14 Banken, die Negativzinsen auf hohe Guthaben erheben, darunter auch die VR-Bank Landsberg-Ammersee. Auf Anfrage teilte die Bank mit, dass die Zinsen jedoch nur nach individueller Rücksprache erhoben würden. Aktuell sei nur eine einstellige Zahl von Kunden betroffen.

    Kleinsparer werden aktuell noch von Minuszinsen verschont. Aber wie lange noch? Glaubt man Ralf Fleischer, dann könnte dieser Zustand bald enden. Der Chef der Münchner Sparkasse betonte kürzlich zwar, dass das Geldhaus keine negativen Zinsen an seine Privatkunden weitergeben wolle, drohte dann aber: Sobald die erste große Bank in Deutschland Strafgebühren einführt, werde man an dieser Politik nicht mehr festhalten können. Er fürchtet, dass in so einem Fall eine Vielzahl von Sparern zu Banken wie der Sparkasse überlaufen würde, die keine Gebühren erheben. Dadurch würden die Einlagen in die Höhe schnellen. Das ist jedoch teuer für die Kreditinstitute.

    Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen rutschte ins Minus

    Grund dafür ist die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, kurz EZB. Die Banken müssen für Geld, das sie bei der Notenbank einlagern, selbst einen Negativzins von minus 0,4 Prozent zahlen. 7,5 Milliarden Euro haben die Banken in der Eurozone zuletzt deshalb an die EZB überwiesen. Mit den Minuszinsen will die Notenbank verhindern, dass zu viel Vermögen unbeweglich auf der Bank liegt. Stattdessen sollen die Kreditinstitute das Geld zu niedrigen Zinsen an Verbraucher und Unternehmen weitergeben, damit die Wirtschaft angekurbelt wird.

    Eine Änderung dieser Politik ist nicht in Sicht, zuletzt ist sie sogar in noch weitere Ferne gerückt. Lange hatten Experten damit gerechnet, dass die Zinswende schon im Frühjahr dieses Jahres einsetzen könnte. Bei ihrer letzten Sitzung hatte die EZB eine mögliche Zinserhöhung jedoch mindestens bis ins Jahr 2020 verschoben. Der Leitzins bleibt also auf einem Wert von null Prozent. Michael Schubert glaubt, dass sich die Notenbank auch an diese Vorgabe nicht unbedingt halten wird. „Wir werden weder dieses noch nächstes Jahr eine Erhöhung sehen“, prognostiziert der Commerzbank-Analyst. „Die Zinswende lässt noch länger auf sich warten.“ Selbst die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe rutschte zuletzt erstmals seit 2016 kurzzeitig ins Minus, die Anleger zahlten also dafür, dass sie ihr Geld beim Bund anlegen dürfen.

    Die Sparer müssen sich an eine Durststrecke gewöhnen

    Ökonom Schubert hält das jedoch für das falsche Signal. „Während und nach der Finanzmarktkrise war es durchaus angebracht, zu unkonventionellen Maßnahmen zu greifen“, sagt er. Mittlerweile habe sich die Situation an den Finanzmärkten jedoch wieder deutlich verbessert. Deshalb wäre es eigentlich an der Zeit, die Geldpolitik Schritt für Schritt wieder anzupassen. Bis das geschieht, müssen sich Sparer allerdings an den Gedanken gewöhnen, dass die Durststrecke für sie anhält.

    Zumindest in einem Spezialfall hat ein Gericht sie nun jedoch vor Negativzinsen geschützt. Die Sparkasse Tübingen hatte in einem Riester-Sparplan einen positiven Staffelzins mit einem negativen variablen Zins verrechnet. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte geklagt – und recht bekommen. Negativzinsen widersprechen nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart dem Grundgedanken der Altersvorsorge. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale zeigte sich nach der Verhandlung zufrieden: „Der Sparer bekommt Zinsen, er muss nicht Zinsen zahlen.“

    Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Die Sparer sind die Leidtragenden der EZB-Politik

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