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Dialyse: 75 Jahre "Künstliche Niere" - Blutwäsche rettet Leben

Dialyse

75 Jahre "Künstliche Niere" - Blutwäsche rettet Leben

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    Am 4. April 1943 wurde das Verfahren der Dialyse erfunden. Die Blutwäsche rettet seit 75 Jahren Millionen Menschen das Leben.
    Am 4. April 1943 wurde das Verfahren der Dialyse erfunden. Die Blutwäsche rettet seit 75 Jahren Millionen Menschen das Leben. Foto: Fran May, dpa

    Heutzutage ist Dialyse Hightech. Doch das war nicht immer so: Die erste künstliche Niere sah eher aus wie eine hölzerne Wäschetrommel. Diese Erfindung aber feiert heute 75 Jahre und ist die Grundlage dafür, dass Millionen Nierenkranke länger leben können.

    Allein in Deutschland profitierten bis zu 80.000 Menschen regelmäßig von dem Blutreinigungsverfahren, sagt Andreas Kribben, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie. Ein Problem bleibt aber, dass es immer weniger Organspenden gibt. Ohne eine Transplantation leben Nierenkranke trotz Dialyse kürzer.

    Willem Johan Kolff erfand die Blutwäsche aus Mitleid mit den Nierenkranken

    Die Technik der künstlichen Niere geht vor allem auf den niederländischen Arzt Willem Johan Kolff (1911-2009) zurück. Vor ihm hatte sich schon der deutsche Mediziner Georg Haas (1886-1971) mit Blutwäsche beschäftigt. Eines von Kolffs stärksten Motiven für seine Erfindung war wohl Mitleid. Er hatte als junger Mediziner den Tod von Nierenkranken erlebt, ohne ihnen helfen zu können.

    Am 4. April 1943 setzte er das erste Mal seine künstliche Niere ein. Trotz vieler Rückschläge konnte er zwei Jahre später einer Patientin damit das Leben retten. Der Erfinder emigrierte nach dem Krieg in die USA und verbesserte dort sein Konzept. 

    Ohne Dialyse würden die meisten Menschen beim Versagen ihrer Nieren noch heute keine vier Wochen überleben, betont Nierenexperte Andreas Kribben. Denn die beiden Organe entgiften den Körper. Für Kribben sind die Nieren das einzige Organ, das dauerhaft maschinell ersetzt werden kann.

    PATIENTEN: Insgesamt bekommen in Deutschland heute rund 60 000 bis 80 000 Menschen regelmäßig eine Dialyse. Über die Hälfte von ihnen ist über 65 Jahre alt. Denn in der Bundesrepublik ist eine chronische Nierenkrankheit in mehr als der Hälfte aller Fälle eine Folge von Diabetes oder von jahrelang schlecht eingestelltem Bluthochdruck. Beide Krankheiten schädigen die Nieren langfristig. Bei jüngeren Patienten versagt die Nierenfunktion oft wegen Erbkrankheiten oder durch Autoimmunerkrankungen. Weltweit leben rund zwei Millionen Menschen mit Nierenersatzverfahren. Das sind aber nur zehn Prozent aller Menschen, die Hilfe benötigen würden. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern bedeutet eine schwere Nierenerkrankung heute noch immer den baldigen Tod. 

    TECHNISCHER FORTSCHRITT: "Er hat es ermöglicht, dass die Dialyse sicherer, effizienter und gleichzeitig schonender geworden ist", sagt Nierenexperte Kribben. Bis in die 1970er Jahre waren bis zu zwölf Stunden am Stück an der Dialyse üblich. Patienten litten während dieser Behandlung oft an Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen und Kreislaufproblemen. Denn es war damals notwendig, dem Körper viel Blut für die Reinigung zu entziehen. Heute wird dazu viel weniger Blut benötigt. Der Entgiftungsprozess dauert in der Regel vier Stunden und muss bei den meisten Patienten dreimal pro Woche wiederholt werden. 

    Sie stehen auf der Liste der Todesursachen ganz oben. An Pneumonie sterben jährlich nahezu 4 Millionen Menschen, vorwiegend Kinder. Die Lungenentzündung ist damit trauriger Spitzenreiter der Krankheiten, die die meisten Todesopfer fordern.
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    Dialyse - wie funktioniert das?

    VERFAHREN: Wenn die Nieren ausfallen, gibt es grundsätzlich zwei Wege für eine künstlichen Blutreinigung. Bei der Hämodialyse wird das Blut in eine Maschine geleitet. Danach fließt es entgiftet in den Körper zurück. Bei der Peritonealdialyse wird das eigene Bauchfell zur Entgiftung genutzt. Der Patient füllt mehrmals täglich eine Dialysierflüssigkeit über einen Katheter in den Bauchraum ein und lässt sie dann auch wieder ab. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass ein Patient unabhängig von einem Dialysezentrum ist. Er kann die Peritonealdialyse auch im Berufsleben oder auf Reisen durchführen. Auch für junge Patienten und Kinder wird diese Variante häufig genutzt. Zu einer Behandlung gehört aber auch viel Disziplin: Patienten müssen Zeiten einhalten, Medikamente einnehmen und Diätvorschriften genau befolgen. 

    LEBENSVERLÄNGERUNG: Vielen Menschen ermöglicht eine Dialysebehandlung heute das Überleben, manchen über Jahre, anderen sogar über Jahrzehnte. Es gebe Menschen, die schon mehr als 40 Jahre mit der Dialyse lebten, sagt Experte Kribben.  Allerdings sterben Dialysepatienten im Vergleich zu gleichaltrigen Menschen mit normaler Nierenfunktion deutlich häufiger und früher. Das habe unter anderem mit Veränderungen der Gefäßwände zu tun. 

    KURZZEIT-DIALYSE: Bei komplexeren Operationen kann es zu einem vorübergehenden Ausfall der Nierenfunktion kommen, ebenso bei Entzündungen, Infektionen oder als Folge des Ausfalls anderer Organe. Auch bei akutem Nierenversagen kann eine Dialysebehandlung notwendig sein - aber nur für einen begrenzten Zeitraum. Allerdings haben Patienten nach einem akuten Nierenversagen ein sehr viel größeres Risiko, im Laufe ihres Lebens eine chronische Nierenkrankheit zu bekommen. Auch sie müssen dann dauerhaft an die Dialyse.

    Organspende kann die Lebenserwartung von Nierenkranken fast verdoppeln

    Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurden im vergangenen Jahr 1364 Nieren transplantiert. Das waren rund 200 weniger als 2015. Der Mangel an Spendernieren führt dazu, dass für Dialysepatienten die Chance auf eine gleichwertige Lebenserwartung und Lebensqualität sinkt.

    Organspende in Deutschland

    75 Prozent der 14- bis 75-jährigen Bundesbürger stimmen einer Organspende grundsätzlich zu, aber nur 25 Prozent haben bislang einen Spenderausweis.

    Rund 12.000 Menschen warten auf ein Spenderorgan, etwa 8000 von ihnen brauchen eine Niere.

    Patienten warten fünf bis sechs Jahre auf eine Spender-Niere.

    Im Schnitt sterben täglich drei Menschen auf den Wartelisten.

    4054 Menschen konnte 2011 mit einer Transplantation geholfen werden (2010: 4326).

    14,7 Spender kommen in Deutschland auf eine Million Einwohner (in Spanien: 32,0, Österreich 23,3, Schweiz 12,6, Luxemburg 6,0).

    1200 Menschen wurden 2011 nach ihrem Tod 3917 Organe entnommen darunter 2036 Mal Niere, 1040 Leber, 363 Herz, 313 Lunge, 160 Bauchspeicheldrüse und 6 Dünndarm.

    Von den Spendern waren 36 jünger als 16 Jahre; 571 waren 16 bis 54 Jahre alt; 236 waren 55 bis 64 Jahre alt; 357 waren älter als 65 Jahre.

    Weitere 795 Nieren wurden von lebenden Spendern übertragen. Zudem wurden 71 mal Teile der Leber von Lebendspendern übertragen.

    Die Sterblichkeit von Nierenkranken mit Spenderorgan ist laut EU-Statistiken deutlich geringer als die von Dialysepatienten. Heute hat ein gesunder Mensch im Alter von 20 bis 24 Jahren noch eine Lebenserwartung von 60 Jahren. Einem gleichaltrigen Dialysepatienten bleiben im Schnitt weniger als 25 Jahre. Mit einer Nierentransplantation kann die verbleibende Lebenserwartung auf knapp 45 Jahren fast verdoppelt werden. (AZ, dpa)

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