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Was tun bei Tinnitus? Ursachen und Behandlung

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Was tun bei Tinnitus? Ursachen und Behandlung

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    Pfeifen, Brummen, Rauschen: In manchen Fällen verschwindet der Tinnitus sogar nach fünf bis zehn Jahren noch.
    Pfeifen, Brummen, Rauschen: In manchen Fällen verschwindet der Tinnitus sogar nach fünf bis zehn Jahren noch. Foto: Silvia Marks, dpa (Symbolbild)

    Das Geräusch ist unangenehm und erinnert an quietschende Bremsen. Ein hoher Pfeifton, der fast ein bisschen wehtut. Auf der Internetseite der Deutschen Tinnitusliga kann man ihn anhören – als Beispiel für das, was Tinnitus-Patienten andauernd aushalten müssen. Es ist, wie es heißt, das am häufigsten vorkommende Ohrgeräusch. Grundsätzlich aber, teilen die Experten mit, sei jeder Tinnitus ein individuelles Phänomen, das auch individuell klinge. Neben Pfeifen berichteten Betroffene den Angaben zufolge oft auch von einem tiefem Brummen, Rauschen, Zischen oder Summen, von einem Pochen oder gar Hämmern in den Ohren. Manchmal höre sich Tinnitus an wie ein vorbeifahrender Zug. Und manchmal träten auch mehrere Geräusche gleichzeitig auf.

    Professor Johannes Zenk, HNO-Chefarzt am Augsburger Klinikum, kennt das Problem. Nicht von den eigenen Ohren, aber von seinen Patienten. Tinnitus-Patienten kommen regelmäßig – auch zu ihm in die HNO-Klinik. Es sind Männer und Frauen gleichermaßen, und das Problem geht quer durch alle Altersgruppen. Einen Tinnitus kann jeder bekommen, egal, ob er jung ist oder alt.

    Die Bezeichnung „Tinnitus“ ist abgeleitet vom Lateinischen tinnire, was so viel wie „klingeln“ bedeutet. Es handelt sich um Geräusche, die nicht von außen hervorgerufen werden, um Geräusche, die nicht aus der Umgebung des Patienten stammen. Vielmehr entstehen sie an irgendeiner Stelle in der Hörbahn und werden von dort weitergeleitet zum Gehirn, wo sie als störend wahrgenommen werden. Studien zufolge soll jeder Vierte schon einmal Ohrgeräusche erlebt haben, zwischen zehn und 15 Prozent haben über einen längeren Zeitraum einen Tinnitus, und drei bis fünf Prozent gelten als behandlungsbedürftig.

    Tinnitus behandeln: Schnelles Handeln ist wichtig

    Unterschieden wird dabei zum einen zwischen objektivem und subjektivem Tinnitus: Beim objektiven handelt es sich um Körpergeräusche, die der Arzt auch von außen erfassen kann. Sie werden zum Beispiel hervorgerufen durch das Blut in den Gefäßen oder unwillkürliche Muskelkontraktionen. Weitaus häufiger ist jedoch der subjektive Tinnitus, den nur der Betroffene selbst hören kann. Er ist das eigentliche Problem – vor allem, wenn er chronisch wird und somit länger als drei Monate andauert.

    Manche der Betroffenen beeinträchtigt dieser subjektive, chronische Tinnitus extrem. Sie klagen über Konzentrationsstörungen, Schlafschwierigkeiten, Ängste und Depressionen. Manchmal führt die Erkrankung bis hin zu Frühberentung und Berufsunfähigkeit, wobei hierfür mitunter die genannten Folgen des Tinnitus ausschlaggebend sind. Mancher soll deswegen sogar schon versucht haben, sich umzubringen.

    Wer akut einen Tinnitus bemerkt, sollte rasch handeln und einen Arzt aufsuchen. Im Akutstadium werden Maßnahmen getroffen wie Infusionen von Cortison oder Cortisongaben direkt ins Ohr, hinter das Trommelfell. Tinnitus sei dem Hörsturz gleichbedeutend, sagt Zenk, und ähnlich wie beim Hörsturz kann es angezeigt sein, den Patienten eine Weile von möglichen Stressoren in seinem Umfeld abzuschirmen, wenn es in den Ohren klingelt. Und: Tinnitus kann auch als Begleitsymptom bei einem Hörsturz auftreten – sowie typische Folge eines Hörverlustes oder akuter Lärmtraumata sein.

    Tinnitus: Ursachen

    Weil auch ein chronischer Tinnitus irgendwann einmal akut gewesen ist, muss man nach einer möglichen organischen Ursache suchen, erklärt Zenk. Das bedeutet, man brauche eine komplette audiologische Abklärung im Bereich der Hörschnecke, der Hörnerven sowie der zentralen Hörbahn – und, falls der Tinnitus neu aufgetreten sei, auch eine Abklärung des Gleichgewichtsorgans im Ohr. Oft, so Zenk, werde eine MRT gemacht, eine Kernspinaufnahme. Allerdings: Untersucht man 200 Patienten mit Tinnitus in der Kernspin-Röhre, so werde nur bei einem von diesen 200 tatsächlich ein Grund für das Ohrgeräusch an der Hörbahn gefunden.

    Solch eine greifbare Ursache könnten zum Beispiel gutartige Tumoren, Entzündungen oder auch Gefäßveränderungen sein. Lange, so Professor Zenk, habe man Gefäßschlingen am Hörnerv für Tinnitus verantwortlich gemacht, aber bis heute gebe es dafür keinen hinreichenden Beweis. Ähnlich wie bei einem Zucken der Gesichtsmuskulatur oder einer Trigeminusneuralgie, die behoben werden kann, indem man am Gesichtsnerv anliegende Gefäßschlingen verlagert, habe man auch beim Tinnitus geglaubt, ihn durch Verlagerung solcher Gefäßschlingen behandeln zu können – doch ohne sicheren Erfolg.

    Der Professor empfiehlt jedoch, mögliche Kiefergelenksprobleme abklären zu lassen. Manchmal nämlich könnten eine Fehlfunktion des Kiefergelenks oder Verspannungen an der Halswirbelsäule an einem Tinnitus beteiligt sein. „Eine kieferorthopädische und orthopädische Abklärung gehört deshalb immer dazu.“ Verbindungen von den Gleichgewichtsrezeptoren an der Halswirbelsäule zu den Hörnerven könnten beim Tinnitus eine Rolle spielen, „aber das ist alles in der Diskussion“. Zenk glaubt dennoch, dass es für Patienten mit Tinnitus und Verspannungen in der Halswirbelsäule hilfreich ist, sich um diese Verspannungen zu kümmern.

    Tinnitus gibt noch manche Rätsel auf. Und obwohl das Problem mit den Ohrgeräuschen alle Altersgruppen sowie Männer und Frauen betrifft, scheint es Berufsgruppen zu geben, die nach Zenks Beobachtung etwas anfälliger sind als andere: Berufsgruppen, die viel im Lärm arbeiten müssen, und solche, die sich zusätzlich stark konzentrieren müssen. Menschen also, die stark unter Stress stehen. Lärm und Stress haben wohl beide mit Tinnitus zu tun. Aber auch die individuelle Persönlichkeitsstruktur: „Labilere Menschen neigen eher dazu, einen Tinnitus zu entwickeln beziehungsweise den Tinnitus als störend zu empfinden“, erklärt Zenk.

    Tinnitus im Ohr: Manchmal verschwinden die Geräusche nach Jahren wieder

    Geht der Tinnitus durch die Akutmaßnahmen nicht zurück, wird der Patient noch länger mit den Geräuschen zu tun haben, heißt es bei der Tinnitus-Liga – auch wenn die Geräusche manchmal nach fünf bis zehn Jahren noch verschwänden. Bleibt das Geräusch, so ist es nur ein kleiner Teil der Betroffenen, die sich von einem Tinnitus beeinträchtigt fühlen – viele gewöhnen sich daran und sind dann auch nicht behandlungsbedürftig. Andere dagegen quält der subjektive, chronische Tinnitus enorm. Die Tinnitus-Liga macht in jedem Falle Mut: „Nach dem dunklen Tunnel wird es wieder hell! Über 70 Prozent der Betroffenen lernen im Verlauf der Zeit, die Ohrgeräusche zu akzeptieren“, heißt es dort.

    Der Weg bis dahin ist jedoch nicht einfach. Unzählige Angebote gibt es, die den Betroffenen helfen sollen – nicht alle davon sind gut untersucht und wirklich hilfreich. Und weder hierzulande noch in den USA, sagt Professor Zenk, gibt es irgendeine medikamentöse Therapieempfehlung. Es gibt also keine Tablette, die man einfach einnehmen könnte, um den Tinnitus zum Verschwinden zu bringen. Auch Gingko, von manchen Patienten auf eigene Faust angewandt, habe Studien zufolge keinen positiven Effekt – dafür aber einige Nebenwirkungen.

    Die Feststellung ist ernüchternd: „Eine kausale, das Ohrgeräusch abschaltende Therapie ist bei chronischem Tinnitus nicht bekannt und auch nicht vorhanden“, konstatiert Professor Gerhard Hesse, Chefarzt einer Tinnitus-Klinik in Bad Arolsen und an der Erarbeitung der Tinnitus-Leitlinien beteiligt, in einer aktuellen Übersichtsarbeit zum Thema. Was bleibt? Ein Patient mit chronischem Tinnitus müsse lernen, mit dem Geräusch in seinen Ohren zurechtzukommen, betont Zenk. Es gilt herauszufinden, welche Faktoren ihn für das Ohrgeräusch sensibilisieren – und sodann zu überlegen, wie er mit diesen Faktoren am besten umgehen kann. Und das ist so individuell wie das Ohrgeräusch selbst.

    Mehr hilfreiche Informationen finden Sie hier in unserem Ratgeber zum Thema Gesundheit.

    Hinweis der Redaktion: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Beitrag aus unserem Online-Archiv.

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