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Cannabis auf Rezept: Medizinisches Cannabis ist kein Allheilmittel

Cannabis auf Rezept

Medizinisches Cannabis ist kein Allheilmittel

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    In Deutschland durften bisher schon etwa 1000 Patienten legal Cannabis nehmen.
    In Deutschland durften bisher schon etwa 1000 Patienten legal Cannabis nehmen. Foto: Andreas Arnold (dpa)

    Cannabis wird teilweise als neues Wunderheilmittel gehandbhabt. Das hat auch seine Gründe: Seit es den Wirkstoff auf Rezept gibt, konnte bereits einigen Patienten geholfen werden. Wiederholt hat es Fälle gegeben, in denen Schwerkranke nur noch damit schmerzfrei leben können. Patienten, die unter chronischen Schmerzen leiden, sagen: "Nur damit habe ich wieder Lebensqualität." Oder: "Cannabis ist das einzige, was mir hilft."

    Betroffene gingen so weit, Cannabis zuhause anzubauen - und landeten deshalb vor Gericht. Andere versuchten vor Gericht, ihr Recht zur Eigenproduktion einzuklagen. Solche Fälle haben zuletzt für hohe Erwartungen in Cannabis als Medizin gesorgt. Doch die Pflanze kann nicht gegen sämtliche Beschwerden helfen.

    Wem hilft Cannabis auf Rezept?

    Es ist mittlerweile möglich in Deutschland, bei schwerwiegenden Erkrankungen, als Palliativ-Behandlung und bei chronischen Schmerzen in Einzelfällen Cannabis auf Rezept zu bekommen. In diesen Fällen muss der Arzt nachweisen, dass es keine andere anerkannte Therapie für den Patienten gibt und die Gabe erfolgversprechend ist. Ist dies gewährleistet, sollen die Krankenkassen die Kosten für Cannabispräparate oder für getrocknete Cannabisblüten übernehmen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte den Weg dafür im März mit einem neuen Gesetz frei gemacht.

    Bisher durften etwa 1000 Patienten bundesweit legal Cannabis zu sich nehmen. Hierfür hatten sie eine Sondergenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Ob die Zahl der Patienten, die den Wirkstoff einnehmen, mit dem neuen Gesetz steigen wird, ist unklar. Das Bundesgesundheitsministerium hat bisher noch keine Informationen, wie vielen Menschen Cannabis bereits verordnet wurde. Eine Sprecherin sagte: "Das Gesetz ist noch keine drei Monate in Kraft".

    Seit Gesetzänderung: Ansturm auf das Cannabis-Rezept

    In der Berliner Fachpraxis für Schmerztherapie des Klinikkonzerns Vivantes beobachtet die Medizinerin Corinna Schilling allerdings einen Ansturm von Patienten, die gerne Cannabis auf Rezept verordnet haben möchten. "Generell hatten wir vor der Gesetzesänderung keine Anfragen zu Cannabis, obwohl es das Produkt ja schon gab", sagt Schilling. Den vielen Anfragen könne man heute gar nicht gerecht werden. Die Menschen gäben an, sie litten unter chronischen Schmerzen und hofften auf eine Verordnung entsprechend der neuen Regelung.

    Die Gesetzesänderung wurde nach Schillings Einschätzung von Laien mitunter so aufgefasst, dass es unzählige Anwendungsbiete für Cannabis gebe - dabei sei dies in den meisten Fällen "überhaupt keine Therapieoption", betont die Ärztin. Sie sieht angesichts der hohen Nachfrage, die aus ihrer Sicht aus teils irreführenden Medienberichten und gleichzeitig schwammiger gesetzlicher Formulierung bezüglich Cannabis auf Rezept resultiert, Risiken: "Tor und Tür sind dem Missbrauch hier weit geöffnet."

    So wird medizinisches Cannabis verabreicht

    Medizinisches Cannabis kann man auf verschiedene Weisen einnehmen. Aufgrund der Nebenwirkungen rät das BfArM jedoch vom Rauchen ab. Die Wirkstoffe lassen sich auch über ölige Lösungen und Tropfen inhalieren oder schlucken.

    Bei dem Cannabis-Gesetz gibt es Anlaufschwierigkeiten - es bestehen Unklarheiten seitens der Ärzte, Patienten und Kassen. Einige Betroffene, die zuvor bereits eine Sondergenehmigung vom BfArM hatten, hätten von der Kasse nun eine Ablehnung erhalten. "Das ist unverständlich und sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers", sagt Michael Schäfer, Schmerzexperte von der Charité in Berlin. Genau diese Patienten mit Sondergenehmigungen für Cannabis waren letztendlich der Auslöser für die Gesetzänderung.

    Das sollten Sie über Cannabis wissen

    Ausgangsquelle für Haschisch und Marihuana ist die Hanfpflanze "Cannabis sativa". Besonders stark konzentriert ist der Wirkstoff THC im Harz der Blüte, das als Haschisch konsumiert wird.

    Marihuana ist eine Mischung aus getrockneten Blättern, Blüten und Zweigen.

    "Hasch" wird geraucht, als Tee aufgebrüht oder in Nahrungsmitteln verarbeitet - gerne in Plätzchen.

    Häufiger starker Konsum kann nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zur psychischen Abhängigkeit führen.

    Cannabis-Produkte werden seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt - manche Patienten dürfen Cannabis inzwischen legal verwenden.

    Cannabis gehört nach dem deutschen Betäubungsmittelgesetz zu den illegalen Suchtmitteln. Besitz, Anbau und der Handel sind verboten.

    Das Betäubungsmittelgesetz sieht Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft vor.

    Beim Umgang mit "nicht geringen Mengen" - bei Haschisch und Marihuana 500 Konsumeinheiten liegt die Höchststrafe bei 15 Jahren.

    Für "Gelegenheitskiffer" kennt das Gesetz die Untergrenze der "geringen Menge" zum Eigenverbrauch. Die Staatsanwaltschaft kann dann von einer Strafverfolgung absehen.

    Die Ärzte wiederum betreten bei medizinischem Cannabis Neuland. Die meisten potentiellen Empfänger der Pflanze als Heilmittel befinden sich zwar bereits in Behandlung, doch man kann niemandem das Ausmaß seiner Schmerzen ansehen. "Die Ärzteschaft ist nicht vorbereitet, sie braucht noch Handlungsanweisung", sagt Schäfer. Richtlinien der Fachgesellschaften zur Verschreibung von Cannabis seien noch in Arbeit.

    2000 Kilogramm Cannabis sollen in Deutschland angebaut werden

    Der Chef der Arbeitsgruppe Sucht und Drogen in der Bundesärztekammer, Josef Mischo, rechnet mit einer gewissen Ausweitung der Therapien, das Ausmaß sei aber offen. Die neue Cannabisagentur des Bundes will ab 2019 Marihuana in Deutschland anbauen lassen, gemäß der Ausschreibung sollen die Mengen jährlich steigen. 2021 und 2022 sollen in Deutschland demnach im staatlichen Auftrag etwa 2000 Kilogramm Cannabis geerntet werden. Man würde so bei einem durchschnittlichen Tagesbedarf von einem Gramm die Jahresmenge für fast 5500 Patienten produzieren.

    Es ist vielfach unklar, wie wirksam die Gabe von Cannabis jeweils sein kann. Die Studienlage zu den Anwendungsgebieten ist uneinheitlich und oft dünn. Untersuchungen beruhen häufig auf kleinen Gruppen von Patienten.

    Bei diesen Erkrankungen kann medizinisches Cannabis helfen

    Bei chronischen Schmerzen, etwa bei Rückenschmerzen oder Rheuma, dürfen Ärzte nun testen, ob es den Menschen mit Cannabis besser geht. Als gesichert gilt, dass Cannabisblüten bei Spastiken helfen, die bei Multipler Sklerose und bei Nervenverletzungen auftreten. Darüber hinaus sollen die enthaltenen Wirkstoffe Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien unterdrücken und den Appetit von Aidspatienten anregen. Bei Epilepsie, Alzheimer, Juckreiz und Depressionen sind die Erkenntnisse über die Wirksamkeit bisher eher gering. Manche Patienten leiden auch unter Nebenwirkungen: Schwindel, Verwirrtheit, Müdigkeit. "Das ist gar nicht mal so unbeträchtlich", sagt Schäfer.

    "Zur Evidenz von Cannabis-Therapien gibt es bislang relativ wenig Daten", sagt auch Samir Rabbata, Sprecher der Bundesärztekammer. Es sei deshalb gut, dass das neue Gesetz von einer entsprechenden Erhebung begleitet werde. "Durch sie lassen sich deutlich bessere Daten darüber generieren, wofür Cannabis tatsächlich sinnvoll ist und für welche Krankheiten dies weniger der Fall ist."

    Im Zuge einer genaueren Betrachtung ist es gut möglich, dass die hohen Hoffnungen in die Wunderpflanze mit zunehmenden Befunden relativieren. Das Gesetz sei, auch wenn es noch Umsetzungsprobleme gebe, ein wichtiger Schritt nach vorne, sagt Thomas Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft. Aber: "Cannabis in der Medizin ist kein Allheilmittel." dpa

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