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Schlafen: Smartphone soll für Schlafstörungen von Millionen Deutschen verantwortlich sein

Schlafen

Smartphone soll für Schlafstörungen von Millionen Deutschen verantwortlich sein

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    Immer mehr Deutsche leiden unter Schlafstörungen. Liegt das am ständigen Begleiter, das Smartphone?
    Immer mehr Deutsche leiden unter Schlafstörungen. Liegt das am ständigen Begleiter, das Smartphone? Foto: Bilderbox/Thenig dpa/lbn

    Die Deutschen schlafen immer schlechter. Schlafstörungen sind inzwischen mehr die Regel als die Ausnahme. Davor warnt die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) und verweist auf eine Studie der Krankenkasse DAK. Dabei spielt besonders die wachsende Bedeutung des Smartphones im Alltag eine Rolle.

    Monitorlicht vom Smartphone ruft Schlafstörung hervor

    Die Ergebnisse der Studie besagen, dass vier von fünf Arbeitnehmern unter Schlafstörungen leiden. Seit 2010 hat sich die Anzahl der schlaflosen Berufstätigen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren um 66 Prozent erhöht.

    Dafür verantwortlich sieht Professor Lindemann vom Ulmer Schlaflabor die Digitalisierung. So sei etwa das Monitorlicht von PC, Tablet und Smartphone Gift für einen erholsamen Schlaf. "Wenn der Körper keine Dunkelheit verspürt, wird die Ausschüttung des Hormons Melatonin vermindert, das wichtig ist für das Einschlafen", sagt Lindemann. Besonders bei Jugendlichen ist dieses Problem verbreitet. 45 Prozent der 11- bis 18-Jährigen sagen, dass sie auch noch im Bett ihr Smartphone nutzen. 23 Prozent von ihnen schauen gar mehr als zehn Mal pro Nacht auf das Handy. Das gehe laut DGSM aus verschiedenen Studien hervor.

    Lindemann sieht auch die Einstellung der Leistungsgesellschaft gegenüber Schlaf als problematisch an. Wenn junge Führungskräfte etwa mit wenig Schlaf auskommen, würden sie als besonders tüchtig gelten. Ein gesunder Schlaf gelte nicht als hip, sondern sei eher verpönt, beklagt der Schlaf-Experte.

    Folgen für Wirtschaft und Gesundheit bei Schlafstörung durch Smartphone

    Schlafstörungen wirken sich somit auch unmittelbar auf die deutsche Wirtschaft aus. 60 Milliarden Euro kostet es laut den Berechnungen der US-Denkfabrik Rand Corporation 2016, dass Erwerbstätige wegen Schlafstörungen nicht zur Arbeit kamen. Beinahe die Hälfte der Berufstätigen fühlt sich laut DAK-Studie bei der Arbeit müde, knapp ein Drittel gar erschöpft.

    Besorgniserregend ist allerdings, dass die Folgen von Schlafstörungen mitunter tödlich sein können. Denn wer übermüdet Auto fährt, kann unwillentlich für kurze Zeit einnicken - der berüchtigte Sekundenschlaf. "Schläfrigkeit stellt eine häufigere tödliche Unfallursache im Straßenverkehr dar als das Fahren unter Alkohol", sagt DGSM-Vorstandsmitglied Hans-Günter Weeß vom Interdisziplinären Schlafzentrum in Klingenmünster (Rheinland-Pfalz).

    Schlafstörung: Liegt es wirklich am Smartphone?

    Ob das Smartphone hauptverantwortlich dafür ist, dass immer mehr Menschen an Schlaflosigkeit leiden, bleibt offen, denn teilweise liegt es auch an der Einstellung. Die "New York Times" titelte kürzlich: "Schlaf ist das neue Statussymbol". Als Trendsetter kann Amazon-Gründer Jeff Bezos angesehen werden. Er wird mit dem Spruch zitiert, es sei gut für seine Aktionäre, wenn er seinen Acht-Stunden-Schlaf bekomme. Als junger Programmierer soll er sich ein Kissen neben den Computer gelegt haben. Der nimmermüde Manager, dem ein paar "Power Naps" genügen, hat als Vorbild ausgedient.

    Das hilft beim Schlafen

    Regelmäßige Zeiten Immer ungefähr zur selben Zeit zu Bett zu gehen und wieder aufzustehen, ist wichtig für den biologischen Rhythmus.

    Schlafdruck aufbauen Wer sich abends erst dann hinlegt, wenn er richtig müde ist, schläft in der Regel besser. Deshalb sollte man insgesamt nicht zu lange schlafen und auf längere Nickerchen tagsüber verzichten.

    Wenig Alkohol, kein Koffein Zwei Gläser Wein am Abend helfen zwar, schneller einzuschlafen. Insgesamt verschlechtert Alkohol die Schlafqualität aber gravierend. Zudem reagieren manche Menschen sehr empfindlich auf Koffein. Wer dazu gehört, sollte ab etwa 13 Uhr weder Kaffee noch Schwarztee trinken.

    Viel Bewegung Wer regelmäßig Sport treibt, schläft meistens besser. Empfehlenswert ist vor allem, sich bei Tageslicht an der frischen Luft zu bewegen.

    Maß halten Nach umfangreichen Menüs schläft es sich schlecht. Besser ist es, abends in Maßen zu essen und zu trinken. Manchen Menschen hilft es, tryptophanreiche Kost wie dunkle Schokolade, Nüsse oder Milch zu sich zu nehmen.

    Abendliche Rituale Von Einschlafritualen (etwa eine Bettlektüre oder ein Entspannungsbad) profitieren nicht nur Kinder. Sie helfen dem Körper, auf Entspannung umzuschalten.

    Nicht im Bett herumliegen Wer längere Zeit nicht mehr einschlafen kann und deshalb unruhig wird, sollte besser aufstehen und einer ruhigen Tätigkeit nachgehen (etwa Bügeln, Musik hören). Sich im Bett herumzuwälzen und zu ärgern, ist eher kontraproduktiv. (toll)

    Wie kann man Schlafstörungen effektiv bekämpfen?  Professor Lindemann hält wenig von Tabletten, die einen erholsamen Schlaf unterstützen sollen. Er warnt davor, dass Betroffene schnell in einen Teufelskreis geraten können und mehr und mehr abhängig werden. Abends Medikamente zum Einschlafen, morgens Medikamente zum Wachwerden, tagsüber zum Fitbleiben und am Abend wieder zum Einschlafen. "Das ist dann nur ein künstlicher Schlaf. Den natürlichen Tiefschlaf, den der Körper zur Erholung braucht, kann man nicht durch Medikamente herstellen."

    Smartphone-Apps gegen Schlafstörungen bekämpfen die Ursachen nicht

    Die DGSM empfiehlt Ärzten daher, zunächst nach den Ursachen für die Schlafstörungen zu forschen, bevor sie Medikamente verschreiben. In ihren Leitlinien betont die Gesellschaft, der 2500 Mediziner, Psychologen und Naturwissenschaftler angehören, dass es nicht um Schlaf schlechthin, sondern um erholsamen Schlaf geht. 

    Auch den Versuch, Schlafstörungen mit diversen Apps beizukommen, sieht Lindemann kritisch. Er hält dies für reine Geldmache. Schlafhilfen sind weltweit ein milliardenschwerer Markt. Apps können lediglich bei der Beobachtung des eigenen Schlafverhaltens helfen. Zu wissen, wie viel man sich im Bett bewegt, ob man unruhig ist oder schnarcht, kann nützlich sein. Doch woher die Schlafstörungen kommen und was dahinter steckt, können die Apps nicht ermitteln. Wenn dem Patienten wirklich geholfen werden soll, sollte er in einem medizinischen Schlaflabor untersucht werden, sagt Lindemann.

    Einigen Menschen könne durch operative Erweiterungen der Atemwege geholfen werden, etwa die Entfernung der Gaumenmandeln. Auch ein Zungenschrittmacher könnte manchen Menschen beim Schlafen helfen. Das Hightech-Gerät wird im Brustbereich implantiert. Wenn die Zunge die Atemwege blockiert, aktiviert der Zungenschrittmacher über ein Kabel den Zungennerv. Daraufhin schiebt sich die Zunge vor und die Atemwege werden wieder frei - der Patient kann durchschlafen. Ein Allheilmittel sei der teure Zungennervantreiber jedoch nicht. "Er eignet sich aus medizinischer Sicht nur für sehr wenige Patienten," erklärt Lindemann. dpa, AZ

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