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Ernährung: Warum wir nach dem Essen Bauchweh haben

Ernährung

Warum wir nach dem Essen Bauchweh haben

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    Bauchweh nach dem Essen? iele Lebensmittel können Allergien auslösen – darunter auch die Erdnuss. Sie enthält viele potenziell allergieauslösende Moleküle.
    Bauchweh nach dem Essen? iele Lebensmittel können Allergien auslösen – darunter auch die Erdnuss. Sie enthält viele potenziell allergieauslösende Moleküle. Foto: imago

    Bauchschmerzen, Juckreiz oder Hautausschlag nach dem Essen: Mancher vermutet da eine Nahrungsmittelallergie. Zu Recht? Fast jeder Fünfte leide mindestens entweder unter einer Nahrungsmittelallergie oder einer Nahrungsmittelunverträglichkeit, konstatierte vor knapp einem Jahr die Techniker Krankenkasse in ihrer repräsentativen Ernährungsstudie „Iss was, Deutschland?“. Und: Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung glaubt etwa jeder Dritte hierzulande, an einer Lebensmittelallergie zu leiden, doch nur bei etwa zehn Prozent dieser Personen sei das tatsächlich der Fall.

    Wird die Häufigkeit von Lebensmittelallergien überschätzt? Es werde jedenfalls alles „in einen Topf geworfen“, konstatiert Professor Julia Welzel, Chefärztin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Augsburger Klinikum. Gemeint ist: Betroffene, die nach dem Essen Beschwerden verspüren, unterscheiden kaum zwischen „Unverträglichkeit“ und „Allergie“. Ärzte dagegen schon. Das müssen sie auch, um dem Patienten die richtige Therapie zukommen zu lassen – zumal die potenziellen Folgen von Unverträglichkeit und Allergie ganz unterschiedlich sind. Auch an entzündliche Darmerkrankungen müsse man denken, die ebenfalls Beschwerden nach dem Essen auslösen könnten.

    Tatort-Tod durch Erdnussallergie

    Klassisches Beispiel für eine Nahrungsmittelallergie ist die Erdnussallergie. Millionen Menschen sahen hierzulande im Jahr 2010 den Tatort „Unsterblich schön“, in dem eine Frau ermordet wurde, indem ihr Mann Erdnüsse aß und sie dann küsste. Die Frau litt an einer Erdnussallergie. Ebenfalls 2010 meldete die Ärztezeitung,dass Versuche, bei Erdnussallergie zu desensibilisieren, Erfolg gezeigt hätten.

    Bei Überdosis: Schock

    Bestätigt wird das nun durch eine Studie, die gerade im Fachmagazin Lancet erschienen ist. In dieser Studie erhielten rund 100 Kinder täglich Erdnusspulver in ansteigenden Dosen. Nach sechs Monaten hätten die meisten Kinder eine fünf Erdnüssen entsprechende Menge vertragen, heißt es. Doch Welzel ist vorsichtig, was die Desensibilisierung bei Erdnussallergie betrifft: Das mache man nur in verzweifelten Fällen, sagt sie; zu groß sei das Risiko, dass etwas passieren kann. Denn die Dosis des Nahrungsmittels muss sehr exakt und regelmäßig täglich eingenommen werden. Bei Abweichungen drohe ein Schock.

    Denn Erdnussallergien sind sehr gefährlich. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund bezeichnet die Erdnuss als einen der problematischsten Allergieauslöser überhaupt, schon winzigste Mengen könnten ausreichen, um lebensbedrohliche Symptome auszulösen. Es soll sogar Fälle gegeben haben, in denen Allergene eingeatmet wurden und zu Symptomen führten. Erdnüsse, so heißt es, hätten ein großes allergisches Potenzial – und eine Vielzahl verschiedener Allergene, also allergieauslösender Moleküle.

    Kreuzreaktionen mit Pollen

    Welzel rät eher dazu, im Falle einer Nahrungsmittelallergie das jeweilige Nahrungsmittel konsequent zu meiden. Manchmal hilft es auch, gegen Pollen zu desensibilisieren. Grund sind die „Kreuzreaktionen“, die es zwischen Pollen und Nahrungsmitteln gibt. Sprich: Wer auf das eine allergisch reagiert, tut das oft auch auf das andere. Beispiele für solche Kreuzreaktionen gibt es reichlich: Birkenpollenallergiker etwa müssen auch bei Soja und Äpfeln vorsichtig sein. Während Desensibilisierungen bei Lebensmittelallergien bislang eher unüblich sind, handelt es sich im Falle von Pollenallergien um eine erprobte und bewährte Therapie – die sich dann gelegentlich auch auf die Lebensmittelallergie günstig auswirkt.

    Echte Lebensmittelallergien wie die Erdnussallergie sind antikörpervermittelt, sagt Julia Welzel – das Immunsystem reagiert, indem es gegen Bestandteile des Lebensmittels Antikörper bildet. Es handle sich um eine Soforttyp-Reaktion, so die Allergologin weiter, die sich meist in der ersten Stunde, manchmal schon Minuten nach dem Verzehr bemerkbar mache. Möglich bei Reaktionen dieses Typs sind letztlich auch allergische Schocks, die oft akut lebensbedrohend sind. „Wenn nach dem Essen der Mund juckt und die Zunge schwillt, ist das sehr allergieverdächtig“, sagt Welzel.

    Unverträglichkeiten sind dosisabhängig

    Klassische Auslöser für echte Lebensmittelallergien sind Milch, Eier, Obst, Soja, Nüsse oder Fisch und Meeresfrüchte. Aber es gibt auch seltene Dinge – wie Allergien auf Innereien oder auf rotes Fleisch, so Welzel. Letztere sei allerdings schwer zu erkennen, da Symptome erst Stunden nach dem Verzehr auftreten. Ursache sei eventuell ein Zuckermolekül, das erst im Zuge der Verdauung freigelegt wird, sagten Forscher unlängst dem Bayerischen Rundfunk. Es gibt des Weiteren eine Weizenmehlallergie, die sich speziell bei Belastung – etwa sportlicher Betätigung – zeigt, um noch einen seltenen Fall zu nennen.

    Anders als Lebensmittelallergien sind -unverträglichkeiten nicht vom Immunsystem ausgelöst und zudem dosisabhängig, wie Welzel erläutert. Während bei Allergien schon winzigste Spuren des Allergens verhängnisvolle Wirkungen haben können, gibt es bei Unverträglichkeiten mit ansteigender Dosis des Lebensmittels auch mehr Beschwerden, während kleine Mengen oft vertragen werden. Bekannte Beispiele hier: die Lactose- und die Fructose-Intoleranz. Da komme es gehäuft zu Bauchbeschwerden und Blähungen. Es gibt heute einfach anzuwendende Atemtests, um diesen Unverträglichkeiten auf die Spur zu kommen.

    Milch im Erwachsenenalter: Von Natur nicht vorgesehen

    Solche Unverträglichkeiten haben mit Allergie „überhaupt nichts zu tun“, betont Welzel. Was die Lactose-Intoleranz betrifft, so sei vielmehr der Milch-Konsum im Erwachsenenalter von der Natur nicht mehr vorgesehen, und dass die Enzyme, die Milchzucker (Lactose) aufspalten, mit zunehmendem Alter immer schlechter funktionieren, sei daher eher der Normalzustand denn eine Krankheit. Eine echte Milchallergie, unterstreicht die Professorin, sei etwas völlig anderes.

    Unverträglichkeit nicht gleich Unverträglichkeit

    Aber auch im Bereich der Unverträglichkeiten gibt es seltene Dinge. Shiitake-Pilze etwa, eigentlich als gesundheitsfördernd bekannt, führen bei manchen Menschen zu ausgeprägten, flammendroten Streifen auf dem Körper, berichtet Welzel, so als ob man sie mit einer Peitsche geschlagen hätte. „Vermutlicher Auslöser dieser Unverträglichkeitsreaktionen ist das Polysaccharid Lentinan, ein natürlicher Inhaltsstoff des Pilzes“, so das Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Reaktionen könnten auch dann auftreten, wenn die Pilze vor dem Verzehr gut durchgekocht worden seien.

    Wer an einer Unverträglichkeit leidet, muss das jeweilige Lebensmittel nicht gänzlich meiden. Wer allergisch ist, dagegen schon. Die Speisenauswahl wird dadurch zweifellos eingeschränkt. Forscher bemühen sich daher, die Allergene immer weiter einzukreisen und Betroffenen damit eine größere Freiheit bei der Lebensmittelauswahl zu ermöglichen. So hat man etwa in Leipzig kürzlich herausgefunden, dass Fischallergie nicht gleich Fischallergie ist: Wer auf Victoriabarsch mit Magendrücken oder Hautausschlägen reagiert, muss das nicht unbedingt auch bei Kabeljau tun.

    Auf Nummer sicher gehen

    Neue Tests könnten Betroffenen daher eines Tages mehr Freiräume bieten, teilte das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Halle-Leipzig anlässlich dieses Befundes unlängst mit. Auch wer auf Äpfel allergisch reagiert, tut das nicht bei allen Sorten gleichermaßen – es kann sein, dass er Golden Delicious verträgt, Granny Smith dagegen nicht, bestätigt Welzel. Aber kann der Patient die Sorten immer richtig unterscheiden? Welzel will lieber auf Nummer sicher gehen: „Wir raten den Patienten vorsichtshalber dazu, Äpfel generell zu meiden“, sagt sie. Ausprobieren könnte riskant sein.

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