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St. Pauli: Andreas Rettig: "Ich brauche Zufriedenheit, keine Statussymbole"

St. Pauli

Andreas Rettig: "Ich brauche Zufriedenheit, keine Statussymbole"

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    Der ehemalige FCA-Manager Andreas Rettig ist glücklich beim FC St. Pauli.
    Der ehemalige FCA-Manager Andreas Rettig ist glücklich beim FC St. Pauli. Foto: Andrea Bogenreuther

    Über das Heiligengeistfeld, an das das legendäre Stadion des FC St. Pauli am Millerntor angrenzt, weht eine steife und für Oktober kalte Brise. Trist wie das Hamburger Wetter und die sportliche Situation der beiden Spitzenklubs in der Hansestadt. Beim FC St. Pauli hängt die Rote Laterne der zweiten Liga, im Oberhaus steht der Hamburger SV kaum besser da.

    In der um- und teilweise neu erbauten Arena mit einem Fassungsvermögen von etwas mehr als 29000 Zuschauern hat Andreas Rettig seinen Arbeitsplatz. Seit 13 Monaten sitzt der ehemalige erfolgreiche Manager des FC Augsburg (2006 bis 2012) beim Zweitligisten auf dem Chefsessel.

    Trotz des Fehlstarts in diese Spielzeit, seinen Wechsel zum FC St. Pauli, hat Rettig noch keine Sekunde bereut. Im Gegenteil, er sprüht vor Tatendrang. „Natürlich mache ich mir über die sportliche Situation Gedanken,“ erklärt der Manager, doch Rettig ist sich sicher, dass der Kultverein den Weg aus der Talsohle findet. Denn auch als Krisenmanager verfügt er über Erfahrung, auch bei seinen vorherigen Arbeitgebern SC Freiburg, 1. FC Köln oder dem FC Augsburg war nicht immer alles eitel Sonnenschein.

    Andreas Rettig: "Habe mich für das wirtschaftlich schlechteste Angebot entschieden"

    Es scheint auch so, dass sie an der Reeperbahn offensichtlich etwas besser mit Niederlagen umgehen können, als anderswo im Spitzenfußball. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht immer gewinnen wollen“, steht in einer Image-Broschüre, die der Verein vor Saisonbeginn herausgab.

    Dass Rettig seinen Arbeitsplatz nach seinem zweijährigen Engagement als Geschäftsführer der Deutschen Fußballliga (DFL) von Frankfurt nach Hamburg verlegte, galt in der Szene als Sensation.

    Dabei lagen bei ihm lukrative Angebote aus der Beletage des Deutschen Fußballs auf dem Tisch. „Ich habe mich für das wirtschaftlich schlechteste Angebot entschieden“, erzählt er und schiebt mit einem Lachen im Gesicht nach: „Das Schlimme ist, es stimmt. Doch Geld ist für uns nicht alles. Ich brauche Zufriedenheit an meinem Arbeitsplatz, keine Statussymbole“. Man glaubt es ihm. Ins Büro fährt er mit der U-Bahn, ein Kleinwagen ist das Fortbewegungsmittel von Rettig und seiner ebenfalls berufstätigen Frau. Sie fühlen sich wohl in der Hansestadt.

    „Hier im Verein haben wir den totalen Zusammenhalt“, hat er schnell erkannt. Der Klub lebt die Werte, für die er steht. St. Pauli kämpft gegen Rassismus, Homophobie und rechtes Gedankengut. Bei Heimspielen ist das Stadion unweit der Reeperbahn fast immer ausverkauft, Fußball ist auf St. Pauli immer noch bezahlbar, die Sportstätte hat 17000 Stehplätze. Auch die 38 Separees, wie die teilweise originell eingerichteten Logen genannt werden, sind ausgebucht.

    Rettigs Neugier im Fall Beckenbauer kam nicht gut an

    Nachdem die Mannschaft in der vergangenen Spielzeit lange Zeit um den Aufstieg mitspielte, ist die derzeitige Lage für die Führungsetage und Anhänger nur sehr schwer nachzuvollziehen. „Die Situation ist für uns sauschwierig“, sagte etwa Sportchef Thomas Meggle, 41. Auch er hat eine Augsburger Geschichte. Mit den A-Junioren des FC Augsburg feierte er 1993 als Spieler unter Trainer Heiner Schuhmann den Gewinn der deutschen Meisterschaft, danach spielte er noch eine Saison beim TSV Schwaben.

    Doch zurück zu Andreas Rettig. Mit dem Deutschen Fußballbund (DFB) hat er es sich im Moment verscherzt. In der „Affäre Beckenbauer“ hatte Rettig nämlich einige Fragen. Schon im März erkundigte er sich nach möglichen Honorarzahlungen für den OK-Chef der WM 2006. Beckenbauer habe für die Bewerbungs- und Organisationsphase kein Gehalt bekommen, hieß es. „Ich erinnere mich sehr gut“, sagt Rettig. Damals habe der Tenor beim DFB gelautet: „Rettig, gib mal Ruhe.“ Insgesamt habe es in der Aufarbeitung des Sommermärchens an „Klarheit und Transparenz“ gefehlt“ , klagt der St. Pauli-Manager.

    Dabei geht es Rettig beim Kaiser gar nicht mal so sehr um Geld. „Beckenbauer hat privat viel in die WM investiert, opferte Zeit, ist um die Welt geflogen und hatte entscheidenden Anteil daran, dass das Turnier in Deutschland stattfand. Jeder hätte wohl verstanden, dass die sechs Millionen Euro Honorar gerechtfertigt sind.“ Doch die Art und Weise wie der Vorgang über die Bühne ging, ist für Andreas Rettig nur sehr schwer zu verstehen. Seine Tätigkeit als DFB-Vorstandsmitglied wird Rettig jedenfalls beim Bundestag Anfang November beenden. Langeweile wird bei ihm deswegen aber bestimmt nicht aufkommen.

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