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Ballett: Dorian Gray - ein schöner Mensch wird rücksichtslos

Ballett

Dorian Gray - ein schöner Mensch wird rücksichtslos

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    Laster und Ausschweifungen können Dorian Gray nichts anhaben, im Ballettabend am Theater Augsburg spiegeln die Menschen um ihn herum die Veränderung seines Wesens.
    Laster und Ausschweifungen können Dorian Gray nichts anhaben, im Ballettabend am Theater Augsburg spiegeln die Menschen um ihn herum die Veränderung seines Wesens. Foto: Nik Schölzel, Theater Augsburg

    Was geschieht, wenn Schönheit und ewige Jugend zum Götzenbild des Lebens werden, wenn Genusssucht und Ausschweifungen einziger Zweck des Daseins sind? Oscar Wilde hat sich Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Novelle „Das Bildnis des Dorian Gray“ philosophisch und mit sarkastischem Blick auf die Gesellschaft seiner Zeit mit diesen Fragen beschäftigt. Ein faszinierender Stoff, der auch heute Bedeutung hat und den der britische Choreograf Michael Pink nun für das Theater Augsburg zu einem abendfüllenden Handlungsballett verarbeitete. Zusammen mit Bühnenbildner und Ausstatter Stefan Morgenstern entwirft er ein stimmiges Bild des Fin de Siècle. Fragen nach Schein und Sein, Moral und Sittenverfall stehen auf einer allgemeingültigen Ebene.

    Die neueste Produktion des Augsburger Balletts ist eine Uraufführung, die Besonderes und Ungewohntes bietet. „Das Bildnis des Dorian Gray“ ist das erste Ballett am Theater Augsburg, für das die Musik in Auftrag gegeben, passgenau komponiert wurde. Aufwand und Wagnis haben sich gelohnt. Den Jazz ebenso wie Chopins Walzer a-Moll op. 34 zitierend, zeichnet das Werk von Tobias PM Schneid melodisch genau die Dramaturgie der Handlung nach, illustriert sie in Klang und Rhythmus.

    Dass die für Neukompositionen übliche kurzfristige Einstudierung eine große Herausforderung für die Augsburger Philharmoniker wurde, war bei der Premiere nicht zu spüren. Sicher und mit Gespür für die diversen Stimmungen brillierten sie unter Leitung von Roland Techet.

    Zynischer Verführer

    Eine weitere Besonderheit des Abends: Choreograf Pink bricht mit den Konventionen des Balletts und erzählt Dorian Gray nicht nur in Bewegungen, sondern auch mit Worten. Der Reinheit und Schönheit des klassischen Tanzes stellt er die Manipulationskraft der Sprache gegenüber. Schauspieler Toomas Täht in der Rolle des Lord Henry spricht Originaltexte Wildes und überzeugt als zynischer Verführer. Kalt und unerschrocken zieht er seine Versuchsanordnung, einen jungen Menschen nach seinem hedonistischen Ideal zu formen, durch: „Der einzige Weg, eine Versuchung loszuwerden, ist, ihr nachzugeben.“

    Doch überzeugt diese Idee, mit Tanz und Worten eine neue Sprache zu schaffen, nicht durchgehend. Der Tanz wird oft zum Nebenbei und verliert seine emotionale Ausdruckskraft. Das geht vor allem auch auf Kosten des in vielen bisherigen Aufführungen glänzenden Patrick Howell als Dorian Gray, der Augsburg nach dieser Spielzeit bedauerlicherweise verlassen wird. Kontur und Präsenz bekommt seine Rollengestaltung nur in den Soli, in jenen Szenen, in denen Dorian Scham und Verzweiflung zeigt.

    Pinks klassisch geprägter Stil schafft vor allem in den Ensembletänzen oft konventionell wirkende Szenen, die er dann aber furios aufbricht, wie etwa in der Ballszene vor der Pause, die in einer wüsten Orgie endet. Reizvoll sind die Perspektivwechsel, die Pink bietet: die burleske „Romeo- und Julia“-Aufführung, erst aus Zuschauer-, dann aus Hinterbühnensicht. Die Rolle des sich verändernden Gemäldes nimmt ein leerer Rahmen ein, vor oder hinter dem Dorian steht, und sich selbst betrachtet oder betrachtet wird. Die Verrohung seines Wesens, die Gier, Rücksichtslosigkeit und Vergnügungssucht spiegeln sich in den Menschen um ihn herum, die sich mit den Jahren verändern, während er jung und schön bleibt.

    In Erinnerung bleibt der Abend auch wegen zweier Frauen, die klassische Tanzkunst und emotionalen Ausdruck kongenial verbinden: Coco Mathiesson als zart-berührende Sibyl Vane und Ana Dordevic als lasziv-verführende Gräfin.

    Nächste Aufführungen 4., 8., 21., 22., 27., 29. Dezember.

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