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Brecht-Festival 2013: Dreigroschenoper: Eine reine Unterhaltungs-Inszenierung aus Dresden

Brecht-Festival 2013

Dreigroschenoper: Eine reine Unterhaltungs-Inszenierung aus Dresden

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    Eine Hochzeit unter Verbrechern könnte gruseliger aussehen: Polly (Sonja Beißwenger) und Macheath (Christian Friedel) heiraten heimlich, umgeben von anderen Ganoven, die in der Inszenierung des Staatsschauspiels Dresden direkt aus der Muppet-Show stammen.
    Eine Hochzeit unter Verbrechern könnte gruseliger aussehen: Polly (Sonja Beißwenger) und Macheath (Christian Friedel) heiraten heimlich, umgeben von anderen Ganoven, die in der Inszenierung des Staatsschauspiels Dresden direkt aus der Muppet-Show stammen. Foto: Diana Deniz

    Tausendmal gespielt, frisch wie am ersten Tag. Auch heute noch, gerade heute, klingelt es einem in den Ohren, wenn man hört, was Bertolt Brecht die Protagonisten seiner "Dreigroschenoper" so alles von sich geben lässt.

    Aktuell wie eh und je

    Denn die dort messerscharf benannten "Verhältnisse", die zunächst materieller Natur sind, aber durchschlagen auf die menschliche Gesamtbefindlichkeit - diese Verhältnisse sind in unserer schönen Quoten- und Renditenwelt keinen Deut weniger aktuell als zur Entstehung des Werks im Jahre 1928.

    Dass die "Dreigroschenoper" eigentlich das Stück der Stunde ist, dürfte an einer so klugen Regisseurin wie Friederike Heller nicht vorübergegangen sein. In ihrer Inszenierung für das Staatsschauspiel Dresden, als Gastspiel soeben im Theater Augsburg zu erleben, hat sie dennoch nicht die Konsequenz gezogen, das "Stück mit Musik" in engeren Bezug zur heiß laufenden Ökonomie zu bringen.

    Regisseurin hat kritische Seiten überblättert

    Wahrscheinlich deshalb nicht, weil die "Dreigroschenoper" als Parabel auf kapitale Missstände nichts Neues mehr ist - wo wäre da für eine Neuinszenierung das Alleinstellungsmerkmal? Also hat Friederike Heller die kritischen Seiten überblättert und sich auf eine andere kapriziert: auf den bissig-vergnüglichen Spielcharakter, den die "Dreigroschenoper" ja auch besitzt.

    Zuvorderst dieser Eigenschaft verdankt sie schließlich ihre unverbrüchliche Beliebtheit, und insofern ging das Konzept der Inszenierung auch auf: heftiger Jubel im Großen Haus.

    Inszenierung bedient sich bei der Populärkultur

    So wird die Geschichte von Bettlern und Banditen, vom Sieg des Fressens über die Moral und vom Triumph der sexuellen Hörigkeit über die Liebe zur Unterhaltungsshow. Wie bei Revuespektakeln teilen drei Lichterrahmen die Bühne (Sabine Kohlstedt) in Segmente, auf deren hinterstem die achtköpfige Band die Evergreens von Kurt Weill straff zum Besten gibt.

    Auch sonst bedient sich die Inszenierung fröhlich bei der Populärkultur. Wenn Peachums Bettler besonders erbarmungswürdig auszusehen haben, ziehen sie sich Zombiefilm-Masken über. Und Macheaths Verbrecherbande wird mit überdimensionalen Muppets-Köpfen eingeführt.

    Brechts Theatertheorie in Stellung gebracht

    Pfiffiger ist, wie die Regisseurin zwischendrin die Theatertheorie Brechts in Stellung bringt.

    Räumliche Trennung erfolgt geradezu klassisch mittels Gardinen, Kommentare werden auf Tafeln serviert, die nun aber ein vermummter Sprayer sprüht, und eine Rollendistanzierung jagt die nächste: etwa, wenn über Rampe gespielt wird und dabei - hübscher Einfall - das Ehepaar Peachum sich von der Theaterloge aus (das Muppets-Duo Statler und Waldorf lässt grüßen) ein kleines kunstästhetisches Scharmützel mit den Bühnenakteuren liefert.

    Ein blendend aufgelegtes Dresdner Ensemble

    Brechtisch, wenn man so will, auch die antipsychologische Zeichnung der handelnden Personen. Dass die dennoch plastisch werden, liegt am blendend aufgelegten Dresdner Ensemble.

    Christian Friedel ist als Macheath mehr jugendlicher Stenz denn gefährlicher Ganove, Sonja Beißwenger gibt Polly als hochexplosives Bündel, und Thomas Eisens Peachum ist mit den Nerven am Ende, kein Wunder angesichts der Exaltationen seiner permanent beschickerten Frau (Antje Trautmann).

    Jenny ist in dieser Inszenierung übrigens eine Transe, und ihr in Gestalt von Sebastian Wendelin ist einer der raren Momente anvertraut, in dem auf den sonst vorherrschenden Plapperton verzichtet wird: beim nachdenklich vorgebrachten Salomon-Song.

    Da wird selbst der beste Songtext schal

    Witz und Schmiss hat diese Dresdner "Dreigroschenoper" zuhauf. Das trägt einen Akt lang und auch noch einen zweiten. Aber im dritten ist dann die Luft raus, driftet der Ton ab in Richtung Kalauer.

    Hier rächt sich, dass die Inszenierung so ausschließlich auf Unterhaltung setzt. Wo aber das, was Brecht seinen Gestalten in den Mund legt, nicht über die Manier von Comedy-Formaten hinauskommt, wird auch der beste Songtext schal.

    Möglich, dass Friederike Heller genau das zeigen wollte: Dass die Verhältnisse noch immer unverändert sind, wir uns aber damit abgefunden haben und uns nun in Betäubung ergehen. Verhielte es sich tatsächlich so, wäre der Regisseurin eine perfide Volte geglückt - hätte man dann doch am Ende dem eigenen Scheitern applaudiert.

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