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Augsburg: Augsburger Landgericht will Richter-Liebespaar trennen

Augsburg

Augsburger Landgericht will Richter-Liebespaar trennen

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    Darf ein Liebespaar in derselben Strafkammer Richter sein? Diese Frage wird vorerst nicht höchstrichterlich geklärt.
    Darf ein Liebespaar in derselben Strafkammer Richter sein? Diese Frage wird vorerst nicht höchstrichterlich geklärt. Foto: Oliver Berg, dpa

    Wie ungewöhnlich dieses Verfahren ist, zeigt sich schon an einer Pressemitteilung des Landgerichts Augsburg vom Montag: „,Liebeskammer‘ verkündet Urteil“ lautete die Überschrift. Normalerweise sind derlei Verlautbarungen von Justizbehörden sehr nüchtern gehalten. Doch die Mitteilung, die nur sagen soll, dass am Dienstag ein Urteil in einem Steuerhinterziehungsprozess fällt, beinhaltet eine Presseschelte und eine falsche Behauptung, die tags darauf korrigiert werden muss.

    Es ist eben kein normales Steuer-Strafverfahren, das am Dienstag bei der 10. Strafkammer zu Ende gegangen ist. In diesem Verfahren ging es von Anfang an um eine ganz andere Frage: Darf ein Liebespaar gemeinsam in einer Strafkammer sitzen und Urteile fällen? Oder begründet eine solche Konstellation den Verdacht einer Befangenheit der Richter?

    Kann ein Richter-Liebespaar unabhängig und neutral urteilen?

    Die Geschichte dieses Prozesses kann man auf zwei ganz unterschiedliche Arten erzählen. Die offizielle Lesart des Landgerichts Augsburg, wie sie in der Pressemitteilung und im Urteil des Vorsitzenden Richters Wolfgang Natale zum Ausdruck kommt: Ein Schrotthändler aus dem Ries ist der millionenschweren Steuerhinterziehung angeklagt, ein Münchner Rechtsanwalt macht Ärger, hat damit aber keinen Erfolg. Und am Ende bekommt der brave Angeklagte noch mit einem Geständnis die Kurve. Ein mildes Urteil ist die Folge.

    Die Geschichte kann aber auch so gehen: Die Verteidiger Adam Ahmed und Sven Gaudernack haben am ersten Prozesstag einen in der Strafprozessordung vorgesehenen Befangenheitsantrag gestellt, weil die beiden Richter auf Nachfrage bestätigt hatten, dass sie liiert sind und zusammen wohnen. Es folgten mehrere Befangenheitsanträge und eine längere Auseinandersetzung über die Frage, ob ein Richter-Liebespaar unabhängig und neutral urteilen kann. Sämtliche Anträge lehnte das Landgericht ab. Auch abseits des Gerichtssaals entbrannte in Justizkreisen eine heiße Debatte über die Rechtmäßigkeit dieser Personalkonstellation. Verteidiger Ahmed kündigte bereits an, Revision beim Bundesgerichtshof wegen dieser Frage einzulegen.

    Der Bundesgerichtshof wird sich mit der entscheidenden Frage nicht beschäftigen

    Nun ist das Verfahren zu Ende, aber die entscheidende Frage wird ungeklärt bleiben. Denn es ging so weiter: Nachdem der Angeklagte seinen alten Verteidiger wieder dabei haben wollte, legte Anwalt Ahmed das Mandat nieder. In der Pressemitteilung des Landgerichts hatte es fälschlich geheißen, Ahmed sei das Mandat entzogen worden. Die Vorwürfe gegen den Schrotthändler schrumpften im Anschluss. Hieß es zu Beginn des Verfahrens, er sei der Kopf einer Bande und habe 1,3 Millionen Euro Steuern hinterzogen, war nun nur noch von Beihilfe die Rede und einer Summe von 470 000 Euro. Das und ein Geständnis ermöglichten dem Gericht ein recht mildes Urteil von drei Jahren Gefängnis, obwohl der Angeklagte einschlägig vorbestraft war und die Taten teils unter offener Bewährung begangen hatte. Und diese Strafhöhe machte zudem möglich, dass sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft noch im Gerichtssaal auf Rechtsmittel verzichteten. Das Urteil ist also rechtskräftig, die Karlsruher Richter werden sich mit der Frage, ob das Richter-Liebespaar rechtlich zulässig ist, nicht beschäftigen.

    Anwalt Ahmed: Diese Person ist als Richter fehl am Platz

    Der Ärger ist damit aber nicht zu Ende. Denn Richter Natale kritisierte im Urteil Anwalt Ahmed heftig. Der sei der „mutmaßliche Drahtzieher“ einer verfehlten Verteidigungsstrategie. Ahmed keilt zurück: „Wenn jemand nicht nur durch Mutmaßungen, sondern durch das Schaffen einer eigenen Scheinwelt versucht, einen nicht anwesenden Anwalt zu diskreditieren, dann ist diese Person als Richter fehl am Platz.“ Auch der Augsburger Anwalt Walter Rubach ist mit dem Vorgehen des Landgerichts nicht einverstanden: „Es ist bedauerlich, dass es Teilen der Augsburger Justiz gelegentlich an Souveränität und Gelassenheit mangelt“, sagte der renommierte Strafverteidiger auf Anfrage.

    Ungeachtet der Streitigkeiten ist absehbar, dass der Ursprung des Disputs ohnehin bald beseitigt ist. Das Richter-Paar wird getrennt. Nach Informationen unserer Redaktion aus Justizkreisen soll der Vorsitzende Richter der 10. Strafkammer in wenigen Wochen eine Zivilkammer für Bausachen erhalten. Diesen Wunsch hatte er offenbar bereits vor Beginn des aktuellen Prozesses geäußert. Landgerichtspräsident Herbert Veh bestätigt, dass solche Planungen bestehen. Es gebe aber noch keinen Beschluss des Präsidiums.

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