Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

NSU-Prozess: Mutter von Beate Zschäpe verweigert die Aussage

NSU-Prozess

Mutter von Beate Zschäpe verweigert die Aussage

    • |
    Die Angeklagte Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München: Heute soll ihre Mutter in den Zeugenstand treten.
    Die Angeklagte Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München: Heute soll ihre Mutter in den Zeugenstand treten. Foto: Peter Kneffel (dpa)

    Die 61-Jährige Mutter der Hauptangeklagten Beate Zschäpe berief sich am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München auf das Zeugnisverweigerungsrecht, das ihr als Mutter zusteht. Sie widersprach auch der Verwertung ihrer Aussage bei der Polizei im Ermittlungsverfahren.

    Cousin erzählt von rechtsgerichteter Jugend

    Zschäpes 39-jähriger Cousin dagegen hatte am Mittwochvormittag eine Aussage gemacht. "Wir waren schon rechts gerichtet", sagte er. "Gegen den Staat, gegen Ausländer, gegen Linke, gegen alles." Der Kontakt zu Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe - dem späteren Trio des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) - sei irgendwann abgebrochen. "Uwe Mundlos war mit meiner Lebenseinstellung nicht einverstanden, ich habe getrunken und Party gemacht - er hat mich als Asi bezeichnet", sagte der Cousin vor Gericht.

    Die Angeklagten im NSU-Prozess

    Das sind die Beschuldigten im Münchner NSU-Prozess:

    Beate Zschäpe: Sie tauchte 1998 gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter, um einer drohenden Festnahme zu entgehen. Die drei Neonazis aus dem thüringischen Jena gründeten eine Terrorgruppe und nannten sich spätestens ab 2001 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

    Ralf Wohlleben: Der ehemalige Thüringer NPD-Funktionär mit Kontakten zur militanten Kameradschaftsszene soll Waffen für das Trio organisiert haben. Der 40-Jährige wurde am 29. November 2011 verhaftet. Nach Ansicht der Ermittler wusste er von den Verbrechen - er ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

    Carsten S.: Der 35-Jährige hat gestanden, den Untergetauchten eine Pistole mit Schalldämpfer geliefert zu haben. Er ist wie Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

    Andre E.: Der gelernte Maurer (35) war seit dem Untertauchen 1998 einer der wichtigsten Vertrauten des Trios und soll die mutmaßlichen Rechtsterroristen zusammen mit seiner Frau regelmäßig besucht haben. E. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.

    Holger G.: Der 40-Jährige gehörte wie Wohlleben und die drei Untergetauchten zur Jenaer Kameradschaft. Er zog 1997 nach Niedersachsen um. G. spendete Geld, transportierte einmal eine Waffe nach Zwickau und traf sich mehrfach mit dem Trio. Auch G. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.

    Mundlos habe keinen Alkohol mehr getrunken und sich in politische Aktionen "reingesteigert", erzählte der Zeuge. Einmal habe Mundlos in der Stadt einer "Zigeunerin" ein Stück Kuchen an den Kopf geworfen. Mit Zschäpe hingegen habe er, der Zeuge, sich nie über Politik unterhalten.

    Am Nachmittag soll die Mutter von Beate Zschäpe vernommen werden

    Am Nachmittag solle die Mutter von Beate Zschäpe als Zeugin vernommen werden. Als nahe Angehörige kann sie die Aussage vor Gericht verweigern. Im Ermittlungsverfahren hatte sich die Zahnärztin jedoch geäußert.

    Das ist Beate Zschäpe

    Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.

    Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.

    Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.

    Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.

    Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.

    Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.

    Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.

    Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.

    Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.

    Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".

    Das Verhältnis zu ihrer Tochter gilt als schwierig, in Vernehmungsprotokollen ist von einem Zerwürfnis die Rede. Die Bindung Zschäpes zu ihrer Großmutter ist enger; die Hauptangeklagte hatte sich selbst als "Omakind" bezeichnet.

    Beate Zschäpe soll für die legale Fassade des NSU gesorgt haben

    Den mutmaßlichen Terroristen des NSU werden zehn Morde und zwei Sprengstoffattentate zur Last gelegt. Zschäpe ist als Mittäterin an allen Anschlägen angeklagt. Sie soll für die legale Fassade des Trios gesorgt haben. (dpa/AZ)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden