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Naturschutz: Das Allgäuer Schorenmoos soll nur teilweise renaturiert werden

Naturschutz

Das Allgäuer Schorenmoos soll nur teilweise renaturiert werden

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    Das Schorenmoos bei Dietmannsried wird keiner Radikalkur unterzigen, wie das ursprünglich geplant war. Nach heftigen Bürgerprotesten wird die Renaturierung kleiner ausfallen.
    Das Schorenmoos bei Dietmannsried wird keiner Radikalkur unterzigen, wie das ursprünglich geplant war. Nach heftigen Bürgerprotesten wird die Renaturierung kleiner ausfallen. Foto: Matthias Becker

    Forstminister Helmut Brunner hat 2015 zum „Aktionsjahr Waldnaturschutz“ erklärt. Wir nehmen das zum Anlass, interessante Aspekte in einer Serie zu beleuchten.

    Es ist ein Märchenwald, der Sensationen birgt. Weit über 100 Jahre alte Spirken beispielsweise. Das sind seltene Moorkiefern. Der Forstwissenschaftler Stefan Müller-Kröhling von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft holt aus dem Moos einen „Schwarzen Schnegel“. Die Nacktschnecke ist ein Beleg dafür, dass das Schorenmoos bei Dietmannsried (Oberallgäu) seit der Eiszeit durchgehend bewaldet war. Für Müller-Köhling ist es ein „Schatzkästchen“. Er hat viele seltene Arten wie den Hochmoor-Glanzflachläufer in dem ursprünglichen Spirkenfilz entdeckt. Das Insekt ist auch ein Relikt aus der Eiszeit.

    Renaturierung im Allgäuer Schorenmoos stieß auf Widerstand

    Am Rand des 50 Hektar großen Schorenmooses verläuft die Eisenbahn. Die Trasse war dorthin gelegt worden, um den Brennstoff Torf für die Lokomotive nicht weit transportieren zu müssen. Für den Abbau wurde das Moor entwässert. Im Rahmen des bayerischen Klimaprogrammes Klip 2020 wird es nun renaturiert. Denn zerstörte, entwässerte Moore geben klimaschädliche Gase in die Atmosphäre ab. Typische Arten gehen verloren. „Wir haben eine große Verantwortung für die Hochmoore“, sagt Ulrich Sauter vom Amt für Landwirtschaft und Forsten Kempten. Die Renaturierung ist multifunktional. Sie vereint Klima-, Biotop- und Hochwasserschutz. Und sie ist wichtig für die Erholungsfunktion.

    Doch dieses ehrgeizige Projekt stieß bei der Bevölkerung auf erbitterten Widerstand. Die Menschen seien mit vollendeten Tatsachen konfrontiert worden, sagt Edith Rayner von der Bürgerinitiative „Schorenmoos-Allianz“. Die Bürger wollten ihren wunderschönen Wald behalten. Eine Wiedervernässung auf ganzer Fläche hätte zu einem Kahlschlag geführt, die Fichten hätten das nicht überstanden. Die Bürgerinitiative schaltete die Politik ein. Und sie fand bei Forstminister Helmut Brunner in München Gehör.

    Streit um Schorenmoos: Wald oder Hochmoor-Renaturierung?

    Die Fronten zwischen dem Staatsforst, der Bürgerinitiative und dem Bund Naturschutz waren zu dieser Zeit verhärtet, die Emotionen kochten hoch – bis 2013 ein runder Tisch ins Leben gerufen wurde, moderiert von Ulrich Sauter. „Was hier geschah, ist ein Lehrstück für Gesellschaftspolitik“, sagt der Forstwissenschaftler heute.

    Ein Gutachten hatte eine radikale Renaturierung auf ganzer Fläche vorgesehen. In der heißen Phase übernahm Hermann S. Walter den zuständigen Forstbetrieb Ottobeuren des Waldunternehmens Bayerische Staatsforsten. Er konnte verstehen, dass die Bevölkerung den Wald schützen wollte. Und er stellte sich die Frage: Was wollen wir? Einen Moor-Kiefern-Wald oder die Hochmoor-Renaturierung. Ihm wurde schnell klar: Man kann das eine tun, muss das andere nicht lassen. Die Förster machten eine umfassende Bestandsaufnahme im Schorenmoos, und sie wurden immer wieder überrascht, was sie an Tieren, Pflanzen und Bäumen fanden.

    Kompromiss: Nur ein Teil des Schorenmooses wird vernässt

    Auf dieser Grundlage kam es am runden Tisch zu einem Kompromiss, den jetzt alle Parteien mittragen. Statt der Radikalkur wird es einen „minimalinvasiven Eingriff“ geben, sagt Sauter. Das heißt: Ein Teil des Waldes wird vernässt. Dort werden alte Entwässerungsgräben geschlossen und der Wasserspiegel um 30 bis 40 Zentimeter angehoben. Die Torfmoose werden mit den Jahren wieder wachsen und den Moorkörper sanieren. Das ist ein Teil des Projekts. Es wird aber auch den Moorwald geben und den Trockenbereich. So vielfältig die Biotope sind, so unterschiedlich sind auch die Bodenreliefs. In dem feuchten Bereich suchen wir die Bulten, um nicht plötzlich im Wasser zu stehen. Etwas erhöht, wo es trocken ist, wippen wir auf dem Torfmoorrasen.

    Sauter führt zur „Baustelle“, das ist der Teil, der vernässt wird. Auf zwei bis drei Hektar wurden zahlreiche Fichten gefällt, die die Vernässung nicht überlebt hätten. Die Stämme wurden mit der Seilwinde herausgezogen, um den Moorboden zu schonen. Die Kiefern blieben und stehen jetzt frei. Für den Nachwuchs wurden Spirken beerntet, die Samen ins bayerische Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht nach Teisendorf gebracht. Dort werden die Moorkiefern nachgezogen. 2017 sollen sie dann im Schorenmoos gepflanzt werden.

    Die Förster setzen jetzt einen Impuls, dann wird die Natur in Ruhe gelassen. Das Monitoring wird Müller-Kröhling fortsetzen. Denn die Fachleute möchten wissen, wie sich die Tier- und Pflanzenwelt entwickelt. Anhand der Ergebnisse wird man in ein paar Jahren überlegen, ob die Renaturierung auf größerer Fläche fortgeführt oder das Schorenmoos sich selbst überlassen wird. An diesem Tag macht Sauter in unwegsamem Gelände wieder eine faszinierende Entdeckung: Bizarre, sehr alte Spirken, die ihn nicht loslassen. „So ein Wald hat mit Emotion zu tun, die darf man auch als Förster haben.“

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