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Naturschutz: Das Donauried wird zum Leben erweckt

Naturschutz

Das Donauried wird zum Leben erweckt

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    Margeriten, Wiesenschaumkraut, Brachvögel – das Donauried soll wieder Lebensraum für Pflanzen und Tiere werden.
    Margeriten, Wiesenschaumkraut, Brachvögel – das Donauried soll wieder Lebensraum für Pflanzen und Tiere werden. Foto: Hubert Link, dpa (Archiv)

    1960, als der Vater von Albert Stöckinger den Hof bei Pfaffenhofen (Kreis Dillingen) erwarb, war das Donauried von Wiesen geprägt. Der Boden war zu nass für den Ackerbau. Die Bauern konnten nicht reinfahren. Das änderte sich schlagartig, als in den 70er Jahren die Allrad-Schlepper kamen, sagt der Landwirt. Fortan wandelte sich das Bild der Kulturlandschaft von Jahr zu Jahr.

    Schließlich beherrschten Getreide und in den letzten Jahren zunehmend Mais das Bild in dem ehemals nassen Niedermoor. Zum Verdruss der Naturschützer. Denn die umgebrochenen Wiesen waren Lebensraum für Kiebitz und Brachvogel, es blühten Wiesenflockenblumen, Margeriten und Wiesenschaumkraut. Vögeln wie Pflanzen wurde durch die Nutzungsänderung der Boden entzogen.

    Plötzlich kam die einmalige Chance. Die Regierung von Schwaben konnte 2003 für den Naturschutz rund 120 Hektar im Donauried verstreute Flächen erwerben, die zu grünen Zentren zusammengelegt werden sollten. Das war der Anstoß für eine der bislang größten Flurneuordnungen, nur an der Autobahn gab es das in diese Dimension. Es geht immerhin um 4200 Hektar. Sie erstrecken sich im Gemeindegebiet von Buttenwiesen auf etwa zehn Kilometer – im Flurbereich von Pfaffenhofen, Lauterbach, Unter- und Oberthürheim.

    Das Moorgebiet im Überschwemmungsgebiet der Donau hatte schon einiges erlebt: Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es entwässert. Russische Strafgefangene mussten die Gräben ausheben. Später sollte dort ein Atomkraftwerk gebaut werden und eine Versuchsstrecke für eine Magnetschwebebahn. Aus diesen beiden Projekten wurde nichts. Unter anderem wegen des vehementen Protest der Bevölkerung im Ried.

    Auch die Landwirte hatten ein Interesse an einer Flurneuordnung

    Und nun zum Glücksfall: der Energiekonzern RWE hatte sich für das Atomkraftwerk umfangreiche Flächen im Donauried gesichert. Sie sollen nun (mittlerweile im Eigentum der LEW) in Ökokonto-Flächen umgewidmet werden, als Ausgleich für künftige Infrastrukturmaßnahmen wie den Bau von Stromleitungen.

    Wie die Flurneuordnung funktioniert

    Eine Flurneuordnung ist ein Jahre dauerndes Verfahren. Durchgeführt wird sie von einer sogenannten Teilnehmergemeinschaft.

    Für die Bodenordnung in Schwaben ist das Amt für Ländliche Entwicklung in Krumbach zuständig. Jeder Flächeneigentümer in der Gemarkung ist Teilnehmer des Verfahrens.

    Ziel der Bodenordnung ist die Entflechtung der Grundstücke und ein zeitgemäßes Wegenetz. Die Landwirte erhalten größere Bewirtschaftungseinheiten.

    Das Grundprinzip der Bodenordnung ist die wertgleiche Abfindung: Jedes Grundstück wird nach Bodengüte bewertet und erhält eine entsprechende Punktzahl. Jeder Teilnehmer muss am Ende wieder auf seine eingebrachte Punktzahl kommen. Erhält er bessere Grundstücke als zuvor, bekommt er flächenmäßig weniger Land und umgekehrt. Guter Acker gegen feuchte Wiese führt also zu deutlich kleinerer zugeteilter Fläche.

    Kein Teilnehmer hat Anspruch auf Zuteilung eines bestimmten Grundstücks.

    In Buttenwiesen sind vier Verfahren zu einer Gruppenflurneuordnung zusammengefasst worden. Das hat Spielräume eröffnet, die Abwicklung aber auch erschwert. (do)

    Auch die Landwirte hatten ein Interesse an einer Flurneuordnung. Die Grundstücke sind zu klein, im Durchschnitt ist es ein halber Hektar, ideal wären aber fünf Hektar. Die Parzellen waren aufwendig zu bewirtschaften, die Wege zu weit. Es passte alles nicht in die Zeit einer modernen Landwirtschaft. Und es gab noch andere zeitgemäße Interessen: Pfaffenhofen wollte ein Gewerbegebiet und Lauterbach eine Umgehungsstraße. Nun kam das Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Schwaben mit Sitz in Krumbach ins Spiel. Es ist der staatliche Dienstleister für das Bodenmanagement. Entflechtung von Ökonomie und Ökologie war das Ziel. Unterstützt werden Ludger Klinge, zuständig für Land- und Dorfentwicklung, und sein Kollege Georg Baur von Landwirt Stöckinger. Er ist im Flurneuordnungsverfahren Pfaffenhofen der Ansprechpartner für die Leute vor Ort.

    Wie groß das Verfahren ist, zeigt allein die Zahl der beteiligten Grundeigentümer: Rund 1500 sind es. Anton Burnhauser von der Naturschutzabteilung der Regierung von Schwaben in Augsburg hat in seiner langjährigen Berufslaufbahn noch nie eine Flurneuordnung von dieser Dimension erlebt. Er ist aber auch voll des Lobes, wie Baur und seine Kollegen die widerstrebenden Interessen unter einen Hut gebracht haben. Nun ist es geschafft. Die Neuordnung der Grundstücke ist abgeschlossen. Landwirt Stöckinger beispielsweise musste gepachtete Wiesen abgeben, bekam aber Ersatz. Er hat Pensionspferde und braucht das Heu.

    Die ersten Äcker werden demnächst eingesät. Bis daraus wieder intakte artenreiche Wiese werden, wird es noch ein bisschen dauern. Aber die Vögel werden sich bald einstellen. Davon ist der Ornithologe Burnhauser überzeugt. Alle Beteiligten des Projektes sind zuversichtlich, dass das Donauried bald wieder ein Stück seines alten Gesichts zurück bekommt. Im Naturschutz-Kernbereich wird es eine weite, offene Wiesenlandschaft bis zum Horizont geben.

    Die ersten bis zu zehn Meter breite Randstreifen werden bereits bewirtschaftet. Es sind ökologische wertvolle Biotopbrücken. Und es werden noch mehr werden. Wiesen sollen vernässt werden, Feldwege verschwinden. Die Naturschutzflächen sollen spät gemäht oder von Tieren beweidet werden. Das Management übernimmt der Landschaftspflegeverband „Donautal aktiv“. Das Interesse der Landwirte an den Pachtflächen ist groß.

    Einer der großen Unterstützer der Flurneuordnung ist Buttenwiesens Bürgermeister Hans Kaltner. Er ist erst seit Kurzem im Amt, begleitete das ehrgeizige Projekt aber von Anfang an. Das Donauried ist seine Heimat, er ist dort aufgewachsen. Er erinnert sich an seine Kindheit, als auf den Wiesen noch Enziane blühten. Sein Onkel hatte ihm gesagt, man müsse die Landschaft pflegen, sonst verbusche sie. „Wir haben keine Natur-, sondern eine Kulturlandschaft.“ Er ist überzeugt, dass das Donauried für den Naturschutz ein Gebiet von europäischem Rang werden wird.

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