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Schule: Wenn der Übertritt von der Grundschule ansteht, steigt der Druck

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Wenn der Übertritt von der Grundschule ansteht, steigt der Druck

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    Für viele Kinder ist die Grundschulzeit stressig. Vor allem wenn – wie jetzt – die Frage ansteht, ob der weitere Weg auf ein Gymnasium, eine Real- oder eine Mittelschule führt.
    Für viele Kinder ist die Grundschulzeit stressig. Vor allem wenn – wie jetzt – die Frage ansteht, ob der weitere Weg auf ein Gymnasium, eine Real- oder eine Mittelschule führt. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Wenn am Mittwoch mit dem schriftlichen Mathe-Abitur die Prüfungen beginnen, wird von vielen Abiturienten eine Last abfallen. Längst vergessen sind freilich jene Anstrengungen, die die Schüler in der vierten Klasse auf sich genommen haben, um überhaupt ihr Gymnasium besuchen zu dürfen.

    Was in Grundschulen passiert, wenn der Übertritt ansteht, ist für Simone Fleischmann alarmierend: Kaum Zeit für Hobbys, regelmäßige Nachhilfe und Eltern, die mit Rechtsanwalt in die Sprechstunde kommen. Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) war selbst lange Grundschulleiterin. Sie sagt: „Die Eltern setzen sich und ihre Kinder so großem Druck aus, dass sie alles Mögliche tun, damit ihr Kind auf ein Gymnasium geht.“

    Ob sich der Elternwunsch erfüllt, hängt vor allem vom Notenschnitt im Übertrittszeugnis ab, das bayerische Viertklässler am Dienstag erhalten. Im vergangenen Jahr wechselten 39 Prozent der bayerischen Viertklässler auf ein Gymnasium (35 Prozent in Schwaben) und 29 Prozent auf eine Realschule (32 Prozent in Schwaben). Im Vorfeld der Zeugnisvergabe müssen die Schüler über 20 Leistungsnachweise in den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht erbringen. BLLV, SPD und Grüne im Landtag kritisieren das Verfahren seit Jahren. Sie fordern: Die Grundschule muss dem pädagogischen Auftrag nachkommen und nicht einem Sortierauftrag.

    Probeunterricht auch ohne passenden Notendurchschnitt

    2014 hatte die SPD-Landtagsfraktion versucht, das im Freistaat geltende Verfahren gerichtlich zu kippen und Eltern vom Notendurchschnitt losgelöst entscheiden zu lassen, auf welche Schule das Kind geht. Vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof argumentierte die SPD: „Die Verfassung gesteht Eltern das Recht zu, über den Lebensweg der Kinder selbstverantwortlich entscheiden zu dürfen.“ Doch das Verfahren, das in Bayern seit Jahrzehnten Schüler in das dreigliedrige Schulsystem einteilt, ist nach Urteil des Gerichts verfassungskonform. Dem Elternwillen werde genug Platz eingeräumt.

    Tatsächlich können Eltern ihre Kinder unabhängig vom Notendurchschnitt im Übertrittszeugnis zu einem Probeunterricht an der Schule ihrer Wahl anmelden, sagt Benedikt Mayer, Lehrer am Vöhlin-Gymnasium in Memmingen. Wenn die Schüler die zentralgestellten Prüfungen des Kultusministeriums in Deutsch und Mathe jeweils mit der Note vier bestehen, dürfen sie die Schule besuchen.

    Mayer, der als Gymnasiallehrer im Bayerischen Philologenverband organisiert ist, setzt aber mehr auf die Urteilsfähigkeit der Grundschullehrer: „Nur sie können Kompetenzen der Schüler objektiv beurteilen. Noten, die sie vergeben, messen die Leistung fair und sind ein sehr gutes Mittel zur Entscheidung, wer für den Übertritt wirklich geeignet ist.“ Hat ein Kind einmal den Sprung auf eine weiterführende Schule geschafft, sei der Notendurchschnitt nebensächlich, sagt Mayer: „Bei uns fangen alle bei null an. Was vorher war, interessiert die Lehrer in der Regel nicht.“

    Grundschulen: Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrern

    Auch Stephan Lippold, Leiter des Peutinger-Gymnasiums Augsburg, ist überzeugt: „Grundschullehrer sind die Profis, die die Kinder über zwei Jahre täglich in ihrer Entwicklung begleiten. Ließe man Eltern allein über die Wahl des Bildungswegs entscheiden, so würde im Prozess die Schulsicht fehlen.“ Lippold geht es um die Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrern, betont er: „Beide sollten miteinander sprechen und sich Rückmeldung geben, um das Kind zu fördern.“ Mit Blick auf die Übertrittsphase rät Lippold zur Gelassenheit: „Auch ein Kind, das zunächst zur Realschule oder Mittelschule geht, kann auf ein Gymnasium wechseln. Es verpasst nichts, wenn man ihm mehr Zeit zur Entwicklung gibt.“

    Für mehr Lernzeit plädieren auch der BLLV, die Landtags-SPD und der Bayerische Grundschulverband. Carina Hartmann, Doktorandin für Grundschuldidaktik an der Uni Augsburg, sagt: „Um Kindern, die in der vierten Klasse noch nicht so weit sind, ein Übertrittsdrama zu ersparen, wünsche ich mir eine gemeinsame Lernzeit bis zur sechsten Klasse.“ Was den Druck vor dem Übertritt deutlich senke, sei die gemeinsame Beschulung von Dritt- und Viertklässlern in jahrgangsgemischten Klassen. „Geht es nur für die Hälfte um den Übertritt, lernt es sich deutlich entspannter.“ Die Pädagogin sagt aber auch: „Den Druck, den Eltern von Grundschulkindern aushalten müssen, machen sie sich meist selbst.“ Der Auffassung ist auch Ulrike Stautner, Regionalbeauftragte für Schwaben in der Landeselternvereinigung. „Für die Gesellschaft ist es ein Makel, wenn ein Kind nicht aufs Gymnasium geht. Erst wenn das aufhört, lernen alle entspannter.“

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