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Allgäu: Die Märchenschlösser der Kapitalanleger

Allgäu

Die Märchenschlösser der Kapitalanleger

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    Der Große Alpsee bei Immenstadt soll als unberührte Landschaft erhalten bleiben. Das haben die Bürger am Sonntag mit ihrem mehrheitlichen Votum gegen ein Chalet-Hotel entschieden.
    Der Große Alpsee bei Immenstadt soll als unberührte Landschaft erhalten bleiben. Das haben die Bürger am Sonntag mit ihrem mehrheitlichen Votum gegen ein Chalet-Hotel entschieden. Foto: Charly Höpfl

    Es war einmal ein „Allgäuer Dorf“. Unter diesem Namen sollte nördlich von Füssen eine Ferienanlage entstehen. Bausumme: Rund 60 Millionen Euro. Ein Riesending, das sich ein Innsbrucker Projektentwickler ausgedacht hatte. Die Bürgermeister von zehn in einem Zweckverband zusammengeschlossenen Kommunen fanden es gut. Doch die alteingesessenen Hoteliers im südlichen Landkreis Ostallgäu reagierten entsetzt: zu groß, zu viele Betten, eine existenzbedrohende Konkurrenz. Die Widerstände waren so groß, dass der Zweckverband das Vorhaben im Juli 2013 aus seiner Satzung strich.

    Allgäuer stimmen gegen geplante Bauprojekte

    Und es war einmal ein Plan, am Ufer des Großen Alpsees bei Immenstadt (Kreis Oberallgäu) ein Chalet-Hotel zu bauen. Ein örtlicher Architekt und ein Unternehmer aus München wollten in der idyllischen Landschaft für rund 25 Millionen Euro Suiten auf Vier- bis Fünf-Sterne-Niveau mit 160 Betten errichten, die dann an Kapitalanleger verkauft werden sollten. Die Stadt, die Tourismusmanager und ein Teil der Bevölkerung waren dafür. Doch es gab noch mehr Gegner. Eine neue Zufahrt werde die Alpseelandschaft zerstören, ein Bauer werde seine Wiesen verlieren und bei einer Pleite würden aus den Chalets Zweitwohnungen werden, befürchteten sie. Am vergangenen Sonntag stimmten die Bürger ab – mit eindeutigem Ergebnis: 61 Prozent der Stimmberechtigten lehnten das Hotel ab. Schon tags drauf hatte die planende Alpstein Chalets GmbH alle Angaben über das Projekt von ihrer Webseite entfernt.

    Kapitalanleger sind auf der Suche nach Projekten

    Manche Märchen könnten aber doch wahr werden. Investoren, die zweistellige Millionenbeträge investieren, glauben daran – in Marktoberdorf, in Hohenschwangau (beides Kreis Ostallgäu), in Leitheim (Kreis Donau-Ries). „Fakt ist, dass zurzeit viele Kapitalanleger auf der Suche nach Projekten sind – wegen der niederen Zinsen am Geldmarkt“, sagt Johann Britsch, der schwäbische Vorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes aus Finningen (Kreis Neu-Ulm). Im oberbayerischen Neuburg an der Donau plant die VIB-Vermögen AG in der Nähe des Armeemuseums ein Maritim-Hotel, in Augsburg will sich gar ein Geschäftsmann aus Dubai in ein heruntergekommenes Objekt in der Innenstadt einkaufen.

    Nehmen wir aber das Märchen aus dem kleinen Dorf Leitheim. Dort steht auf einer Anhöhe über der Donau ein Schloss. Musikliebhaber kennen es, weil in seinem Rokokosaal jeden Sommer klassische Konzerte gespielt werden. Bis 2008 gehörte die einstige Sommerresidenz der Äbte von Kaisheim der freiherrlichen Familie von Tucher. Da diese nicht reich genug ist, um das denkmalgeschützte Bauwerk aus dem 17. Jahrhundert zu erhalten, verkaufte sie es an die Messerschmitt-Stiftung. Und die hat einen großen Plan. Colette Zinsmeister soll ihn umsetzen. Die Geschäftsführerin des künftigen Hotels Schloss Leitheim, steckt mitten in der Arbeit. Schon am 1. März wird das 400 Jahre alte „Weingärtnerhaus“ neben dem Barockschloss als Restaurant eröffnet. Vor langer Zeit hatten es die Arbeiter im Weinberg der Äbte bewohnt. Jetzt ist es weitgehend restauriert und eingerichtet. Aber noch ist rundum Baustelle.

    In Bergschuhen stapft Zinsmeister über Schneereste, vorbei an einem Haufen Verpackungsmaterial zum Bürocontainer. Dort hängt eine Zeichnung des Architekturbüros Obel und Partner an der Wand. Sie zeigt, wie sich der Hotelneubau an das Schloss anschließt. Es wird 49 Zimmer der Vier-Sterne-Kategorie haben und 98 Betten – etwa halb so viele, wie Leitheim Einwohner hat. Kann das gut gehen?

    „Wir haben ziemlich viel Industrie in der Nähe – aber nicht nur das“, sagt die Managerin auf die Frage, welche Gäste sie erwartet. Donauwörth mit Airbus Helicopters (früher Eurocopter) und vielen anderen Firmen liegt knapp zehn Kilometer entfernt – nah genug für Ruhe suchende Geschäftskunden. Der Donauradweg verläuft unterhalb des Schlosses, die Romantische Straße führt seit 2010 am Schloss und den kleinen Häusern des Dorfes vorbei. Außerdem sind da ja auch die Musikliebhaber. Colette Zinsmeister, die aus Südafrika stammt und mit ihrem Mann, dem Küchenmeister Paul Zinsmeister, schon das Blumenhotel in Rain geführt hat, sieht Potenzial in mehreren Richtungen. „Wir haben schon Buchungen“, sagt sie.

    Die Eröffnung des Hotels ist für August geplant

    Dabei ist der Eröffnungstermin für das Hotel erst der 1. August. Und noch besteht die Nobelherberge vor allem aus blankem Beton und unverputzten Ziegelwänden. Die Zeit drängt. Aber die Geschäftsführerin wirkt nicht besonders angespannt, während sie am Handy Anrufe entgegennimmt, Anweisungen gibt und bei einem Rundgang durch den Rohbau schildert, wie alles werden soll: Ein Kamin komme in die Lobby, dazu statt der üblichen Theke ein großer Holztisch mit Stühlen zum bequemen Ein- und Auschecken für die Gäste. Nach hinten führe der Ausgang zu einem „Hofgarten“ mit Blick über das Donautal. Überhaupt der Blick: „Bei Föhn sieht man die Berge“, schwärmt Zinsmeister. Alle Fenster der Gästezimmer sind nach Süden ausgerichtet, ebenso der Wellnessbereich mit Outdoor-Pool, Sauna, Solarium, Dampfbad, Eisbecken und Behandlungsräumen für Anwendungen. Auch Tagesgäste sollen sich hier verwöhnen lassen können.

    Der reizvollste Teil des Ensembles, das Schloss, werde für die Gäste ebenfalls zugänglich sein. Geplant ist ein Café mit Bewirtung bei schönem Wetter draußen auf der Terrasse. Für die kalte Jahreszeit wird gerade eine Fußbodenheizung eingebaut. Auch als Adresse für Traumhochzeiten soll sich das Schloss etablieren. Schließlich liegt die Kapelle dem Portal direkt gegenüber.

    Im „Ferienland Donau-Ries“ und in Nordschwaben findet das Projekt nur Zustimmung. „Alle freuen sich darauf“, heißt es beim Tourismusverband Allgäu-Bayerisch Schwaben in Augsburg. Und wie ist die Akzeptanz in der Bevölkerung? Martin Scharr, Bürgermeister des Marktes Kaisheim, zu dem Leitheim gehört, glaubt, dass die Bürger überwiegend „stolz“ sind, etwas so Besonderes nach Leitheim zu bekommen. In der Öffentlichkeit würden bisher keine Einwände diskutiert. „Aber man weiß ja nicht, was da noch alles kommt.“

    Konkurrenz am Ort gibt es in Leitheim nicht, anders als im Allgäu, wo eine Vielzahl mittelständischer Familienbetriebe ansässig ist. Umbauten und Erweiterungen sind ein wichtiges Thema in der Beratungsfirma tmb von Otto Burkhart in Röthenbach (Landkreis Lindau). Er kennt die Verhältnisse auch aus seiner früheren Tätigkeit als Kurdirektor von Isny. 40 Betten pro Hotel sind in Bayern der Durchschnitt, sagt er. Neubauprojekte hingegen, auch in der Region, fangen in der Größenordnung von 100 Betten erst an. Ob das geht, hänge vom Standort ab, so Burkhart.

    In Marktoberdorf gibt es ebenfalls Baupläne

    In Marktoberdorf scheint es zu gehen. Der Stadtrat hat kürzlich einstimmig den Flächennutzungsplan geändert, damit auf dem Gelände einer früheren Gärtnerei ein Hotel mit rund 200 Betten entstehen kann. Was gigantisch anmutet, wird von den Kommunalpolitikern am Sitz der Landmaschinenfabrik Fendt seit Jahren herbeigewünscht. Selbst als die Investoren – ein Bauunternehmer aus dem Unterallgäu und ein gebürtiger Marktoberdorfer, der in Bangkok lebt – den Hotelstandort innerhalb der Stadt noch einmal verlegten, war das kein Problem. Gegen das Vier-Sterne-Business-Hotel mit Restaurant, Tagungs- und Wellnessbereich gab es nur eine leise Befürchtung: Der viergeschossige Bau könnte den freien Blick von der Kurfürstenallee auf die Berge versperren. Mit einem Kran wurden daraufhin die Ausmaße des Baus simuliert. Die Aktion ergab, dass das Naturdenkmal aus alten Linden kaum beeinträchtigt wird. Seither gab es keine Einwände mehr. Der Baubeginn soll Mitte des Jahres sein.

    So weit ist der Wittelsbacher Ausgleichsfonds in Schwangau offenbar noch nicht. Der Bauausschuss hat zwar für ein neues Hotelensemble unterhalb von Schloss Hohenschwangau schon die Verlegung der Neuschwansteinstraße beschlossen. Doch eine Ansichtsskizze für das 200-Betten-Projekt in der Kategorie „Vier Sterne plus“ gebe es noch nicht, heißt es in München. Bekannt ist bisher nur, dass die historischen Gebäude Alpenrose, Jägerhaus und Schlosshotel Lisl in das Ensemble integriert werden sollen.

    Im Dunkeln liegt auch ein Projekt in Bad Wörishofen. Auf dem Gelände des alten Hallenbades wollte ein Mindelheimer Bauunternehmer ein bereits genehmigtes Drei-Sterne-Hotel mit rund 200 Betten bauen. Ortsansässige Hoteliers sind empört und besorgt, weil sie Umsatzeinbußen durch eine „Billig-Konkurrenz“ befürchteten. 30 Bäume wurden schon vor einem Jahr gefällt, seither liegt das fast 9000 Quadratmeter große Grundstück zum Ärger der Anwohner brach. Wie es weitergehen wird, ist unbekannt. Das Unternehmen äußert sich derzeit nicht.

    Im Allgäu sollen neue Hotels entstehen

    Eine Nummer kleiner, dafür unbehelligt von Protesten, ist in Weißenhorn (Kreis Neu-Ulm) das neue „Riku-Hotel“ des Ulmer Großgastronomen Eberhard Riedmüller entstanden. Es steht in der Nachbarschaft des eigenen Bräuhauses und der sanierten Fuggerschlösser mitten im historischen Zentrum – ein Bed-and-Breakfast-Hotel mittlerer Preislage, wie es sie im gleichen Standard schon in Neu-Ulm, Mindelheim und zweimal in Memmingen gibt. Die 29 Zimmer sollen ab April buchbar sein.

    Bleibt die Frage, wie sich in einem solchen Umfeld der mittelständische Hotel-Landgasthof von Johann Britsch in Finningen behauptet: offensichtlich gut. Zehn Prozent Umsatzsteigerung vermeldete das Vier-Sterne-Haus mit 70 Zimmern vor kurzem. „Wir sind eine Großfamilie“, erläutert Britsch, drei Töchter und der Schwiegersohn arbeiten mit. Die Stammkunden – vor allem Geschäftsleute, die im Ballungsraum Ulm zu tun haben – wüssten die persönliche Note zu schätzen. Fast wie im Märchen...

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