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Behördengänge: Digitale Verwaltung: Warum wir immer in Bayern noch anstehen

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Digitale Verwaltung: Warum wir immer in Bayern noch anstehen

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    Vor den Münchner Bürgerbüros bilden sich oft Warteschlangen.
    Vor den Münchner Bürgerbüros bilden sich oft Warteschlangen. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Im Münchner Osten windet sich eine Schlange aus 150 Menschen vor einem Gebäude. Es ist 8.20 Uhr. In zehn Minuten öffnet das Bürgerbüro. Markus Höcherl war schon gestern hier, um 10.30 Uhr. Drangekommen ist er nicht mehr, bevor das Büro um 12.00 Uhr schloss. "Aber man muss die Dinge ja erledigen", sagt er und zuckt mit den Schultern.

    Beim Bürgerbüro nicht mehr anstehen, den Papierkram einfach online erledigen? Flächendeckend funktioniert das nicht. Im Ländervergleich sei Bayern in Sachen digitale Verwaltung in vielen Fällen Vorreiter, sagt Marc Reinhardt, der die Initiative D21, ein Experten-Netzwerk für Digitale Gesellschaft, im nationalen IT-Gipfel vertritt. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt Deutschland zurück und belegt nach einer Erhebung der Europäische Kommission Platz 20 in der EU. "Auch Bayern hat noch viel Luft nach oben", so Reinhardt. Dabei sind die Voraussetzungen mit dem neuen Personalausweis seit 2010 geschaffen. Mit ihm kann man sich online ausweisen.

    "Alles Wichtige funktioniert online ja nicht"

    Wer schnell dran kommen will, muss früh da sein.
    Wer schnell dran kommen will, muss früh da sein. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Auf die Frage, ob die elektronische ID auf ihren Personalausweisen freigeschaltet ist, antworten viele in der Schlange im Münchner Osten mit fragendem Blick. Sie wissen nicht, was ihr Personalausweis kann. "Die meisten Bürger vermuten gar kein digitales Angebot von der Verwaltung", sagt Reinhardt. Die Mitarbeiter der Bürgerämter seien zudem nicht auf die Digitalisierung vorbereitet. Seit der Einführung des neuen Personalausweises wurden laut Bundesinnenministerium 49 Millionen neue Ausweise ausgegeben - nur bei einem Drittel ist die eID aktiviert. Nach einer Studie der Initiative D21 im Jahr 2016 ließen 16 Prozent der Befragten die digitale Ausweisfunktion ihrer Personalausweise nicht freischalten, weil Behördenmitarbeiter ihnen davon abrieten.

    Höcherl, der vor dem Bürgerbüro in München steht, weiß, was sein Ausweis kann. Er hat aber kein Kartenlesegerät, das er für die Nutzung bräuchte. "Ich würde das kaufen, wenn es sich lohnen würde, aber es rentiert sich nicht", sagt er. "Alles Wichtige funktioniert online ja nicht." Er möchte sich in München melden. Selbst mit Lesegerät ginge das nicht online - gesetzlich ist vorgeschrieben, dass er persönlich beim Amt erscheinen muss. Gleiches gilt für andere Dinge, die jeder irgendwann erledigen muss, wie etwa die Beantragung von Personal- oder Reisepass. Ein anderer in der Schlange will ein Führungszeugnis anfordern. Dafür müsste er hier nicht stehen, weiß aber nichts davon.

    Das Führungszeugnis online anfordern, können Bürger deutschlandweit über ein zentrales System. In Bayern kann man zudem auch den Bafög-Antrag und den Schwerbehinderten-Antrag online stellen. Bei allem, was aber unter die kommunale Selbstverwaltung fällt, wird es kompliziert. "Die Angebote sind zu selten und zu verstreut über verschiedenste Behörden und Ämter beziehungsweise über diverse föderale Ebenen", sagt Reinhardt.

    In München kann man bei zwei Bürgerbüros online einen Termin vereinbaren

    Das Bayernportal des Freistaats soll Bürgern den Weg durch die Verwaltung weisen.
    Das Bayernportal des Freistaats soll Bürgern den Weg durch die Verwaltung weisen. Foto: Luisa Hofmeier, dpa

    Das Bayernportal sollte für Übersichtlichkeit sorgen. Finanzminister Markus Söder (CSU) stellte das Portal Ende 2015 vor. Er bezeichnet es als "digitalen Lotsen durch die Verwaltung". 300 staatliche und kommunale Dienste umfasst das Portal. Nur bieten nicht alle Kommunen alles an. Ingolstadt und Markt Altdorf gelten im Ministerium als Positivbeispiele, ein Drittel der bayerischen Kommunen ist allerdings nicht an das Portal angebunden. Deutschlandweit ist es dennoch einzigartig. Der Bund und das Land Hessen hätten bereits an dem Konzept Interesse gezeigt, heißt es aus dem Finanzministerium.

    "Die Politik hat das Thema E-Government lange ignoriert beziehungsweise niedrig priorisiert", sagt Reinhardt. Das ändere sich mittlerweile. Für die nächste Legislaturperiode im Bund, aber auch in Bayern, sollte mehr Schwung ins Thema kommen, glaubt er. In München kann man bei zwei Bürgerbüros online einen Termin vereinbaren und so die Warteschlange umgehen. "Das neue Online-Terminvergabesystem wird schrittweise 2017/2018 in allen Bürgerbüro-Außenstellen eingeführt", heißt es von der Stadt. Dann sollte zumindest die Schlange vor dem Bürgerbüro in Münchner Osten kürzer werden. Luisa Hofmeier, dpa

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