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Bundesamt für Naturschutz: Dreistachliger Stichling: Störenfried ist Fisch des Jahres 2018

Bundesamt für Naturschutz

Dreistachliger Stichling: Störenfried ist Fisch des Jahres 2018

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    Der Dreistachlige Stichling ist der Fisch des Jahres 2018. Im Bodensee ist der Vermehrungskünstler mittlerweile ein Problem für andere Fische - vor allem Felchen.
    Der Dreistachlige Stichling ist der Fisch des Jahres 2018. Im Bodensee ist der Vermehrungskünstler mittlerweile ein Problem für andere Fische - vor allem Felchen. Foto: Andreas Hartl

    Ein bisschen sieht er aus, als würde er gar nicht hierher gehören. Sondern in die Karibik. Ins warme Wasser, zwischen Korallenriffe und Meeresschildkröten. Seine Augen leuchten blau, sein Bauch erstrahlt in grellem Orange. Aber der Dreistachlige Stichling ist kein Tropenfisch.

    Das Tierchen ist einer der kleinsten heimischen Süßwasserfische und lebt in unseren deutschen Seen. Jetzt wurde der Dreistachlige Stichling vom Bundesamt für Naturschutz, dem Deutschen Angelfischverband und dem Verband Deutscher Sporttaucher zum Fisch des Jahres 2018 gewählt.

    Oliver Born, Fischereifachberater des Bezirks Schwaben, kann das nicht verstehen: "Mir ist nicht klar, warum man ausgerechnet den Stichling gewählt hat", sagt er. Der Grund für Borns Überraschung: der Fisch ist umstritten. Vor allem am Bodensee macht er Probleme. Man müsse mittlerweile von einer wahren Massenvermehrung sprechen, sagt Born.

    Im Freiwasser sind bereits über 80 Prozent des Fischbestands Stichlinge

    Inzwischen machten die Stichlinge mehr als 80 Prozent des Fischbestandes im Freiwasser – also im offenen See – aus. "Eine derartige Entwicklung in einem großen See ist fischereibiologisch einzigartig." Das bestätigt auch Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle in Langenargen in der Nähe von Friedrichshafen.

    "Der Bodensee ist durch den Stichling komplett auf den Kopf gestellt. Die Berufsfischerei leidet. Und auch das Ökosystem." Warum es so viele Stichlinge im Bodensee gibt, das wird derzeit an der Forschungsstelle untersucht. Konkrete Antworten gibt es bislang nicht.

    Die explosionsartige Vermehrung der Stichlinge macht vor allem Felchen zu schaffen, denen es ohnehin schon schlecht geht, weil der Bodensee in den vergangenen Jahrzehnten immer nährstoffärmer wurde. "Die Stichlinge fressen den Felchen die letzten Planktonbrocken weg", sagt Fischereifachberater Born. Das Kuriose: Die Nährstoffknappheit scheint den Stichlingen im Gegensatz zu den Felchen wenig auszumachen.

    Bodenseefischer wie die Familie Stohr kämpfen mit dem starken Rückgang von Felgen. Die Fangquoten werden geringer, was auf Stichlinge und nährstoffarmes Wasser zurückzuführen ist.
    Bodenseefischer wie die Familie Stohr kämpfen mit dem starken Rückgang von Felgen. Die Fangquoten werden geringer, was auf Stichlinge und nährstoffarmes Wasser zurückzuführen ist. Foto: Matthias Becker (Archivfoto)

    Stichlinge vermehren sich schnell und sind aggressive Jäger

    Sie vermehren sich munter weiter. Aber nicht nur der Kampf um die Nahrung setzt den Bodenseefelchen zu. "Stichlinge sind auch sehr aggressive Jäger", sagt Born. Sie ernähren sich von den Eiern und Larven anderer Fischarten. Deswegen müsse man nun überlegen, wie man die Situation entschärfen könne.

    Ganz einfach ist das aber nicht. Geht man mit einem großen Netz ins Wasser, würden auch andere Fische, etwa die ohnehin dezimierten Felchen, damit gefangen werden. "Am besten wäre es, wenn man die Vermehrung stoppt", sagt Born. Eine Möglichkeit sei zum Beispiel, die Nester zu zerstören. "Das geht aber nur, wenn andere Arten nicht gefährdet werden."

    Schön zu beobachten: das Balz- und Brutpflegeverhalten von Stichlingen

    Auch wenn der Dreistachlige Stichling Born oft Kopfzerbrechen bereitet, räumt er auch ein, dass es sich um einen sehr außergewöhnlichen und interessanten Fisch handelt. "Für die Verhaltensbiologie ist der Stichling durch sein auffälliges Balz- und Brutpflegeverhalten ein wunderbares Beobachtungsobjekt."

    In der Brutzeit verfärbt sich die Brust des Männchens rot, der Rücken wird blaugrün, die Augen leuchten silberblau. Mit diesem Farbenrausch will es dem Weibchen seine Fruchtbarkeit zeigen. Mit einem ruckartigen Zickzack-Tanz wird das Weibchen dann so lange umgarnt, bis es ins Nest kommt und dort seine Eier ablegt.

    Sein einzigartiges Brutverhalten machte den Stichling zum Fisch des Jahres 2018

    Danach befruchtet das Männchen die Eier und übernimmt die Brutpflege. Das Weibchen wird verscheucht. Und kommt ein anderer Artgenosse auch nur in die Nähe des Nests, wird die Kinderstube aggressiv verteidigt.

    Diesem einzigartigen Brutverhalten hat der Dreistachlige Stichling auch seine Wahl zum Fisch des Jahres 2018 zu verdanken. Man wolle zeigen, dass auch Kleinfischarten besondere Aufmerksamkeit verdienen, schreibt das Bundesamt für Naturschutz auf seiner Internetseite. Es gehe darum, deutlich zu machen, dass sich hinter Fischarten wie dem Stichling einzigartige Lebens- und Verhaltensweisen verbergen und so den Blick für die heimische Fischfauna stärken.

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