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Oktoberfest: Droht alten Wiesn-Fahrgeschäften das Aus?

Oktoberfest

Droht alten Wiesn-Fahrgeschäften das Aus?

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    Auf dem Münchner Oktoberfest finden sich einige ältere Fahrgeschäfte. Die "Magic" Gondeln gehören der Vergangenheit an. Sie werden wegen hoher TÜV-Forderungen nach Köln verkauft.
    Auf dem Münchner Oktoberfest finden sich einige ältere Fahrgeschäfte. Die "Magic" Gondeln gehören der Vergangenheit an. Sie werden wegen hoher TÜV-Forderungen nach Köln verkauft. Foto: Angelika Warmuth, dpa

    Sie sind nicht mehr die jüngsten, aber wirbeln ganz schön schnell herum: Ältere Fahrgeschäfte auf dem Münchner Oktoberfest und auf anderen Volksfesten müssen seit 2013 neuen Tüv-Vorschriften genügen - doch das schafft Probleme: Gutachten und Nachrüstung sind teuer. Der Schausteller Eduard Hohmann, Besitzer des 25 Jahre alten "Magic", hat deshalb geklagt. Er will nicht neue DIN-Vorschriften einhalten müssen, die beim Bau seines Fahrgeschäfts noch gar nicht galten. Am Donnerstag befasste sich in München der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit dem Zwist.

    Hohmann war viele Jahre auf der Wiesn, baut "Magic" bis heute auf verschiedenen Volksfesten in München, Rosenheim oder Regensburg auf. Allein das für den Tüv nötige Gutachten koste voraussichtlich einen fünfstelligen Betrag, sagt er. Für die Nachrüstung kämen Zigtausende Euro dazu. "Ich kann mich nur entscheiden: Verschrotte ich gleich - oder erst nach dem Gutachten", sagt der 66 Jahre alte Schausteller. Es gebe freilich noch einen anderen Weg, sagt Hohmann. "Verkaufen - ins Ausland." Wo keine DIN-Normen gelten und die zugrundeliegenden EU-Vorschriften für ältere Geschäfte großzügiger umgesetzt wurden. 

    Die Regelungen treffen Hunderte von Hohmanns Kollegen in Deutschland - sie schauen nun auf das Verfahren in München. Es geht um Fliegende Bauten, für die die bauaufsichtlichen Prüfungen und Genehmigungen weitgehend bundesweit harmonisiert sind. In Freizeitparks fest aufgestellte Fahrgeschäfte müssen, auch wenn sie genau baugleich sind, den neuen Normen nicht genügen. Derzeit sind die Bauminister der Länder dabei zu prüfen, ob die derzeit befristeten Genehmigungen für betroffene Fahrgeschäfte entfristet werden können - und damit das Problem aus der Welt geschafft werden kann. 

    Für viele Schausteller gehe es um die berufliche Existenz - und ohne Karussells leide die Tradition auf den Volksfesten, warnen die Schausteller. Was für Oldtimer auf der Straße gilt, wollen sie auch für ihre Fahrgeschäfte. "Ich muss kein ABS in einen Oldtimer von 1950 einbauen", sagt Hohmanns Anwalt Karl Jusek.

    Teils geht es bei der Norm um Schweißtechniken, die es beim Bau mancher Geschäfte noch gar nicht gab, teils um die Verstärkung von Auslegern und Fahrgastträgern. Kettenkarussells müssen inzwischen teils für Fahrgäste bis 130 Kilogramm ausgelegt sein - früher waren es 100 Kilogramm. Die dicker werdende Menschheit schlägt sich auch in den DIN-Normen nieder. 

    Betreiber hatte keinen einzigen Unfall mit seinen "Magic"- Gondeln

    In bunten Gondeln wirbeln die "Magic"-Fahrgäste im Kreis. Sicher, wenngleich nicht DIN-geprüft. Er habe in 45 Jahren mit unterschiedlichen Karussells keinen einzigen Unfall gehabt, sagt Hohmann. Doch das reicht dem Tüv nicht. "Es geht darum, dass keiner rausfällt aus dem Fahrgeschäft. Es geht schlichtweg um die Sicherheit für Nutzer", sagt der Anwalt des Tüv, Klaus Hoffmann. 

    "Sie können sich sicher sein, dass der Weg zum Volksfest viel gefährlicher ist als dann die Fahrt im Karussell", entgegnet Frank Hakelberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes. Und sein Kollege Werner Hammerschmidt vom Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute sagt: "Die deutschen Fahrgeschäfte gehören zu den sichersten der Welt."

    Wie alle vor 2004 gebauten Fahrgeschäfte wurde "Magic" bisher regelmäßig nach deutschen technischen Vorgaben vom Tüv geprüft, ob es sicher ist und in Betrieb gehen darf. Dann wurde die europäische Norm EN 13841 mit erhöhten Sicherheitsanforderungen beschlossen. Sie erlaubt Ausnahmen bei älteren Fahrgeschäften. Andere Länder hätten diese Wertung des europäischen Normgebers auch übernommen - nur Deutschland habe einen Sonderweg beschritten und beharre auf den höheren Anforderungen, sagen Hakelberg und Hammerschmidt. 

    Das Oktoberfest wird künftig ohne das "Magic"- Fahrgeschäft auskommen müssen

    In Niedersachsen gab es schon einen Rechtsstreit. Vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg verlor ein Achterbahn-Betreiber nach einem Etappensieg vor dem Verwaltungsgericht letztlich, das Gericht sah die Norm als verhältnismäßig an. In München soll nächste Woche das Urteil mitgeteilt werden. Eduard Hohmann betrifft es nicht mehr: Er hat "Magic" gerade verkauft. "Es geht nächste Woche nach Köln."

    Mit welchem Urteil in München zu rechnen ist, lässt sich ahnen: Anordnung ist Anordnung, sagte Richter Hans-Joachim Dösing. Er zieht den Vergleich zu medizinisch-psychologischen Untersuchungen, die der Tüv durchführt. Da sei auch klar: "Wenn ich den Prüfbericht vom Tüv nicht bringe, dann kriege ich halt meinen Führerschein nicht."  dpa

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