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Wunsiedel: Dumm gelaufen: Nazis spenden versehentlich für Aussteiger-Programm

Wunsiedel

Dumm gelaufen: Nazis spenden versehentlich für Aussteiger-Programm

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    Dumm gelaufen: Mit ihrem sogenannten "Heldengedenken" im oberfränkischen Wunsiedel haben gut 250 Neonazis am Wochenende für ein Nazi-Aussteigerprogramm gespendet.
    Dumm gelaufen: Mit ihrem sogenannten "Heldengedenken" im oberfränkischen Wunsiedel haben gut 250 Neonazis am Wochenende für ein Nazi-Aussteigerprogramm gespendet. Foto: Screenshot/AZ

    Das nennt man dann wohl dumm gelaufen: Mit ihrem sogenannten "Heldengedenken" im oberfränkischen Wunsiedel haben gut 250 Neonazis am Wochenende für ein Nazi-Aussteigerprogramm gespendet.

    Die Rechtsextremisten wurden bei ihrem Aufmarsch nämlich auf den "unfreiwilligsten Spendenlauf Deutschlands" geschickt. Mit jedem Meter, den die Rechtsradikalen auf ihrem Marsch durch Wunsiedel zurücklegten, flossen zehn Euro auf ein Spendenkonto zugunsten der Initiative "EXIT-Deutschland", die sich um Aussteiger aus der Neonazi-Szene bemüht. Davon erfuhren die Teilnehmer des Aufmarsches allerdings erst, nachdem sie schon unterwegs waren.

    Dabei passierte der "Trauermarsch", zu dem die rechtsextremistische Partei "Der Dritte Weg" aufgerufen hatte, zahlreiche Transparente mit ironischen Kommentaren wie "Im Spendenschritt Abmarsch" oder "Endspurt statt Endsieg". Angeboten wurde sogar "Marschverpflegung": Bananen, eingewickelt in eine Banderole mit der Aufschrift "Mein Mampf".

    Am Ende der Aktion stand eine Summe von 10.000 Euro, für die sich die Initiatoren nicht nur bei den tatsächlichen, sondern auch bei den "unfreiwilligen Spendern" brav bedankten: "Danke, liebe Neonazis", hieß es noch während der laufenden Veranstaltung auf der eigens eingerichteten Homepage "www.rechts-gegen-rechts.de".

    Die Aktion war unter anderem vom Bündnis "Wunsiedel ist bunt nicht braun" und der Projektstelle gegen Rechtsextremismus in Bad Alexandersbad vorbereitet worden. "Damit wird das Anliegen der Neonazis konterkariert", sagte der evangelische Wunsiedler Pfarrer Jürgen Schödel als einer der Mitveranstalter. "Denn bei ihrem Marsch merken die Rechtsextremisten, dass sie damit eigentlich Geld für die Aussteigerhilfe sammeln."

    Wunsiedel protestiert kreativ gegen Nazis

    Allerdings verweist Schödel auch auf den ernsthaften Hintergrund des Protests: Bei der angeblichen "Heldenverehrung" gehe es tatsächlich um Kriegstreiber und Massenmörder aus der Geschichte. "Und es sind menschenverachtende geistige Brandstifter aus der Gegenwart, die durch ihre Umtriebe für reale Brandstiftung, Mord und Totschlag bis hin zum rechtsextremen NSU-Terrorismus verantwortlich sind."

    Der kreative Protest gegen Neonazis hat in Wunsiedel durchaus Tradition. Über Jahre hinweg hatte die rechtsradikale Szene die kleine Stadt regelmäßig in eine Art Geiselhaft genommen, wenn dort mit Kundgebungen und Aufmärschen mit bis zu 4.000 angereisten Teilnehmern der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß (1894-1987) als "Märtyrer" gefeiert wurde. Nach seinem Tod im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau war Heß im Familiengrab auf dem Friedhof der Fichtelgebirgsstadt beigesetzt worden.

    Die Heß-Gedenkmärsche wurden 2008 durch ein höchstrichterliches Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gestoppt. Beim alljährlichen "Heldengedenken" gehört es deshalb ausdrücklich den Auflagen, dass die Namen von Kriegsverbrechern wie Rudolf Heß oder Erich Priebke (1913-2013) nicht genannt werden dürfen. AZ, epd

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