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Mode: Ein Leben für die Lederhose

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Ein Leben für die Lederhose

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    Wiesn-Besucher stehen am Samstag (17.09.2011) in München (Oberbayern) auf dem Oktoberfest am Eingang zum Hacker-Festzelt.
    Wiesn-Besucher stehen am Samstag (17.09.2011) in München (Oberbayern) auf dem Oktoberfest am Eingang zum Hacker-Festzelt. Foto: Felix Hörhager dpa/lby

    Kirchanschöring So sieht er also aus, der Ort, der für die handgemachte Lederhose steht. Der Gegenentwurf zur Billigware in Fernost. Es wirkt wie ein Stück Bilderbuch-Bayern, das Dorf im ostbayerischen Voralpenland, ein paar Kilometer vor der Grenze zu Österreich: Hinten die Berge, die Almen und der blaue Himmel, vorne die Kirche und der Dorfplatz der 3500-Einwohner-Gemeinde Kirchanschöring.

    Hier, in der Dorfmitte, steht die Meindl-Manufaktur. Seit elf Generationen macht die Familie in Leder. 1683 wird Schuhmacher Petrus Meindl erstmals urkundlich erwähnt, 1935 schneidert Lukas Meindl die erste Lederhose. Fast 500 Mitarbeiter im Ort fertigen heute Ledermode und Schuhe. Die meisten davon arbeiten allerdings für den anderen Meindl. Für den am anderen Ende des Dorfs, der Berg- und Wanderschuhe herstellt. Vor zehn Jahren hat sich die Familie entschieden, die Schuhe von der Kleidung zu trennen. „Wir haben uns nicht zerstritten“, sagt Markus Meindl, der Lederhosen-Meindl, der die Firma gemeinsam mit dem Vater führt. Dass die Firma der beiden Cousins die bekanntere ist, stört ihn nicht. „Wir profitieren doch voneinander“, sagt der 41-Jährige.

    Natürlich profitiert Meindl auch vom Trend zur Tracht. Seit nicht nur auf der Wiesn, sondern auch auf Geburtstagen und Hochzeiten Lederhose und Dirndl getragen werden und selbst Asiaten die Tracht für sich entdeckt haben, kommt die Firma kaum noch nach. Zehntausend Lederhosen gehen jedes Jahr von Kirchanschöring in die Welt.

    Wer jetzt eine Lederhose bestellt, wartet acht Monate oder mehr. „Wir können die Produktion nicht beliebig hochfahren.“ Schließlich wird eine Meindl von Hand gemacht. Und das braucht Zeit. Leder aus Hirsch, Reh, Lamm oder Ziege wird nach alter Tradition mit Dorschtran gegerbt, ganz ohne Chemie. Nur ein paar Gerbereien in Österreich beherrschen das langwierige Verfahren. In der Werkstatt, die direkt über dem Laden liegt, werden die Felle zugeschnitten, genäht und in Heimarbeit bestickt. Eine Tradition, die immer weniger Frauen in Oberbayern beherrschen.

    60 Stunden Handarbeit stecken im teuersten Meindl-Modell, das 2500 Euro kostet. Seine Kunden, sagt Meindl, sind bereit, für den Unterschied zu zahlen. Natürlich, räumt er ein, müsse auch er auf Lohnfertigung in Kroatien und Ungarn zurückgreifen. „Das brauchen wir für die Menge.“ Diese „europäische Wertarbeit“ habe aber nichts mit der Massenware aus Fernost gemein. „An diesen Hosen stimmt nichts. Aber woher soll ein Pakistani oder Inder auch wissen, wie eine bayerische Lederhose gemacht wird.“ Im Grunde sei das doch nichts anderes als die Aufbacksemmel von der Backkette um die Ecke. Er aber will der alteingesessene Qualitätsbäcker sein, der mit dem handgemachten Sauerteigbrot.

    Unten, im Laden, bleibt Meindl vor der Wand stehen, wo die erste Lederhose des Großvaters hängt. „Fühlen Sie doch mal, wie weich das ist!“ Er gerät ins Schwärmen – über den ganzen Hirschen, den es dafür braucht, und darüber, dass so eine Krachlederne mit der Zeit immer wertvoller wird. „So eine indische Hose wird nie einen Wert haben.“

    Meindl spricht von Geschichte, von 300 Jahren gelebter Kultur und von der prominenten Kundschaft, die in Kirchanschöring ein- und ausgeht. Arnold Schwarzenegger, der gute Freund der Familie, etwa oder die Spieler des TSV 1860 München. Mit der Tracht des FC Bayern dagegen geht er hart ins Gericht. „Das ist, als würde man mit einem Kia durch die Gegend fahren.“ Privat, verrät Meindl, kaufen sich die Bayern-Spieler etwas „Gscheites. Was, das können Sie sich denken!“

    Meindl fertigt nicht nur Motorradbekleidung für BMW und eine Kollektion für Porsche, sondern auch Mäntel und Lammfelljacken. In die angestaubte Trachtenecke will er sich nicht stellen lassen. „Wir sind nicht provinziell und bieder.“ Er streicht über den Blazer, den er über dem hellen Hemd trägt. Hirschleder, handgefärbt, futterlos verarbeitet. Für seine Zielgruppe hat er ein neues Wort erfunden, den „Gebirgsstädter“ – jemand, der in der Stadt lebt, aber auch naturverbunden ist, der Qualität schätzt und sich von der Masse abgrenzen will.

    Der Juniorchef selbst hat nie darüber nachgedacht, den Ort zu verlassen. Hier ist er aufgewachsen, hier saß er als Kind schon hinter der Nähmaschine. Meindl schätzt das Leben in der ländlichen Idylle. Von seinem Haus aus blickt er auf das nahe Salzburg. Vor wenigen Tagen ist seine Tochter zur Welt gekommen. In Kirchanschöring hat Leder Tradition. Vielleicht auch in der zwölften Generation.

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