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Film: Eine etwas andere Geschichte über die Willkommenskultur

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Eine etwas andere Geschichte über die Willkommenskultur

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    Hildegard und Erwin haben sich in ein Gasthaus verirrt und fragen sich hier noch unter dem Tisch, wie sie da wohl „heil“ wieder rauskommen.
    Hildegard und Erwin haben sich in ein Gasthaus verirrt und fragen sich hier noch unter dem Tisch, wie sie da wohl „heil“ wieder rauskommen. Foto: Herr Müller

    „Wandern? Was ist das?“, fragt Syrer Karim auf dem Waldweg irgendwo im Dachauer Land. Der Württemberger Erwin antwortet schwäbelnd: „Na, laufen. Halt so wandern. So wie hier. Nur ohne Flucht.“ Sie gehen weiter und weiter. Ihr Plaudern mündet in einen kleinen Deutschkurs: „Ich wandere, du wanderst, er, sie, es wandert...“

    Es ist das Ende des Kurzfilms „Die Herberge“. Er erzählt eine Geschichte, wie sie sich im Sommer 2015 ganz ähnlich in Bayern tatsächlich zugetragen hat (dazu später). Ein Paar, so um die 60, hat sich im fremden Bayern beim Wandern in ein kleines Dorf verirrt. Er heißt Erwin (dargestellt von Christian Schneller), seine Begleiterin Hildegard (Hede Beck). Im verwaisten Dorfgasthaus begegnen die hungrigen Schwaben Ahmad, Sinan und Karim. Sie nehmen Platz, schauen sich fragend an, tuscheln ängstlich unter dem Tisch. Was ist da los?

    Verkehrte Welt in Oberbayern?

    Aber dann wird ihnen, ohne es bestellt zu haben, eine üppige orientalische „Brotzeit“ mit Toastbrot sowie Tee statt der gewünschten Weißweinschorle serviert. Hildegard kann es nicht fassen: „Des werd bestimmt ned günschtig.“ Erst als Erwin bezahlen will und Karim ihn empört zurückweist, dass sie doch Gäste seien und Gäste nichts bezahlen dürfen, wird ihnen bewusst, dass das Gasthaus kein Gasthaus mehr ist. Sie sind zu Gast bei Asylbewerbern. Am Ende sind es die Flüchtlinge, die sie durch den Wald zurück auf den richtigen Weg führen. „Wir sind ja hier daheim.“ Verkehrte Welt in Oberbayern?

    Die Filmemacherinnen Sanne Kurze (Kamera und Produktion), Ysabel Fantou (Buch und Regie) und Barbara Lackermeier (Produktion und Regieassistenz) haben diese Willkommenskultur für Deutsche im eigenen Land mit feinem Humor in Szene gesetzt, um im kommenden Wahljahr einen gesellschaftlichen Akzent gegen Fremdenfeindlichkeit setzen zu können, wie sie sagen.

    Vier Tage lang haben sie rund um Erdweg bei Dachau gedreht, mit professionellen Schauspielern und einem großen, fast 40-köpfigen Team. Alle haben auf ihre Gage verzichtet, bis die Finanzierung dieses Projektes steht. Auch Samir Fuchs (Karim) und Yassin el Harrouk (Ahmad), die beide 2014 in der Münchner „Tatort“-Folge „Wüstensohn“ Hauptrollen gespielt haben. Ysabel Fantou hofft über ein Crowdfunding (deutsch: Schwarmfinanzierung) im Internet so viele Geldgeber zu finden, damit alle Beteiligten bald die versprochenen 100 Euro pro Drehtag bekommen und sogar noch eine Spende für den Verein Lichterkette München, der sich für Völkerverständigung engagiert, übrig bleibt.

    Eigentlich sind es zwei Filme, die Anfang kommenden Jahres endgültig fertiggestellt sein sollen: Eine Langversion (7 Minuten), die auf Festivals, in Kinos, möglichst auch in Schulen gezeigt werden soll, und ein 45-Sekunden-Spot, der sich vor allem im Internet verbreiten soll.

    Eine wahre Geschichte steckt dahinter

    Welche wahre Geschichte steckt nun dahinter? Es war die Begegnung einer Karlsruherin und ihres Lebensgefährten, die im Sommer 2015 während einer Paddeltour auf dem Obermain ziemlich ausgehungert und erschöpft vor der zugemauerten Tür des Brauerei-Gasthofes Hennemann in dem kleinen Dorf Unterleiterbach an der Bahnstrecke Bamberg–Lichtenfels standen. Ein Mann am Fenster schickte sie zum Hintereingang. Im Haus trafen sie unter anderem auf den syrischen Rechtsanwalt Kawi Sulaman, der ein Jahr nach seiner Flucht schon recht gut Deutsch sprach und hier unbedingt Polizist werden will. Bei ihm und seinen Mitbewohnern erlebten sie die an diesem Ort überraschende Gastfreundschaft von Asylbewerbern – so wie im Film Erwin und Hildegard.

    Wer sich an der Finanzierung des Filmes noch beteiligen will, kommt über die Internetseite des Films www.dieherberge.de zum Crowdfunding, das am 15. Dezember beendet werden soll.

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