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München: Erzieher leinen zweijährigen Jungen wie einen Hund an

München

Erzieher leinen zweijährigen Jungen wie einen Hund an

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    Eine Münchner Kinderkrippe steht in der Kritik, nachdem Erzieher einen Jungen mit einer Leine angebunden hatten.
    Eine Münchner Kinderkrippe steht in der Kritik, nachdem Erzieher einen Jungen mit einer Leine angebunden hatten. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolbild)

    Werner Eitle ist fassungslos. Er kann nicht glauben, was da passiert ist: Ein kleiner Bub wurde von seinen Erziehern mit einer Hundeleine an einen Baum gebunden. Offenbar, weil er nicht hören wollte. „Das ist einfach unmöglich. Da brauchen wir gar nicht diskutieren“, sagt Eitle, selbst Pädagoge, Kinder- und Jugendpsychotherapeut und Leiter der Dillinger Fachakademie für Sozialpädagogik, wo Erzieher ausgebildet werden.

    Der Fall, der deutschlandweit Schlagzeilen macht, spielt im Münchner Stadtteil Trudering. Die 16 Krippenkinder unternahmen mit ihren fünf Betreuern einen Ausflug in einen Bergtierpark. Während die anderen Knirpse in der Sonne saßen und Brotzeit machten, musste eines der Kinder, ein zweijähriger Bub, ein Stück weit entfernt alleine warten – angebunden wie ein Hund. Die Leine habe eine Erziehering zufällig bei sich getragen. Passiert ist das alles bereits im Juni, aber erst jetzt wurde der Vorfall bekannt.

    „Das Kind wurde seine Freiheitsrechte beraubt“, sagt Eitle. „Das sind ja Zustände wie im Mittelalter.“ Mit qualitativer Betreuung habe das Verhalten der Erzieher nichts zu tun. Vielmehr hätten sich die Betreuer um den Jungen intensiv kümmern, ihn an die Hand nehmen müssen. Die Erzieher, sagt Eitle, hätten versuchen müssen, herauszufinden, warum der Bub so bockig ist. „Dafür muss man mit dem Kind reden“, sagt er. Wenn das alles nichts gebracht hätte, dann hätte man den Ausflug für das Kind beenden müssen und mit den Eltern des Kindes sprechen müssen, meint Eitle.

    Für ihn ist die Geschichte ein handfester Skandal. Durch das Anbinden könnte ein Trauma entstehen, das zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden muss. „Das hängt natürlich immer vom Kind ab“, sagt Eitle. Im besten Fall habe der Bub seine Freiheitsberaubung spielerisch aufgegriffen. „Das wäre das Positivste – ich glaube es aber nicht“, sagt der Experte.

    Krippe veröffentlicht Stellungnahme zum Vorfall

    Auf ihrer Internetseite hat die private Kinderkrippe eine Stellungnahme veröffentlicht. „Hier ist klar ein Fehler unsererseits passiert, der nicht hätte geschehen dürfen“, heißt es dort. Und weiter: „Zumindest hätten die Eltern vorab um Erlaubnis gefragt bzw. unmittelbar hinterher informiert werden müssen.“ Das Personal habe aber zur Sicherheit des Kindes gehandelt. Weitere Angaben will die Einrichtung nicht machen.

    „Denn zum besseren Verständnis müssten wir auch Details über das Kind, seine individuellen Eigenheiten und unsere Erfahrungen mit dem Buben nennen.“ Die Eltern haben das Kind inzwischen aus der Einrichtung genommen und einem außergerichtlichen Vergleich zugestimmt.

    Der Fall beschäftigt auch Manuela Ballmann von der Landesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen in Bayern, dem Dachverband für Elterngruppen, die als Träger von Betreuungseinrichtungen tätig sind. Besonders irritiert sei sie davon, dass so etwas passiere, obwohl so viele Betreuer dabei waren. „Ich glaube wirklich, dass sie kein Gefühl dafür hatten, dass das falsch ist“, sagt sie.

    Das Verhalten der Erzieher ist für sie ein „No-Go“. „Es muss andere Wege geben. Und wenn ich zu einem Kind eine gute Bindung habe, dann macht es auch das, was ich sage“, meint sie. Ballmann, die selbst in einem Kindergartenverein ist, hält auch nichts davon, wenn Eltern ihre Kinder mit einer Sicherheitsleine durch die Stadt führen. „Auch das ist Quatsch. Man braucht das nicht.“

    Erzieher sind weiter in der Krippe beschäftigt

    Die Einrichtung in Trudering habe nicht den besten Ruf, fährt Ballmann fort. Sie habe von Eltern gehört, die nach vier Tagen Eingewöhnungsphase die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätten. Auch das zuständige Referat für Bildung und Sport sei schon einmal informiert worden.

    Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigte das Referat, dass es im Jahr 2012 eine Beschwerde gegeben hat. Der Träger der Einrichtung habe eine Elternumfrage aus dem Jahr 2012 vorgelegt, laut der über 90 Prozent der Eltern mit der Einrichtung zufrieden gewesen seien, äußert sich Christina Warta vom Referat für Bildung und Sport in einer schriftlichen Stellungnahme.

    „In den darauffolgenden Jahren bis zum aktuellen Vorfall sind keinerlei Beschwerden oder Kritik zu dieser Einrichtung vorgetragen worden“, heißt es. Den aktuellen Fall nehme man sehr ernst. Der Träger müsse – wie auch 2012 – dazu Stellung nehmen und ein Lösungskonzept vorlegen.

    Welche Konsequenzen den Erziehern nun drohen, darüber gibt es bislang noch keine Auskünfte. Das Personal sei noch in der Krippe beschäftigt, heißt es in der Stellungnahme auf der Internetseite der Einrichtung. „Wenn jemand jahrelang gute Arbeit leistet, was unsere Eltern in der Vergangenheit immer wieder bestätigt haben, dann muss man nicht zum Äußersten greifen, wenn jemand einen Fehler macht und diesen zudem bereut.“ mit dpa

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