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Ettringen: Geplantes Heizkraftwerk spaltet ein Dorf

Ettringen

Geplantes Heizkraftwerk spaltet ein Dorf

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    Demonstration in Ettringen.
    Demonstration in Ettringen.

    Ettringen (dpa/lby) - In Ettringen im Unterallgäu wird in diesem Jahr kein Maibaum aufgestellt. Als Protest gegen die Spaltung der Dorfgemeinschaft hat sich der örtliche Trachtenverein gegen diesen Brauch entschieden, der alljährlich mit einem großen Fest verbunden ist.

    "Der Unfrieden in der Gemeinde macht zur Zeit gemeinsames Feiern unmöglich. Der Streit um das geplante Heizkraftwerk hat den Ort in zwei Lager geteilt", sagt Bürgermeister Robert Sturm. Es sind die Pläne der ortsansässigen Papierfabrik Lang, die seit über einem Jahr für Unruhe in der 3500-Seelen-Gemeinde sorgen. Das Unternehmen will ein großes Heizkraftwerk errichten, viele Bürger befürchten dadurch eine Gefährdung ihrer Gesundheit und der Umwelt.

    Die Papierfabrik, mit 550 Angestellten größter Arbeitgeber am Ort, will auf firmeneigenem Gelände bis 2012 eine neue Anlage errichten. Geplant sind ein Gas- und ein Reststoffkessel, in denen der zur Papierherstellung benötigte Dampf sowie Strom erzeugt werden sollen.

    Vor allem der 55-Megawatt-Reststoffkessel, in dem auch Industrieabfälle verbrannt werden sollen, ist den Kraftwerksgegnern ein Dorn im Auge. "Hier soll Müll im großen Stil verbrannt werden. Müll, der zum Teil aus dem Ausland hergefahren wird. Mit ökologischer Energieerzeugung hat das nichts zu tun", sagt Joachim Herbold, Vorstandsmitglied des Vereins "Gesundes Wertachtal".

    Vor einem Jahr schlossen sich die Mitglieder von sieben Bürgerinitiativen in dem Verein zusammen, um ihre Interessen besser vertreten zu können. Denn nicht nur in Ettringen sei der Widerstand groß. Die geplante Anlage mit einer Verbrennungsmenge von rund 400 000 Tonnen pro Jahr sei eine "schwere Hypothek für die gesamte Region", sagt Herbold. "Schon im Interesse unserer Kinder können wir nicht akzeptieren, dass hier die drittgrößte Abfallverbrennungsanlage Bayerns gebaut wird."

    Trotz des spürbaren Widerstands hofft der Bürgermeister, dass nach dem 7. Juni in seiner Gemeinde wieder etwas Ruhe einkehrt. Am Tag der Europawahl sollen die knapp 2500 Wahlberechtigten von Ettringen in einem Bürgerentscheid über das weitere Vorgehen auf dem Gelände der Papierfabrik abstimmen. Ein entsprechendes Bürgerbegehren einer örtlichen Initiative mit mehr als 800 gültigen Unterschriften war nach Angaben des Gemeindechefs zulässig.

    Mit dem Bürgerentscheid wollen die Kraftwerksgegner für das Firmengelände, auf dem das umstrittene Werk errichtet werden soll, einen Bebauungsplan mit einer Veränderungssperre erzwingen.

    "Ein Erfolg des Bürgerentscheids würde das Aus für das Projekt bedeuten", sagt Thomas Krauthauf, Leiter der Papierfabrik Lang. Ein Bebauungsplan sei ein komplizierter Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt. "Diese Zeit haben wir nicht mehr. Aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten haben wir unsere Schweröl-Anlage abgemeldet. Ohne die neue Anlage hätten wir ab 2012 eine Versorgungslücke."

    Sollte der Bau des Heizkraftwerks tatsächlich verhindert werden, wäre das Unternehmen nur noch schwer konkurrenzfähig, sagt Krauthauf. Damit wären Arbeitsplätze und in letzter Konsequenz sogar der gesamte Standort gefährdet.

    Um die Gemüter zu beruhigen, hat die Gemeinde nach Angaben des Bürgermeisters mit dem Unternehmen über Projektdetails verhandelt. "Die Firma Lang ist uns schließlich entgegen gekommen und hat ihre ursprünglichen Pläne geändert." Unter anderem habe sich das Unternehmen bereit erklärt, die Menge der Ersatzbrennstoffe von 150.000 Tonnen pro Jahr um 40 Prozent zu reduzieren.

    Der Widerstand der Bevölkerung ist jedoch geblieben. Auch gegen die geänderten Pläne haben nach Auskunft des Landratsamtes Unterallgäu zahlreiche Bürger ihre Bedenken schriftlich formuliert. Insgesamt seien rund 7400 Einwendungen eingegangen. Ein Erörterungstermin sei Ende Mai geplant.

    Herbold wertet die hohe Zahl der Einwendungen als "deutliches Nein der Region" gegen die Pläne der Firma Lang. Die Bürgerinitiativen wollen deshalb weiterkämpfen, bis das Unternehmen eine umweltverträgliche Lösung für eine neue Anlage vorlegt. "Vorher wird es hier keinen Frieden geben", ist Herbold überzeugt.

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