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Berchtesgaden: Grab-Gewinner freuen sich über ihr Losglück

Berchtesgaden

Grab-Gewinner freuen sich über ihr Losglück

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    Auf diesem Friedhof in Berchtesgaden wurden Gräber per Los vergeben.
    Auf diesem Friedhof in Berchtesgaden wurden Gräber per Los vergeben. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)

    Es gibt Sätze, die klingen einfach ein wenig merkwürdig. Etwa dieser: Sieglinde Skriwan ist die glückliche Gewinnerin eines Grabes. Es ist aber nicht nur dieser eine Satz, der einen stutzen lässt. Die ganze Geschichte, die dahinter steckt, ist höchst ungewöhnlich.

    Von Anfang an: Während Lottospieler am Mittwoch vom Millionengewinn träumten, hofften Lotterie-Teilnehmer in Berchtesgaden auf ein Grab. Der Ort in Oberbayern vergab die rund 200 freien Plätze auf dem Alten Friedhof per Los, weil sie extrem begehrt sind. Mit der Verlosung wollte die Kommune gleiche Chancen für alle schaffen. 280 Menschen hatten sich beworben – und das Los der 53-jährigen Sieglinde Skriwan wurde als erstes gezogen. „Warum soll man sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen? Das gehört zum Leben dazu“, findet sie.

    Skriwan und ihr Mann wählten ein Grab in der Nähe der Ruhestätte des Onkels ihres Mannes, unter einem Baum. Und – für spätere Besucher – mit schöner Aussicht. Weil die Plätze in der Reihenfolge der Ziehung vergeben wurden, verpasste manch einer allerdings sein Traumgrab. „Den Platz wollte eigentlich ich“, klagte ein älterer Herr bei der Verlosung, als ein bestimmtes Grab vom Belegungsplan weggestrichen wurde.

    Auf den meisten Friedhöfen sind leere Gräber ein Problem

    Die Gräber-Lotterie erregte eine riesengroße Aufmerksamkeit. Sogar ein arabischer Nachrichtensender hatte ein Team nach Berchtesgaden geschickt. Die Aktion ist vor allem auch deswegen ungewöhnlich, weil die meisten Friedhöfe vor einer ganz anderen Herausforderung stehen. „Leere Gräber werden immer mehr zum Problem“, sagt Jörg Freudensprung, Geschäftsstellenleiter des Bestatterverbands Bayern. Der Grund für diesen Trend: Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Urnenbeisetzung.

    Auch in Augsburg zeigt sich das: 2017 gab es auf den neun städtischen Friedhöfen rund 800 Erdbestattungen und mit 1500 deutlich mehr Urnenbeisetzungen. Da wesentlich mehr Gräber aufgelöst als neu erworben wurden, sind fast 9400 der knapp 48.000 frei. Freudensprung zufolge ist das eine bundesweite Entwicklung. Das liege an einem Wandel der Gesellschaft, in der Großfamilien seltener werden und Kinder in andere Städte ziehen. „Wenn der Sohn in Hamburg wohnt, kann er sich nicht um das Grab der Mutter in Augsburg kümmern – und wird sich eher für einen pflegeleichten Urnenplatz entscheiden“, sagt Freudensprung.

    Dass der Trend zur Urnenbestattung geht, zeigt sich auch in München. 2017 wurden von den städtischen Friedhöfen rund 3800 Sargbestattungen durchgeführt – und etwas mehr als 7100 Urnenbeisetzungen. Und wie auch in Augsburg gibt es noch viele ungenutzte Ruhestätten: Rund 51.000 Gräber sind nach Angaben des Referats für Gesundheit und Umwelt frei. In Neu-Ulm ist die Situation eine ähnliche. Auf den neun Friedhöfen der Stadt, wo derzeit rund 5500 Gräber belegt sind, gibt es noch viel Platz. „Rund die Hälfte der zur Verfügung stehenden Flächen ist derzeit nicht genutzt“, teilt die Sprecherin der Stadt, Sandra Lützel, mit.

    Für viele Gemeinden sind leere Gräber eine wirtschaftliche Belastung, da die Gebühren die Kosten nicht mehr decken. Freudensprung vom Bestatterverband Bayern fordert daher einen anderen Umgang mit Friedhöfen: „Wie bei Parks oder Spielplätzen müssen wir von der Erwartung wegkommen, dass sie kostendeckend sein sollen.“ Da Friedhöfe als Ort zum Trauern eine gesellschaftliche Funktion erfüllten, könnten sie auch vermehrt durch Steuergelder finanziert werden.

    Wegen Mehrfachbewerbungen blieben bei der Verlosung 85 Gräber übrig

    Und warum wurden in Berchtesgaden entgegen dem allgemeinen Trend nun die Gräber knapp? „Es gibt Orte, an denen hätte man nach heutigen Maßstäben nie einen Friedhof bauen dürfen“, sagt Freudensprung. Der Boden sei dort nicht für die geforderte schnelle Verwesung geeignet, sodass diese Friedhöfe gesperrt werden mussten.

    Auf dem Friedhof in Berchtesgaden war genau das der Fall: Zwischen 1972 und 1986 musste auf den Friedhof im benachbarten Schönau am Königssee ausgewichen werden. Danach waren nur Bestattungen für Familien zugelassen, die schon ein Grabrecht hatten. Da sich nun wieder eine Gelegenheit bot, auf dem Alten Friedhof beerdigt zu werden, hatten manche Familien sich gleich mit drei, vier, oder acht Leuten beworben.

    Am Ende blieben wegen der Mehrfachbewerbungen sogar 85 Gräber übrig, wie Anton Kurz, Geschäftsführer bei der Gemeinde, sagte. „Ich glaube, dass der Großteil die Grabstelle bekommen hat, die er sich gewünscht hat.“ (mit dpa)

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