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Nürnberg-Fürth: Mann (28) in U-Bahnhof erstochen - Täter sieht sich als Opfer

Nürnberg-Fürth

Mann (28) in U-Bahnhof erstochen - Täter sieht sich als Opfer

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    Am 1. Februar 2015 ist ein Mann an einem Fürther U-Bahnhof niedergestochen worden. Drei junge Männer stehen nun vor Gericht.
    Am 1. Februar 2015 ist ein Mann an einem Fürther U-Bahnhof niedergestochen worden. Drei junge Männer stehen nun vor Gericht. Foto: Grundmann dpa Archivbild

    Zu seinem 18. Geburtstag bekam er neben einem Schlagstock auch ein Messer geschenkt - eineinhalb Jahre später wurde das Geschenk zur Tatwaffe: Mit der sieben Zentimeter langen Klinge tötete der junge Mann einen Menschen. "Ich habe während der Stiche keinen Widerstand gefühlt. Ich hab' einfach nur noch schwarz gesehen und war wie in einem Tunnel", sagt der mittlerweile 20-Jährige beim Prozessauftakt am Dienstag. "Ich habe mich gewehrt. Aus Angst habe ich wild um mich gestochen. Ich habe mich eher als Opfer gefühlt." 

    28-Jähriger in Fürth erstochen - Angeklagter erscheint in Jogginghose

    In Jogginghose und Trainingspullover erscheint er gut acht Monate nach der Tat vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Sein Gesicht verbirgt er vor den Fotografen penibel hinter einem Ordner. Die jüngeren beiden Mitangeklagten tragen Hemd und Jeans. Gemeinsam sollen sie einen 28-Jährigen im Streit an einem Fürther U-Bahnhof zusammengeschlagen haben. Dann kam es zu den tödlichen Messerstichen.

    Dem Hauptangeklagten drohen wegen Totschlags bis zu zehn Jahre Haft. Sollte das Erwachsenenstrafrecht angewandt werden, kann die Strafe höher ausfallen. Seinem 18 Jahre alten Bruder sowie einem 17-Jährigen wird schwere Körperverletzung vorgeworfen.

    An das Messer in seiner Hosentasche habe er sich während der Auseinandersetzung mit dem späteren Opfer "plötzlich erinnert", sagt der Gleisbauer in Untersuchungshaft. Es sei nur in der Hose gewesen, da er am Mittag ein Paket damit geöffnet und es danach eingesteckt habe. Ansonsten habe er damit immer nur kleinere Renovierungsarbeiten erledigt. 

    Viel Alkohol, Provokationen und mangelnde Selbstbeherrschung

    Nach Aussage der drei Angeklagten gab es in der Tatnacht viele Premieren: der erste Wodka-Rausch, die erste Prügelei. Später am ersten Prozesstag kommt heraus, dass der mitangeklagte Bruder schon in der Nacht zuvor aus einer Diskothek geflogen sein soll. "Ich bin ein Mensch, ich bin aggressiv. Wenn einer zu mir Ausdrücke sagt, dann gehe ich nicht, sondern sage Ausdrücke zurück. Das ist eine Schwäche von mir", gab der 18-Jährige bei einer Vernehmung nach der Tat zu Protokoll. 

    Mit 2,23 Promille soll der Auszubildende der Auslöser für die Schlägerei gewesen sein. Nach einer Party sei man betrunken auf dem Weg zur U-Bahn unterwegs gewesen, erzählt der mutmaßliche Messerstecher. Im Vollrausch sei sein torkelnder Bruder dann auf die Freundin des späteren Opfers gestolpert. Daraufhin sei er von dem Mann mit Schlägen und Ausdrücken provoziert worden.

    Brutale Angriffe im öffentlichen Nahverkehr

    August 2014: Auf dem Weg zum Franken-Derby nach Fürth wirft ein 23 Jahre alter Fußball-Fan einen Feuerlöscher auf die Frontscheibe einer U-Bahn. Dabei wird die Fahrerin durch Glassplitter verletzt.

    September 2011: Auf der Flucht vor zwei angetrunkenen Schlägern aus dem Berliner U-Bahnhof Kaiserdamm wird ein 23-Jähriger von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Die Täter hatten den Mann und einen Freund zuvor aggressiv nach Zigaretten gefragt und dann eine Schlägerei mit den beiden angezettelt.

    April 2011: Ein betrunkener Gymnasiast attackiert im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße einen Handwerker, wirft ihn zu Boden und tritt ihm mehrmals gegen den Kopf. Die brutale Attacke wird von Überwachungskameras gefilmt.

    Februar 2011: Zwei Handwerker werden im Berliner U-Bahnhof Lichtenberg von vier Jugendlichen ohne ersichtlichen Grund angegriffen. Einer wird so brutal zusammengeschlagen, dass er schwere Hirnverletzungen erleidet. Die Täter werden von einer Überwachungskamera gefilmt.

    Mai 2010: Nach einem Streit ersticht ein 16-Jähriger einen drei Jahre älteren Mann im Hamburger S-Bahnhof Jungfernstieg. Bilder aus Überwachungskameras bringen die Ermittler auf die Spur des Täters, der bereits wegen zahlreicher Straftaten bekannt war.

    September 2009: Der Geschäftsmann Dominik Brunner, der sich schützend vor vier Kinder stellt, wird am Münchner S-Bahnhof Solln von zwei Jugendlichen zusammengeschlagen. Er stirbt an Herzversagen. Die Täter sind 17 und 18 Jahre alt.

    Juni 2009: Bei einem Überfall in einem Fußgängertunnel am Bahnhof Hamburg-Harburg wird ein 44-Jähriger so schwer verletzt, dass er stirbt. Die 16 und 17 Jahre alten Täter hatten den Mann um 20 Cent angeschnorrt und dann zusammengeschlagen. (dpa)

    Beschützerinstinkt und Angst? Urteil am 23. Oktober erwartet

    "Ich fühle mich für meinen Bruder verantwortlich", sagt der Älteste. Aus Beschützerinstinkt und Angst habe er sich eingemischt - und mehrfach zugestochen: Dabei brach die Messerspitze ab und blieb im Schädel des Getöteten stecken. "Mein Mandant hat sich nach massiver Beleidigung gewehrt", sagt Anwalt Alexander Horlamus. "Polizeilich ist er bis dahin völlig unbelastet gewesen." 

    Der erst 17 Jahre alte dritte Angeklagte will sich an nicht mehr viel erinnern können: "Ich gehe nicht mehr feiern, trinke keinen Alkohol mehr und versuche mehr mit meiner Familie und Sport zu machen", behauptet der blonde Junge. Auch mit dem Hauptangeklagten, von dem er durch einen leeren Stuhl getrennt sitzt, will er nicht mehr reden, sagt sein Anwalt. Am 23. Oktober soll das Urteil fallen.  dpa

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