NSU-Prozess: Tödliche Überraschung aus der Christstollendose
Der erste Sprengstoffanschlag der NSU ist im Prozess nächste Woche Thema. Es geht um eine perfide Tat, zu der eine Christstollendose gehört. Und um das Schicksal der 19-Jährigen Mashia.
Der NSU-Prozess geht weiter. Mit dem ersten Sprengstoffanschlag der mutmaßlichen Neonazi-Terroristen beschäftigt sich das Gericht nun nach den zehn Morden und einem Banküberfall. Ziel des ersten NSU-Sprengstoffanschlags war ein Geschäft in Köln. Und dort hätte die 19 Jahre alte Mashia M. ihre Neugier fast mit ihrem Leben bezahlt.
Die 19-jährige Deutsch-Iranerin wollte wissen, was sich wohl in einer mit Sternen verzierten Christstollendose befindet. Denn seit einigen Wochen schon lag diese Dose einem Einkaufskorb hinten im Lebensmittelgeschäft ihres Vaters in der Kölner Innenstadt.
Am 19. Januar 2001 hebt die Deutsch-Iranerin den Deckel der Dose und löst, mit wenigen Sekunden Verzögerung, eine starke Explosion aus. Bevor ihr eine Stichflamme das Gesicht verbrennt und Splitter ihre Haut zerschneiden, hat sie noch eine blaue Gasflasche in der Dose gesehen.
NSU-Sprengstoffanschlag: 19-Jährige wochenlang im künstlichen Koma
Die junge Frau liegt wochenlang im künstlichen Koma. Wäre der Sprengsatz noch näher an ihrem Oberkörper explodiert, hätte sie lebensgefährliche Herz- oder Lungenverletzungen davontragen können, heißt es in einem Gutachten des bayerischen Landeskriminalamts.
Wie der Sprengsatz in den Laden kam, ist damals relativ schnell klar: Kurz vor Weihnachten hatte ein junger Mann den Laden des Iraners - des Vaters der damals 19-jährigen Mashia - betreten. Er hatte einen Korb dabei, in den er einige Einkäufe legte. An der Kasse gab er an, seinen Geldbeutel vergessen zu haben und diesen nur schnell holen zu wollen. Den Korb ließ er dort stehen - und verschwand.
Erst bleibt der gefährliche Korb noch vorne im Laden stehen, dann stellt ihn die Familie nach hinten - dorthin, wo Mashia M. am 19. Januar die Dose öffnet.
Ein Kilo Schwarzpulver in der Gasflasche
Die Ermittlungen verlaufen im Sande. Erst mehr als zehn Jahre später, nach dem Auffliegen der Neonazi-Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im Herbst 2011, kommen die Hintergründe ans Tageslicht. Laut Anklage war es Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt, der den Sprengsatz in dem Laden deponierte. Ein Kilo Schwarzpulver befand sich in der Gasflasche.
Neben den Morden, so steht es in der Anklageschrift, hätten auch die beiden Sprengstoffanschläge "der Verwirklichung ihrer rassistischen Ziele" gedient, "nämlich Menschen allein wegen ihrer nichtdeutschen Herkunft zu töten". Nach dam Anschlag auf das Ladengeschäft dürfte in Kürze auch der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße 2004 Thema im Münchner Prozess sein. Zu beiden Taten hat sich der NSU in einem Film bekannt: im perfiden "Paulchen-Panther-Video", das im Brandschutt der letzten Wohnung des Trios in Zwickau gefunden wurde.
Die Erkenntnisse der Ermittler zu der ersten Bombe belasten neben der Hauptangeklagten Beate Zschäpe auch einen der vier Mitangeklagten: André E. Böhnhardt und Mundlos fuhren damals mit einem gemieteten Wohnmobil nach Köln. Angemietet hatte das Fahrzeug André E.
Mashia M. sagt im NSU-Prozess aus
Am Dienstag und Mittwoch werden zunächst Sachverständige, Polizisten und Ärzte als Zeugen im NSU-Prozess gehört. Am Donnerstag soll Mashia M. dann selbst in den Zeugenstand treten - gefolgt von ihrer Familie. dpa/AZ
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