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München: Polizei-Einsatz nach Mollath-Tweet: Ärztin ist fassungslos

München

Polizei-Einsatz nach Mollath-Tweet: Ärztin ist fassungslos

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    Gustl Mollath vor seiner Vernehmung im Mollath-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag in München.
    Gustl Mollath vor seiner Vernehmung im Mollath-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag in München. Foto: Inga Kjer dpa

    Ursula Gresser ist Ärztin, Professorin und seit über 20 Jahren Mitglied bei der CSU und der Frauenunion. Ursula Gresser hat vor einigen Tagen auf Twitter eine Kurznachricht zu einer CSU-Veranstaltung mit Justizministerin Beate Merk geschrieben - und dabei den Fall Mollath erwähnt. Und prompt bekam die 55-Jährige Hausbesuch von zwei Zivilpolizisten.

    "Jetzt kann ich den Fall Mollath" verstehen, sagt Ursula Gresser im Gespräch mit AZ-Online. "Mir ist jetzt noch bewusster als zuvor, wie leicht es unbescholtenen Bürgern passieren kann, in solche Situationen zu geraten." Die 55-jährige gebürtige Krumbacherin sagt das mit einer hörbaren Fassungslosigkeit.

    Es begann offenbar mit der Twitter-Meldung von Ursula Gresser

    Aber von vorne. Ursula Gresser meldet sich Mitte Mai für die CSU-Veranstaltung mit Justizministerin Beate Merk in Hofolding an. Ein paar Tage später schreibt sie auf Twitter: "“Wann Mollath freikommt? Diese Frage könnte man Frau Merk am Mo. 10.06.13 um 19 Uhr im Landgasthof Hofolding stellen.”

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    "Ich wollte als Mitglied der Frauenunion diesen Termin veröffentlichen mit dem Hinweis, dass man dann Frau Merk auch Fragen zum Fall  Mollath stellen könne", sagt Ursula Gresser. Sie ahnte nicht, was der Tweet auslösen sollte.

    Zwei unbekannte Männer am Gartenzaun

    Montag, der 10. Juni. Für diesen Abend ist Beate Merk im Hofoldinger Landgasthof angekündigt. Es ist 12 Uhr Mittag. Ursula Gresser sitzt mit einem Doktoranden, der extra aus Lübeck angereist ist, in ihrer Küche. Beide diskutieren ein wissenschaftliches Thema. Plötzlich fallen dem Arztkollegen zwei Männer auf, die am Gartenzaun stehen und das Haus von Ursula Gresser beobachten. Dann klingelt es bei der Ärztin an der Tür.

    Chronologie des Falls Mollath

    Ab 2006 saß der Nürnberger Gustl Mollath in der Psychiatrie. Hier eine Chronologie des Falles:

    November 2002: Gustl Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 ohne Grund mindestens 20-mal mit den Fäusten geschlagen haben. Außerdem habe er sie gebissen, getreten und sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.

    Mai 2003: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.

    September 2003: Die Hauptverhandlung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Im April 2004 wird sie fortgesetzt. Ein Gutachter attestiert dabei Mollath erstmals gravierende psychische Störungen.

    Dezember 2003: Mollath erstattet Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften.

    Februar 2004: Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft abgelegt. Begründung: Es gebe nur einen pauschalen Verdacht. Die Angaben seien zu unkonkret, als dass sie ein Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würden.

    Juni 2004: Mollath wird gegen seinen Willen zur Begutachtung ins Bezirkskrankenhaus Erlangen gebracht, kommt aber schon kurz darauf wieder frei. Im Februar 2005 wird er in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eingewiesen. Dort bringt er fünf Wochen zu.

    August 2006: Das Landgericht Nürnberg spricht Mollath von den Vorwürfen der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung frei. Aber die Strafkammer Mollaths ordnet Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

    Februar 2007: Der Bundesgerichtshof verwirft die Revision als unbegründet.

    März 2012: Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Rechtsausschuss des Landtags, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei «weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen». Seine Vorwürfe gegen die Bank hätten keinen begründeten Anfangsverdacht für Ermittlungen ergeben.

    November 2012: Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, dessen Inhalt erst jetzt publik wird, bestätigt, dass ein Teil von Mollath Vorwürfe zutreffend war. Die Freien Wähler fordern Merks Rücktritt und einen Untersuchungsausschuss im Landtag.

    30. November 2012: Merk will den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen. Grund war die mögliche Befangenheit eines Richters.

    18. März 2013: Die Staatsanwaltschaft Regensburg beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie stützt sich dabei auf «neue Tatsachen», die dem Gericht bei der Verurteilung im Jahr 2006 noch nicht bekanntgewesen seien. Entscheiden muss das Landgericht Regensburg.

    26. April 2013: Der Mollath-Untersuchungsausschuss tritt erstmals zusammen.

    28. Mai 2013: Das Landgericht Regensburg lehnt eine Entscheidung über Mollaths Psychiatrie-Unterbringung vor der Prüfung des Wiederaufnahmeantrags ab.

    12. Juni 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet an, dass Mollath mindestens noch ein weiteres Jahr und damit bis 2014 in der Psychiatrie bleiben muss.

    06. August 2013: Mollath kommt frei. Das OLG Nürnberg ordnet die Wiederaufnahme des Falls an und verfügt, dass diese an einer anderen Kammer des Landgerichts Regensburg stattfinden muss.

    05. September 2013: Die Verfassungsbeschwerde Mollaths ist erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gab seiner Beschwerde gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg statt. Die Beschwerde sei offensichtlich begründet, hieß es.

    19. Dezember 2013: Das Landgericht Regensburg teilt mit, dass das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath am 7. Juli 2014 beginnt.

    13. Januar 2014: Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Ex-Frau von Gustl Mollath eingestellt. Mollath hatte seine frühere Ehefrau im August 2013 angezeigt, weil sie in einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe 2008 nicht die Wahrheit gesagt habe. Dafür ergaben sich laut Staatsanwaltschaft aber keine Anhaltspunkte.

    28. April 2014: Gustl Mollath will das Oberlandesgericht Bamberg mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde zwingen zu verkünden, ab wann er unrechtmäßig in der Psychiatrie gesessen habe. Hintergrund ist ein Beschluss des OLG Bamberg aus dem Jahr 2011, nach dem Mollath weiter in der Psychiatrie bleiben musste. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass dadurch Mollaths Grundrecht auf Freiheit verletzt worden war.

    07. Juli 2014: Vor dem Landgericht Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath.

    08. August 2014: Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrem Plädoyer einen Freispruch für Gustl Mollath. Dabei ist der Anklagevertreter jedoch von der Schuld des 57-Jährigen überzeugt. Die Verteidigung verlangt einen Freispruch "ohne Wenn und Aber". Mollath selbst weist die Vorwürfe zurück.

    14. August. 2014: Das Landgericht Regensburg spricht Gustl Mollath frei. dpa

    "Ich machte auf und fragte die beiden, was ich für sie tun könnte", erzählt die gebürtige Krumbacherin. Schnell stellt sich heraus, dass es sich bei den Männern um Polizisten der Inspektion Ottobrunn handelt. Die Männer sind in Zivil gekleidet. Es gebe Bedenken wegen der Sicherheit der Veranstaltung. Und es gehe um ihren Kurznachricht auf Twitter, hätten die Beamten gesagt. "Aber das sei doch eine öffentliche Veranstaltung, sagte ich dann", so Gresser. Ja schon, hätten die Polizisten eingeräumt. Aber sie habe Mollath erwähnt.

    Ärztin über Polizeibesuch: "Da war ich platt"

     "Welchen genauen Auftrag die Polizisten eigentlich hatten, haben sie gar nicht gesagt", erinnert sich die Ärztin. Bis heute weiß Ursula Gresser nicht genau, warum die Polizei bei ihr vor der Tür stand. "Das war wie der Besuch von Marsmännchen. Da war ich platt."

    Der fragwürdige Polizeieinsatz in Sauerlach machte schnell Schlagzeilen. Journalist Richard Gutjahr veröffentlichte den Vorfall in seinem Blog. Dann machte die Geschichte von Ursula Gresser in den Medien die Runde.

    Stellungnahme aus dem Justizministerium

    Das Justizministerium sieht sich offenbar in Erklärungsnot. Wie es aus dem Ministerium heißt, war der Grund für den Polizeibesuch ein anderer. Stein des Anstoßes war demnach ein Schreiben eines Anwalts vom 23. Mai an das Justizministerium. In dem Schreiben stand, Gresser plane möglicherweise, die Veranstaltung "zu stören und zum Podium für ein ganz anderes Thema", nämlich einen hoch emotionalen Familienstreit zu machen. "Zum Beleg waren dem Schreiben entsprechende Twitter-Meldungen beigefügt", heißt es in der Mitteilung.

    Der dubiose Brief sei routinemäßig an das für die Sicherheit der Ministerin zuständige Landeskriminalamt weitergegeben worden. Gresser sagt, sie führe einen juristischen Streit mit ihrem Ex-Mann. Der wolle sie fertig machen und habe sämtliche Register gezogen. "So ähnlich wie im Fall Gustl Mollath", sagt sie. Nur, dass ihr Ex-Mann damit keinen Erfolg gehabt habe. Aber ihr privater Streit habe nichts mit der CSU-Veranstaltung zu tun gehabt.

    Wurstsalat und Hände-Schütteln mit Beate Merk

    Nach dem mysteriösen Polizeibesuch bei ihr am Montagmittag löscht Ursula Gresser ihren Twitter-Eintrag. "Ich will ja nicht, dass irgendjemand Angst hat." Die Professorin, die seit 20 Jahren bei der CSU ist, geht dann am Abend zu der Veranstaltung mit Beate Merk. Dort isst sie Wurstsalat und hört sich den Vortrag der Ministerin an. Und die Hand hätten sich die beiden Frauen auch gegeben.

    Ob sie Beate Merk dann Fragen zu Gustl Mollath stellte? "Nein, das war mir dann zu gefährlich. Ich sagte mir, nee - Ursula, das machst du lieber nicht."

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