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Umstrittener Einsatz in Rosenheim: Polizisten sollen unbescholtene Familie geschlagen haben

Umstrittener Einsatz in Rosenheim

Polizisten sollen unbescholtene Familie geschlagen haben

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    Rosenheimer Polizisten sollen eine unbescholtene Familie grundlos geschlagen und gefesselt haben. Heute beginnt der Prozess – aber angeklagt ist die Familie.
    Rosenheimer Polizisten sollen eine unbescholtene Familie grundlos geschlagen und gefesselt haben. Heute beginnt der Prozess – aber angeklagt ist die Familie.

    Man kann es drehen und wenden, wie man will, am Ende bleibt immer die Frage: Wie konnte ein Routine-Einsatz der Rosenheimer Polizei so eskalieren, dass am Ende zwei unbescholtene Ehepaare verletzt und schockiert ins Krankenhaus gebracht wurden und ein dreijähriger Bub traumatisiert unter dem Bett hervorgeholt werden musste, wohin er sich vor lauter Angst geflüchtet hatte?

    Diese Frage soll, ja sie muss ab heute am Amtsgericht Rosenheim geklärt werden, wenn nicht viele Menschen den Glauben in den Rechtsstaat verlieren sollen. Hat eine Gruppe gewalttätiger Polizisten grundlos unbescholtene Bürger verletzt? Oder hat eine renitente Familie pflichtbewusste Polizisten an der Ausübung ihrer Arbeit behindert? Oder liegt die Wahrheit doch irgendwo dazwischen?

    Erste Überraschung: Angeklagt sind nicht die Polizisten, die auf die Ehepaare eingeprügelt haben sollen, sondern die Familie – wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Es geht um einen Einsatz vom 15. November 2010 in Pfaffenhofen bei Rosenheim. Zwei Zivilpolizisten waren zu einem Mehrfamilienhaus gekommen, das Josef E. (67) und seiner Frau Aloisia (62) gehört. Die Beamten sollten einen Kleinkriminellen zu einer psychiatrischen Untersuchung vorführen, der in dem Mietshaus gemeldet war. Der Name des Gesuchten stand nicht auf dem Klingelschild, daher läuteten die Polizisten bei anderen Bewohnern. Sie läuteten auch bei Sandra B., der Tochter des Ehepaars E.

    Ab diesem Punkt gehen die Darstellungen der Familie und der Polizisten in entgegengesetzte Richtungen. Sandra B. berichtet unter Tränen, dass die Zivilpolizisten von Anfang an aggressiv aufgetreten seien. Rasch hätten die Beamten sie beschuldigt, mehr über den Gesuchten zu wissen, als sie zugeben wolle. Dann wollten die Polizisten einen Ausweis von ihr sehen. Sandra B. wollte aber erst mal einen Ausweis von ihnen sehen. Nach einigem Hin und Her wurden Dienstausweise gezückt. Als B. ihren Ausweis aus der Wohnung holen wollte, stellte einer der Beamten den Fuß in die Tür. Gleichzeitig stürmten uniformierte Kollegen in den Hausflur. In diesem Moment kam Ehemann Anton B., ein promovierter Biologe, hinzu und rief: „Was ist hier los?“ Nach seinen Angaben wurde er am Hals gepackt und erhielt einen Schlag in den Magen.

    Sandra B. berichtet, sie wollte sich die Namen der Beamten aufschreiben, doch sie sei festgehalten und geschlagen worden. Vier Polizisten rangen die zierliche Sandra B. zu Boden und fesselten sie an den Händen. Einer soll ihr das Knie auf den Hals gedrückt haben. Das war der Moment, als Josef und Aloisia E. hinzukamen, weil sie lautes Geschrei gehört hatten. Josef E., selbst 26 Jahre lang Polizeibeamter, berichtet, er sei ohne ein Wort von einem Beamten brutal in den Schwitzkasten genommen worden. Dann sei ihm „der Kopf explodiert“ – wohl, weil er gegen die Wand geschlagen worden sei. Aloisia B. fotografierte währenddessen den Einsatz. Einer der Uniformierten riss ihr den Apparat aus der Hand und löschte die Bilder. Die Fotos konnten später aber rekonstruiert werden. Auch sie sei geschlagen worden.  Alle vier Familienmitglieder kamen ins Krankenhaus. Diagnostiziert wurden Schädelprellungen, Verstauchungen, Schürfwunden, stumpfe Bauchtraumata.

    Das Ermittlungsverfahren gegen die insgesamt zehn beteiligten Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt hat die Staatsanwaltschaft Traunstein vorläufig eingestellt. Die Anklagebehörde glaubt den Darstellungen der Familie nicht. In der Anklage heißt es, die Familie habe sich „unkooperativ“ gezeigt, Beamte seien geschubst und angegriffen worden. Josef E. habe sich heftig gegen die Fesselung zur Wehr gesetzt. Aussagen von Nachbarn besagen dagegen, dass sich die Polizisten aggressiv verhalten hätten.

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