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Oberbayern: Provinzposse am Tegernsee: Können frische Semmeln stinken?

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Provinzposse am Tegernsee: Können frische Semmeln stinken?

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    In Rottach-Egern hat eine Rentnerehepaar genug vom Geruch, der aus der benachbarten Backstube kommt.
    In Rottach-Egern hat eine Rentnerehepaar genug vom Geruch, der aus der benachbarten Backstube kommt. Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbolbild)

    Evi Tremmel hat keine Zeit, ans Telefon zu gehen. Und sie will auch nicht mehr reden. Nicht über ihre Backwaren, nicht über den Geruch, den sie verströmen sollen und erst recht nicht über die lieben Nachbarn. „Es ist einfach gerade alles zu viel“, versucht eine Mitarbeiterin der Bäckerei zu erklären. Kein Wunder, wenn man bedenkt was sich in den letzten Tagen in Rottach-Egern abgespielt hat. Inzwischen spricht das halbe Land über Tremmels Bäckerei – obwohl die meisten noch nie dort waren.

    So wie der junge Mann aus Altötting, der im sozialen Netzwerk Facebook betont, dass er den Duft frischer Brötchen und Brezeln liebe. „Ich solidarisiere mich mit Ihnen, gegen den nörgelnden Zugereisten“, versichert er Tremmel. Oder die Frau aus Duisburg, die die 51-Jährige nicht kennt, aber sich trotzdem hinter sie stellt. Weil sie schon als Kind immer frische Brötchen aus einer Backstube geholt habe und diesen Duft seither nicht vergessen. Auch die, die Evi Tremmel kennen, haben das Gefühl, Stellung beziehen zu müssen. Wie die Freunde, die ein Schild von der Bäckerei aufgestellt hat. „Vielen Dank Evi für den täglichen Bäckerei-Duft“ steht darauf.

    Ja, nicht nur deswegen ist diese Geschichte ungewöhnlich. Es geht um die Bäckerei Tremmel, einen 90 Jahre alten Familienbetrieb, der seit 65 Jahren am selben Standort produziert, um die neuen Nachbarn der Tremmels und darum, was denen gewaltig stinkt: der Geruch aus der Backstube, wo kurz nach Mitternacht Teige angesetzt, Brezen gedreht und Semmeln gebacken werden. Das Ehepaar, das die Nachbarwohnung erst vor kurzem gekauft hat, schaltete einen Anwalt ein. „Durch die Geruchsemissionen, die aus Ihrer Backstube täglich in den frühen Morgenstunden über Ventilatoren ungefiltert ins Freie geblasen werden, wird unser Mandant ganz empfindlich gestört, heißt es in dem Schreiben an Tremmel, aus dem der Münchner Merkur zitiert. Das Ehepaar leide derart unter dem „starken schlechten Geruch“, dass es das Schlafzimmer unter dem Dachvorsprung nicht nutzen könne.

    Nie Klagen wegen Geruchsbelästigung

    Evi Tremmel ist fassungslos. Weil sie es nicht glauben kann, dass ihr Gebäck stinken soll. Und weil sie noch nie Klagen wegen Geruchsbelästigung gehabt habe. Der Anwalt hat ihr eine Frist gesetzt. Demnach hätte sie bis vergangenen Dienstag Abluftventilatoren einbauen müssen. Andernfalls lande der Fall beim Landratsamt in Miesbach, hieß es.

    Seither ist ein Sturm der Entrüstung über den Tegernsee hinweggefegt. Weil man frische, gute Handwerkssemmeln doch nicht als Geruchsbelästigung beleidigen dürfe. Und weil es doch nicht sein könne, dass die „Zuagroastn“ – und geldige noch dazu – sich über Dinge aufregen, die seit Jahren so sind. Der Landrat hat dem Ehepaar via Facebook sogar indirekt zum Wegzug geraten. Und nun? Der Nachbar, ein Unternehmensberater, der neben Rottach-Egern auch einen Wohnsitz auf Sylt hat, will nichts sagen. Sein Anwalt Heino von Hammerstein, zweiter Bürgermeister von Tegernsee, hat einen Gang zurückgeschaltet. Im Münchner Merkur erklärte er, man könne sich doch „im Sinne des Ortsfriedens in Ruhe einigen“. Er werde nicht auf Fristen beharren.

    Und Evi Tremmel? Die Bäckerin will nicht auf das Anwaltsschreiben reagieren, hat sie vor Tagen gesagt. Stattdessen tut sie, was sie immer tut. Steht frühmorgens in der Backstube und tagsüber in der Küche. Und bedankt sich noch bei den Leuten in Rottach und weit darüber hinaus für die Unterstützung. „Vergelt’s Gott alle!“     

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