Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Interview: Staatskanzleichef Marcel Huber möchte Menschen im Ehrenamt helfen

Interview

Staatskanzleichef Marcel Huber möchte Menschen im Ehrenamt helfen

    • |
    Marcel Huber will die Freiwilligen besser unterstützen.
    Marcel Huber will die Freiwilligen besser unterstützen. Foto: Fred Schöllhorn/Archiv

    Das „Sorgentelefon Ehrenamt“ startet heute. Der Name allein wirkt fast schon abschreckend. Ist das ein guter Begriff? Und was bezweckt die Staatskanzlei mit der Initiative überhaupt?

    Huber: Also erstens: Wir sagen Telefon und nicht Hotline. Das ist mir wichtig. Und zweitens beinhaltet der Begriff die Essenz dessen, wie’s dazu kam. Ich möchte die Sorgen bürgerschaftlich engagierter Menschen, die immer wieder an mich herangetragen werden, aufgreifen. Jetzt geht das noch schneller über unser Bürgertelefon. Grundsätzlich weiß die Verwaltung vor Ort um die besonderen Anliegen des Ehrenamts. Es kommt aber regelmäßig vor, dass ich bei Vereinsfesten auf die eine oder andere bürokratische Hürde im Vorfeld der Veranstaltung hingewiesen werde.

    Was war die Konsequenz?

    Huber: Ich habe im April einen runden Tisch gebildet mit Vertretern der verschiedenen Verbände und Vereine. Da haben wir zusammengetragen, wo denn der Schuh so drückt. Uns allen wurde dabei klar: Es ist eine schwierige Gratwanderung. Die Menschen haben völlig zu Recht Sicherheitserwartungen. Ich meine damit zum Beispiel Jugendschutz, Lebensmittelsicherheit und Verkehrssicherheit.

    Wie sieht es in der Praxis nach Ihren Erfahrungen aus?

    Huber: Nachdem sich Behörden immer rechtlich nach allen Richtungen absichern müssen, wird in Einzelfällen oft etwas verlangt, das sich dem gesunden Menschenverstand nicht gleich erschließt.

    Jetzt geht es Ihnen um Feste und Feiern von Vereinen.

    Huber: Wir sind dabei, uns die bürokratischen Hürden vorzunehmen. Ist alles, was derzeit in manchen Genehmigungsbescheiden steht, wirklich unverzichtbar? Das werden wir uns ganz genau ansehen. Wir bieten Ehrenamtlern an, sich an uns zu wenden, wenn es Probleme vor Ort mit der Verwaltung bei der Planung von Festen gibt, und senden mit dem Sorgentelefon der Staatskanzlei ein Signal.

    Ist die Hotline zeitlich begrenzt?

    Huber: Nein. Wir starten jetzt das Telefon – auch mit dem Wunschgedanken, dass Landratsämter ähnliche Ansprechpartner einrichten.

    Da Sie Landkreise dazu motivieren wollen, es Ihnen mit dem Sorgentelefon gleichzutun, scheint es ja doch Nachholbedarf zu geben.

    Huber: Das ist eine neue Idee. Deshalb braucht das seine Zeit. Wir gehen erst einmal voran und sind Vorbild. Unser Sorgentelefon ist nicht an der Stelle eingerichtet, wo die Bescheide tatsächlich erstellt werden. Wir sind vermittelnd tätig. Aber wenn ein Betroffener kommen sollte und sich darüber beklagt, dass der Bestuhlungsplan wegen zehn Zentimetern geändert werden muss, dann ist zu fragen, ob dies in dieser Absolutheit sinnvoll ist. Wir werden uns das Problem anhören. Wir werden keine Bescheide aufheben. Aber es kann sein, dass wir mit dem Amt Kontakt aufnehmen, um eine Lösung zu finden. Vielleicht können wir in dem einen oder anderen Fall helfen.

    Wie können Sie die Erkenntnisse des Sorgentelefons noch nutzen?

    Huber: Als Seismografen. Wenn das ein Jahr läuft und ich dann zum 20. Mal gehört habe, die Regel xy wird von niemandem verstanden, aber von den Behörden konsequent angewendet, weil das so in der Verordnung steht, dann werden wir uns solche Themen vornehmen. Und gegebenenfalls nachsteuern. Ich bin Bürokratieabbauminister.

    Wer sitzt am anderen Ende der Leitung?

    Huber: Beamte aus unserem Haus, die Sachkenntnis haben. Sie leiten die Dinge aber an ein Expertenteam in der Staatskanzlei weiter, das sich mit Bürokratieabbau beschäftigt. Hinweise auf die häufigsten Beschwernisse helfen uns bei unserem Leitfaden.

    Wann kommt dieser Leitfaden denn heraus?

    Huber: Die Ressortabstimmung ist gelaufen, jetzt binden wir die Ehrenamtlichen selbst mit ein. Anfang des nächsten Jahres ist die Veröffentlichung geplant.

    Braucht man nun schon Bürger dazu, um auf Überbürokratisierung hinzuweisen, weil der Verwaltungsapparat nur die Kraft hat, immer mehr und stärker zu regulieren?

    Huber: Es ist ja nicht so, dass Regeln gemacht werden, um die Leute zu schikanieren. Das geschieht nach bestem Wissen und Gewissen – um dem entgegenzutreten, was passiert ist oder was befürchtet wird. Dabei kann es sein, dass sich die Lebenspraxis anders entwickelt, als es ursprünglich von Juristen gedacht war. Das Einbinden der Betroffenen ist in meinen Augen kein Eingeständnis, dass man was falsch gemacht hat.

    Warum überhaupt so viele Regeln?

    Huber: Wir leben in einer Welt, in der die Bürger vom amerikanischen Rechtssystem so beeinflusst werden, dass sie sogar ihr Leben ändern. Wenn Sie vor 20 Jahren draußen im Winter mit Pantoffeln die Zeitung geholt haben und ausgerutscht sind, dachten Sie: „Hättest doch g’scheite Schuh angezogen, dann hätte es Dich nicht geschmissen.“ Heute wird noch im Fallen gefragt: „Verkehrssicherungspflicht, Räum- und Streupflichtverordnung: Wer trägt die Schuld?“

    Sind wir da am Punkt der Doppelzüngigkeit angelangt?

    Huber: Das sind wir. Die Gesellschaft hat sich in eine Richtung entwickelt, bei der sie auf der einen Seite die hohe Bürokratie immer wieder tadelt. Andererseits wollen viele Menschen alles bis ins Detail geregelt haben.

    Leidet das Ehrenamt darunter?

    Huber: Ja, weil es zusehends weniger Leute gibt, die angesichts dieser Konstellation bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen behilflich sein, dass das Ehrenamt attraktiv bleibt.

    Warum sollen sich Menschen in ihrer Freizeit freiwillig engagieren?

    Huber: Ob es eine Tätigkeit im Sport, in der Kirche oder im Rettungsdienst ist – um nur einige Bereiche herauszugreifen: Ehrenamtlich Tätige sammeln wertvolle persönliche Erfahrungen. Ich würde das jedem wärmstens ans Herz legen. Wenn Kinder und Jugendliche in Vereinen und Gemeinschaften soziale Kompetenz und Teamfähigkeit entwickeln – auf Neudeutsch heißt das „soft skills“ –, dann ist das unbezahlbar.

    Unter der Telefonnummer 089/1222212 landet man direkt bei der Staatskanzlei. Das Telefon ist von Montag bis Donnerstag von 8 bis 18 Uhr besetzt und freitags von 8 bis 16 Uhr (nicht an Feiertagen).

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden