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Kreis Augsburg: Stahlwerk-Riese verliert gegen Nachbarn im kleinen Haus

Kreis Augsburg

Stahlwerk-Riese verliert gegen Nachbarn im kleinen Haus

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    David gegen Goliath: Ein Mann will sein Haus (rot umkreist) in der Nähe der Meitinger Lech-Stahlwerke behindertengerecht umbauen. Dagegen zog der Stahlwerkchef Max Aicher vor Gericht.
    David gegen Goliath: Ein Mann will sein Haus (rot umkreist) in der Nähe der Meitinger Lech-Stahlwerke behindertengerecht umbauen. Dagegen zog der Stahlwerkchef Max Aicher vor Gericht. Foto: Marcus Merk

    An Max Aicher, dem Chef der Meitinger Lech-Stahlwerke, scheiden sich seit jeher die Geister. Fest steht jedenfalls: Der 82-jährige Unternehmer aus Freilassing scheut sich nicht, Konflikte auszufechten. So hatte Aicher mit Forderungen nach drastischen Arbeitszeitverlängerungen den Unwillen der Gewerkschaften auf sich gezogen oder langjährige, teils millionenschwere Prozesse gegen Kommunen und Unternehmen geführt, um seine Interessen durchzusetzen.

    Am Montag war das Augsburger Verwaltungsgericht wieder einmal gefragt, um in einer von Aicher angestrengten Klage zu entscheiden: Diesmal ging es um einen Nachbarn des Stahlwerkes, der sein Haus behindertengerecht umbauen will, damit seine bettlägerige Mutter und die pflegebedürftigen Schwiegereltern darin Platz haben. Gegen die vor einem Jahr erteilte Baugenehmigung zog Aicher vor Gericht: Er sieht die Zukunft seines Unternehmens dadurch gefährdet.

    Denn das Wohnhaus der Familie liegt gerade mal 350 Meter von der Produktionsstätte des Stahlwerks entfernt. Die Befürchtung des Unternehmenschefs: Wird das Haus aus- und umgebaut, steigen auch die Ansprüche der Bewohner, um sich vor dem Lärm des Stahlwerks schützen zu können. Geplant ist neben dem barrierefreien Umbau ein Ausbau um 48 Quadratmeter. In diesem Zimmer sollen Pflegekräfte wohnen können.

    Emissionswerte deutlich überschritten

    Schon jetzt sind die Emissionswerte vor allem in der Nacht deutlich überschritten: Um über drei Dezibel – was einer Verdoppelung des Lärms entspricht – ist die Produktion dann zu laut. Wegen der Überschreitung der Lärmwerte liegt die seit Jahren angedachte Erweiterung der Produktionsfläche auf Eis. Nur mit einem Kompromiss gelang es vor kurzem, die Erlaubnis für Investitionen und Modernisierungen auf dem Gelände zu erhalten. Die Erlaubnis für das Wohnhaus betrachtet Max Aicher als Ungerechtigkeit: „Wir bekommen für nichts eine Genehmigung. Und da steht jetzt schon ein Familienanwesen, wo früher ein Einfamilienhaus stand. Die Gefahr ist, dass Leute da hinbauen und sich dann beschweren, dass es ihnen wegen uns zu laut ist.“

    Der Besitzer des Familienhauses wiederum nannte die Praxis, mit der Aicher gegen sein Bauvorhaben vorgeht, eine „Frechheit“ und wies auf den Bestandsschutz seines Elternhauses hin: „Unser Haus steht schon deutlich länger dort, als es das Stahlwerk gibt. Und wir sind es, die mit dessen Folgen leben müssen.“ Mit schalldichten Fenstern und einer Lüftungsanlage behilft sich seine Familie gegen den Lärm, der von dem Stahlwerk herüberkommt.

    Das Verwaltungsgericht unter dem Vorsitz von Richterin Ingrid Linder äußerte erhebliche Bedenken, ob die Klage überhaupt formal zulässig ist. Um zu verhindern, dass es zu viele Nachbarn gibt, haben die Aichers in den vergangenen Jahren mehr und mehr Grundstücke im Umfeld gekauft – der Grund, auf dem das Stahlwerk steht, gehört jedoch einer GmbH, die Teil des Firmenkonsortiums ist. Andrea Versteyl, die Anwältin von Aicher, führte dagegen ins Feld, dass der Grund, auf dem sich etwa das Schlackelager befindet, von Aicher an die Lech-Stahlwerke vermietet ist: „Als Verpächter hat man die Verpflichtung, sicherzustellen, dass der Betrieb funktioniert.“

    Rund 800 Menschen arbeiten bei den Lech-Stahlwerken

    Eben das sei nicht mehr möglich, wenn sich zusätzliche Ansprüche durch neue Bewohner ergeben würden. Versteyl fügte an: „Es geht auch um die Standortsicherheit des Unternehmens. In den kommenden Jahren soll ein zweistelliger Millionenbetrag in den Lärmschutz investiert werden.“ Derzeit arbeiten rund 800 Menschen bei den Lech-Stahlwerken, damit sind sie einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region.

    Richterin Ingrid Linder wies die Klage gegen die bestehende Baugenehmigung zurück: „Auf die Anzahl der Bewohner in dem Haus kommt es nicht an – das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme hat es schon vorher gegeben.“ Es werde dadurch, dass künftig mehr Personen in diesem Haus leben, nicht verändert. Derjenige, der die Rücksichtnahme bislang nicht eingehalten hat, ist Aicher selbst: Sein Stahlwerk ist schlichtweg zu laut.

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