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Oktoberfest-Attentat: Ungehörte Zeugen des Attentats sollen Licht ins Dunkel bringen

Oktoberfest-Attentat

Ungehörte Zeugen des Attentats sollen Licht ins Dunkel bringen

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    Spurensicherung am Tatort: Am späten Abend des 26. September 1980 kamen bei einem Bombenanschlag auf dem Münchner Oktoberfest 12 Besucher ums Leben, 140 wurden zum Teil schwer verletzt. Auch der Attentäter starb.
    Spurensicherung am Tatort: Am späten Abend des 26. September 1980 kamen bei einem Bombenanschlag auf dem Münchner Oktoberfest 12 Besucher ums Leben, 140 wurden zum Teil schwer verletzt. Auch der Attentäter starb. Foto: Istvan Bajzat (dpa)

    Lange schien es so, als seien alle Spuren, die noch zur Aufklärung des Oktoberfest-Attentats vom 26. September 1980 führen könnten, verwischt. Als die Bundesanwaltschaft im Dezember die Ermittlungen wieder aufnahm, war das eine Überraschung. Der Münchner Opferanwalt Werner Dietrich hatte es geschafft, seinen Antrag mit neuen Zeugen so zu begründen, dass die Behörde in Karlsruhe wohl nicht mehr daran vorbei kam, die von vielen angezweifelte „Einzeltäter-Theorie“ zu überprüfen.

    Einer dieser Zeugen ist Hans Roauer aus Donauwörth. Er trägt bis heute Splitter der Bombe in seinem Körper, die wenige Meter von ihm entfernt in einem Papierkorb explodierte. Der heute 59-Jährige wäre bereit, sich diese herausoperieren zu lassen, damit die Herkunft des Materials abgeklärt werden könnte. Andere Beweisstücke gibt es nicht mehr – die Asservate wurden 1997 angeblich wegen Platzmangels vernichtet. Die Empörung darüber war der Beweggrund, dass sich Roauer bei Anwalt Dietrich meldete. Am Mittwochabend war er in der ARD-Dokumentation „Attentäter – Einzeltäter?“ zu sehen.

    Donauwörther Zeuge will Köhler mit drei weiteren Männern gesehen haben

    Das Oktoberfest hatte der frühere Finanzbeamte mit einer Gruppe von Pendlern besucht, die sich von der täglichen Zugfahrt zwischen Ingolstadt und München kannten. Diese „Ingolstädter Gruppe“ wie Dietrich sie nennt, hat gesehen, dass Gundolf Köhler kurz vor dem Attentat mit drei Männern in einem am Bavariaring parkenden Auto stritt, ehe er mit einer hellen Tasche, wahrscheinlich einer Plastiktüte, zu dem Papierkorb ging und die Bombe deponierte.

    Sie zerriss Köhler – wohl ungeplant – , tötete zwölf weitere Menschen und verletzte 211, unter ihnen Roauer, der befürchtete, dass sein bis dahin einziger gesunder Fuß amputiert werden musste. Am anderen Fuß litt er ohnehin schon unter einer Fehlstellung. Die Amputation blieb ihm zum Glück erspart – wohl auch deshalb, weil einer seiner Bekannten, ein großer Mann, „wie ein Kugelfang“ vor ihm stand. Der Mann, der ihn abschirmte, musste im Laufe vieler Jahre 90 Operationen über sich ergeben lassen, weiß Roauer. Wenn er auf das Attentat angesprochen werde, „geht die Herzfrequenz hoch“, sagt der Wahl-Donauwörther. Den Staatsdienst hat er vor Jahren quittiert und betreibt jetzt in Bäumenheim als Pächter die Mehrzweckhalle.

    Von der neuen Sonderkommission in München, die im Auftrag der Bundesanwaltschaft ermittelt, hat er noch nichts gehört. Ebenso wenig wie Alexander Sasse aus Bad Wörishofen, der als Siebenjähriger mit seinen Eltern Opfer des Attentats wurde. Die Soko sei erst „im Aufbau“ erklärt Frauke Köhler, Pressesprecherin der Bundesanwaltschaft. Sie werde mit bis zu 20 Beamten des Landeskriminalamts besetzt sein.

    Lkw-Fahrer glaubt, sich an Köhler im Wagen zu erinnern

    Auf eine Kontaktaufnahme der Polizei wartet auch Gerhard Spranger, 75, aus Sonthofen. Der frühere Lkw-Fahrer, der 18 Jahre lang Nacht für Nacht vom Allgäu nach München fuhr, glaubt das Auto mit dem Kennzeichen VS DD 500 Tage vor dem Attentat auf der alten Bundessstraße 12 hinter Landsberg gesehen zu haben. Mit diesem Wagen war Köhler unterwegs. Spranger sagt, der schokoladenbraune Ford, besetzt mit drei Personen, habe ihn an einer gefährlichen Stelle überholt. Er habe gehupt, worauf sich der hinten sitzende Mann umdrehte. „Er hatte eine dunkle Haut, wie sie manche Menschen im Schwarzwald haben“, erinnert er sich. Diese Aussage wollte er eigentlich bei der Polizei machen, schon Mitte Dezember, aber der versprochene Rückruf sei nie gekommen.

    Prompt reagiert habe die Bundesanwaltschaft hingegen auf einen Hinweis aus Hannover, sagt der Journalist Ulrich Chaussy. Ein Patient, der dort mit zertrümmertem Arm ohne Hand in eine Klinik eingeliefert wurde, ist einer Krankenschwester nie mehr aus dem Sinn gegangen. Der Mann, der amputiert werden musste, war etwa im Alter der Krankenschwester, die nun als neue Zeugin ins Spiel kommt. Sie war 20, als sie im Herbst 1980, kurz nach der Prüfung mit ihm zu tun hatte. Woher er die Verletzung hatte, sagte er nicht. Er habe aber keinen verzweifelten Eindruck gemacht – eher das Gegenteil – und sei nach ein paar Tagen verschwunden. Auffällig sei gewesen, dass er etliche Besucher hatte.

    Das Wiesn-Attentat von 1980

    Es war das traurigste Kapitel der Oktoberfest- Geschichte: 13 Tote, darunter drei Kinder, und mehr als 200 Verletzte forderte das Attentat auf die Wiesn vor 34 Jahren.

    Am 26. September 1980 um 22.19 Uhr explodierte in der Menschenmenge die Bombe eines Rechtsradikalen.

    Auch Jahrzehnte danach gab es stets Zweifel, ob Gundolf Köhler die Tat gut eine Woche vor der Bundestagswahl alleine und aus politischem Frust begangen hat.

    Der Attentäter, der damals 21 Jahre alte Geologie-Student Gundolf Köhler aus Donaueschingen und frühere Anhänger der dann verbotenen rechtsextremistischen "Wehrsportgruppe Hoffmann", hatte nach einer verpatzten Prüfung den TNT-Sprengsatz in einem Mülleimer am Wiesn- Haupteingang deponiert.

    Er starb selbst bei der Explosion.

    Eine abgerissene Hand gehörte zu den vernichteten Beweisstücken. Die Ermittler hatten sie Köhler zugeordnet, obwohl die Fingerabdrücke nicht in Köhlers Auto gefunden wurden. Ulrich Chaussy vermutet, dass die Hand zu einem Komplizen Köhlers gehört haben könnte.

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