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Medizin: Viele Todesfälle durch Herzstillstand sind vermeidbar

Medizin

Viele Todesfälle durch Herzstillstand sind vermeidbar

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    In Erste-Hilfe-Kursen wird erklärt, wie man eine Herzdruckmassage durchführt. Das Problem ist, dass diese Kurse bei vielen Menschen schon Jahrzehnte zurückliegen. (Symbolbild)
    In Erste-Hilfe-Kursen wird erklärt, wie man eine Herzdruckmassage durchführt. Das Problem ist, dass diese Kurse bei vielen Menschen schon Jahrzehnte zurückliegen. (Symbolbild) Foto: Jan Woitas, dpa

    Dr. Jürgen Friedrich hat sie oft erlebt. Diese Momente, in denen er einfach nichts mehr tun konnte. In denen es zu spät war. Und immer wieder musste er feststellen: In der Zeit, in der er zum Noteinsatz geeilt war, hat niemand versucht, denjenigen, der da gerade mit Schmerzen in der Brust zusammengebrochen war, zu reanimieren.

    Jede Minute zählt

    „Vor allem im häuslichen Umfeld wird oft nicht reagiert“, sagt Friedrich, Oberarzt der Anästhesie am Augsburger Klinikum und seit vielen Jahren als Notarzt unterwegs. Dabei seien vor allem die ersten Minuten nach einem Herzstillstand enorm wichtig. Denn bereits nach drei bis fünf Minuten beginnen die ersten Nervenzellen im Gehirn abzusterben. „Der Rettungsdienst braucht durchschnittlich acht Minuten bis zum Eintreffen beim Patienten. Da hat das Gehirn möglicherweise bereits irreversible Schäden erlitten“, erläutert Friedrich. Seiner Erfahrung nach scheuen sich viele Menschen vor einer Reanimation. Durch eine frühzeitig begonnene Herzdruckmassage würden aber die Überlebenschancen verdoppelt. Wenn nicht sogar vervierfacht.

    Die Herzdruckmassage ist unverzichtbar

    Einer aktuellen Studie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zufolge überleben nur zehn Prozent der Betroffenen einen Herzstillstand. Unter anderem liege diese niedrige Zahl auch daran, dass sich zu wenige Menschen mit Wiederbelebung auskennen. Nach Angaben der DGAI erleiden in Deutschland jedes Jahr mehr als 50000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des Krankenhauses – aber nur in 34 Prozent dieser Notfälle trauen sich Ersthelfer eine Reanimation zu. „Viele Menschen haben Angst davor, vor allem wenn es darum geht, jemanden zu beatmen, der vielleicht erbrochen hat“, sagt Klinikums-Arzt Friedrich. Das Hauptaugenmerk liege aber weniger auf der Beatmung als auf der Herzdruckmassage. „Das sollte wirklich jeder machen, der einen Bewusstlosen findet.“

    Falsch machen könne man dabei nichts, sagt Friedrich. Zuerst geht es darum, zu überprüfen, ob der Patient noch reagiert und atmet. Unter der europaweit gültigen Nummer 112 muss dann die Rettungsleitstelle angerufen werden. Danach muss sofort mit der Herz-Druckmassage begonnen werden, bei der der Brustkorb etwa 100 bis 120 Mal pro Minute fünf bis sechs Zentimeter tief eingedrückt wird – und zwar so lange, bis professionelle Hilfe kommt.

    Regelmäßige Erste-Hilfe-Kurse können Leben retten

    Obwohl nach wie vor nur wenige Laien-Ersthelfer mit Wiederbelebungsmaßnahmen eingreifen, hat sich die Zahl in den vergangenen Jahren aber schon deutlich verbessert. „Vor vier Jahren waren es gerade einmal 18 Prozent der Ersthelfer, die mit einer Reanimation angefangen haben“, sagt Friedrich, der diesen Anstieg auf Aktionen wie die „Woche der Wiederbelebung“ zurückführt. Er macht aber auch deutlich: Die Zahl ist noch immer zu niedrig. Vor allem im Vergleich mit anderen Ländern. In Norwegen etwa liegt die Laien-Reanimationsquote bei 70 Prozent. Das bedeutet, bei zwei Drittel aller Herzstillständen beginnen Ersthelfer sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Wenn die Laien-Reanimationsquote auch hierzulande weiter gesteigert würde, könnte Tausenden Menschen das Leben gerettet werden.

    Während Führerscheinneulinge oder betriebliche Ersthelfer regelmäßig geschult werden, liegt beim Großteil der Menschen der letzte Erste-Hilfe-Kurs Jahrzehnte zurück. „Es wäre wünschenswert, dass solche Kurse regelmäßig wiederholt würden“, sagt Christian Geier, Rettungsassistent beim Bayerischen Roten Kreuz und dort für die Ausbildung zuständig. Er kann die Angst vieler Menschen vor einer Reanimation verstehen: „Wenn ich an meine Anfangszeit im Rettungsdienst zurückdenke, dann ist das schon eine riesige Hemmschwelle, jemanden auf den Brustkorb zu drücken.“ Dass manche Menschen aber gar nichts tun, kann er nicht nachvollziehen.

    Inzwischen gibt es auch eine sogenannte „Defi App“. Damit kann man sich mit seinem Handy orten lassen, die App zeigt dann an, wo sich der nächste Defibrillator befindet. „Das Gerät kann jeder benutzen. Es ist so aufgebaut, dass es einem alles erklärt“, sagt Geier und macht noch einmal deutlich, wie wichtig beherztes Eingreifen ist: Bei einem Kreislaufstillstand sinkt die Überlebenschance für den Betroffenen pro Minute um zehn Prozent. Bis der Notruf abgesetzt ist und der Arzt kommt, dauert es einige Minuten. Vor allem in ländlichen Regionen kann es dann schnell eng werden. (mit dpa)

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