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Bund Naturschutz: Vorsitzender: „Der Atomausstieg war unser größter Erfolg“

Bund Naturschutz

Vorsitzender: „Der Atomausstieg war unser größter Erfolg“

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    Der Bund Naturschutz setzt sich dafür ein, dass in Bayern nicht mehr so viele Fläche zugebaut werden.
    Der Bund Naturschutz setzt sich dafür ein, dass in Bayern nicht mehr so viele Fläche zugebaut werden. Foto: Bernhard Weizenegger (Symbolfoto)

    Kein Artensterben, keine Atomkraftwerke, keine umweltschädigende Autobahnen – Herr Mergner, Sie sind seit April der neue Vorsitzende des Bund Naturschutz, warum wurde 1913 der Bund Naturschutz ausgerechnet in Bayern gegründet?

    Richard Mergner: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren in vielen europäischen Ländern, etwa auch in Österreich und der Schweiz, viele Menschen erschüttert über die Folgen der ungezügelten Industrialisierung und Verstädterung. Man darf nicht vergessen: Damals hat es gestunken, es gab eine erhebliche Lärmbelästigung und die Flüsse wurden verschmutzt. Viele Menschen lebten zusammengepfercht in unzumutbaren Wohnverhältnissen, waren krank aufgrund der vielen Emissionen, der schlechten Luft. Parallel dazu entwickelte sich quasi als Gegenentwurf in Kunst und Kultur die Strömung der „Romantik“ mit Vorstellungen von einem guten Leben in unberührter Natur. Aus diesem Zeitgeist entstand ungefähr ab 1880 die Heimatschutzbewegung, in deren Folge 1913 auch der Bund Naturschutz gegründet wurde, um Naturschönheiten und Naturdenkmäler zu schützen.

    Und warum gerade in Bayern?

    Mergner: Hier gab es eben engagierte Gründerväter wie den ersten Vorsitzenden des Bund Naturschutz, den Münchner Forstwissenschaftler Professor Karl Freiherr von Tubeuf, der sich zum Beispiel 1916 gegen die Verschandelung des Königssees eingesetzt hat. Dort sollte ein riesiges Kriegsmonument in Form eines assyrischen Löwen an der Falkensteiner Wand des Watzmanns geschlagen werden. Dass dies verhindert wurde, war der erste Erfolg des Bund Naturschutz und die Keimzelle für den Nationalpark Berchtesgaden. Schon damals wurde klar, dass man einen unabhängigen Verein braucht, der sich schützend vor die Natur stellt.

    Stimmt es, dass der Bund Naturschutz in den 60er Jahren noch für die Atomkraft kämpfte?

    Also engagiert gekämpft hat der Bund Naturschutz nicht für die Atomkraft. Man wollte vor allem die großen bayerischen Flüsse vor Wasserkraftwerken bewahren. Da aber aufgrund der Industrialisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs immer mehr Strom gebraucht wurde, hoffte man, dass mit der vermeintlich sauberen Kernenergie die bayerischen Flüsse vor dem Zubau mit Kraftwerken bewahrt werden können. Die Atomkraft galt damals fälschlicherweise als sauber. Man denke nur daran, dass Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt mitten in Berlin ein Atomkraftwerk bauen wollte.

    Wann kam dann die Trendwende?

    Mergner: Den Anstoß gab damals eine Frau, die Physikerin Erika Wachsmann, die ehrenamtlich im Bund Naturschutz engagiert war und die eindringlich vor den Risiken der Atomkraft gewarnt hat. Das Thema wurde dann auf Delegiertenversammlungen diskutiert und der Bund Naturschutz kam von einem bedingten Ja letztendlich zu einem entschiedenen Nein und versuchte fortan, den Bau von Atomkraftwerken vehement zu verhindern. Manchmal ist es gelungen, wie zum Beispiel in Viereth bei Bamberg, aber leider nicht immer. Es sollten aber in Bayern ursprünglich viel mehr Atomkraftwerke gebaut werden, als nun stillgelegt werden.

    Eine Frau hat so viel bewegen können?

    Mergner: Ja, das zeichnet uns auch aus, dass wir ein demokratischer Verband sind, dass Ideen von Einzelnen diskutiert werden und zu Positionen führen können. Bei der Trendwende weg von der Atomkraft kam natürlich hinzu, dass sich immer mehr Widerstand auch in der Bevölkerung bildete, es wurden Bürgerinitiativen gegründet, das Wissen um die Gefahren der Atomkraft wuchs enorm. Es ist aber eine interessante Geschichte und wir haben immer zur CSU gesagt, es ist nichts Schlechtes, wenn man schlauer wird und neue Erkenntnisse annimmt, wir haben das selbst erlebt – allerdings spielen bei uns Macht und Geld anders als in Parteien keine Rolle.

    Ist der Baustopp der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf 1989 der größte Erfolg des Bund Naturschutz? Viele können sich sicher noch erinnern, wie der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß die Aktivisten als Berufsdemonstranten und Nein-Schreier beschimpft hat.

    Mergner: Der Atomausstieg insgesamt und der Einstieg in erneuerbare Energien gehören sicher zu unseren größten Erfolgen. Für mich gibt es aber drei weitere wichtige Erfolge: erstens, dass Bayern gentechnikanbaufrei ist. Es werden zwar leider immer noch gentechnisch veränderte Futtermittel importiert und Produkte wie Milch nicht ausreichend gekennzeichnet. Aber, wenn man bedenkt, dass noch vor einigen Jahren für die CSU unter dem früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber die Gentechnik die Zukunft in der Landwirtschaft war, haben wir hier einen riesigen Umbruch erreicht. Zweitens ist uns im Rahmen unseres Artenschutzprogramms die Wiederkehr der Urbayern Wildkatze und Biber gelungen. Drittens sind wir mitverantwortlich, dass Bayern als erstes Bundesland ein Umweltministerium bekommen hat.

    Aber der Bund Naturschutz musste auch herbe Niederlagen erleben – etwa die Eröffnung des Rhein-Main-Donau-Kanals 1992.

    Mergner: Das war sicher ein Rückschlag. Allerdings steckte in dieser Niederlage auch der Keim für den heutigen Erfolg an der Donau. Hier ist es vor allem dem Engagement meines Vorgängers Hubert Weiger zu verdanken, dass wir die Kanalisierung der Donau zwischen Straubing und Vilshofen verhindern konnten. Wo wir allerdings nach wie vor ganz dicke Bretter bohren müssen, ist beim ungehemmten Straßenausbau und Straßenbau in Bayern – da haben wir gerade auch in Schwaben schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Treiber ist da im Übrigen nur in seltenen Fällen die Bevölkerung, sondern sehr oft die Bauindustrie.

    Wo mussten Sie in Schwaben eine Niederlage beim Straßenbau einstecken?

    Mergner: Hier wäre vor allem der Bau der A7 Kempten-Füssen zu nennen, aber auch bei einer Vielzahl von kleineren Maßnahmen, die in der Summe das Landschaftsbild massiv beeinträchtigen, wie zum Beispiel kürzlich der Ausbau der B10 bei Neu-Ulm oder der Ortsumfahrung Holzgünz im Unterallgäu. Aber wir hatten auch schon Erfolge: So hat ein Bürgerentscheid im Jahr 2010 in Immenstadt zum Stopp der B308-Umfahrung geführt.

    Und Ihre größte Baustelle in Bayern?

    Mergner: Der Kampf gegen den Flächenfraß. Das Volksbegehren „Betonflut eindämmen“, das von den Grünen initiiert wurde, ist eine Notwehrmaßnahme gegen den Missbrauch der kommunalen Planungshoheit und gegen eine von Staatsregierung und Landtagsmehrheiten zur Wirkungslosigkeit deformierten Regional- und Landesplanung. Das Gerede vom freiwilligen Flächensparen oder der Förderung der Innenentwicklung – wie in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder – ist völlig unglaubwürdig angesichts des Zerfledderns des Anbindegebots oder des Festhaltens an gigantischen Straßenbauprogrammen und an der 3. Startbahn am Münchner Flughafen.

    Wenn Sie auf Schwaben blicken, gibt es aus Ihrer Sicht ein besonders brisantes Beispiel von Flächenfraß?

    Mergner: Schwaben ist besonders betroffen. Zum Beispiel durch die Entwicklung auf dem Lechfeld bei Graben und Kleinaitingen, wo schon auf über 100 Hektar Logistikhallen stehen und nun weitere 172 Hektar Gewerbegebiet geplant sind. Der unter anderem davon ausgelöste Schwerverkehr führt dazu, dass eine neue autobahngleiche Straße um Augsburg herum geplant ist: die Osttangente Augsburg mit weiterem massiven Flächenverbrauch.

    Müssten Sie nicht darauf hoffen, dass in Bayern im Herbst eine schwarz-grüne Koalition regiert, um mehr für Umwelt- und Naturschutz zu erreichen?

    Mergner: Die erste Hoffnung, die ich habe, ist, dass sich die Wähler nicht von nationalistischen und rechtsextremen Parteien verführen lassen. Das ist aktuell die größte Gefahr. Dann hoffe ich, dass sich die CSU wieder auf ihre wahren christlich-konservativen Wurzeln, auf die Bewahrung der Schöpfung besinnt. Da besteht momentan tatsächlich großer Handlungsbedarf. Und wir hoffen natürlich, dass, egal welche Koalition dann regiert, der Natur- und Klimaschutz einen höheren Stellenwert als jetzt genießt. Klar ist aber sicher auch, dass allein regierende Parteien immer dazu neigen, die Vorschläge von anderen erst gar nicht zu diskutieren, sondern gleich abzulehnen. Daher kann es nicht schaden, wenn eine Partei Bayern nicht allein regiert.

    Zur Person: Richard Mergner, 57, ist Vorsitzender des Bund Naturschutz. Der Diplom-Geograf ist verheiratet und lebt in Mittelfranken.

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