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Lebensmittel: Zehn Jahre danach: Was hat der Wertinger Gammelfleischskandal verändert?

Lebensmittel

Zehn Jahre danach: Was hat der Wertinger Gammelfleischskandal verändert?

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    Bei Fleischkontrollen sei das Dillinger Landratsamt zu lasch vorgegangen, wurde damals kritisiert.
    Bei Fleischkontrollen sei das Dillinger Landratsamt zu lasch vorgegangen, wurde damals kritisiert. Foto: Bernd Thissen, dpa

    Eine ziemlich eklige Serie fand vor zehn Jahren in Wertingen (Kreis Dillingen) ihren Höhepunkt. Der Lkw-Fahrer Miroslaw Strecker informierte die Behörden über eine seltsame Szene, die sich abgespielt hatte, als er eine Ladung mit Schlachtabfällen zu der Wertinger Firma „Wertfleisch“ lieferte. Dort angekommen, beobachtete er, wie der Wertinger Metzger die Etiketten mit dem Schriftzug „Nicht für den menschlichen Verzehr geeignet“ von den gelieferten Paletten abriss und in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Damit hatte Schwaben seinen „Gammelfleischskandal“ und Wertingen kam bundesweit zu unrühmlicher Berühmtheit.

    100 Tonnen Gammelfleisch in ganz Europa verkauft

    Im Verlauf der Untersuchungen kam heraus, dass der Metzger und seine Komplizen über 100 Tonnen Fleisch der Kategorie drei (K3) – darunter fallen etwa Geschlechtsorgane und Innereien – als vollwertiges Fleisch an Händler in ganz Europa verkauft hatten, beispielsweise an Berliner Dönerbuden. Vor Gericht war er geständig und offenbarte Einblicke in sein kriminelles Handeln. Seine Enthüllungen waren in ihrer Banalität verstörend: Viel mehr als Etiketten entfernen musste der Wertinger nicht tun. Er verkaufte die Ekelware billig, aber eingekauft hatte er sie noch billiger. Käufer fanden sich genug, an die Abfälle zu kommen war für ihn ebenfalls kein Problem.

    Das zuständige Dillinger Landratsamt wurde stark kritisiert: Die Mitarbeiter des Veterinäramtes hätten zu lasch kontrolliert. Landrat Leo Schrell (Freie Wähler) verteidigte seine Mitarbeiter: Stichprobenartige Kontrollen könnten wenig ausrichten gegen derartige Straftaten, wenn diese entsprechend schnell erfolgten. Stattdessen forderte Schrell eine Einfärbung von K3-Fleisch mit spezieller Lebensmittelfarbe, wie es bei der Kategorie eins – für den Menschen potenziell gefährliches Fleisch – üblich ist. In der bayerischen Politik fand dies viel Zustimmung, war der Vorschlag auch von anderen Experten schon formuliert worden. Doch auf Bundes- und Europaebene ließ sich die Maßnahme nicht durchsetzen.

    Eine „Spezialeinheit“ wurde gegründet

    Konsequenzen hatten die Gammelfleischskandale – 2005 und 2006 waren schon Fälle in Deggendorf und München aufgetreten – dennoch. Der damalige Staatssekretär Marcel Huber (CSU) ließ eine „Spezialeinheit“ gründen, die aus rund 90 Computerspezialisten, Tierärzten, Juristen und anderen Fachleuten besteht und eng mit der Polizei zusammenarbeitet, wie es aus dem Bayerischen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz heißt. Diese Spezialeinheit können die Landratsämtern bei größeren Verdachtsfällen zu Hilfe rufen. Außerdem arbeiten die Kontrolleure seit dem Gammelfleischskandal nach dem Rotationsprinzip, sodass der- selbe Kontrolleur nicht über viele Jahre denselben Betrieb begutachtet. „Wir haben in Bayern bereits ein hohes Kontrollniveau“, sagte Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf unserer Zeitung. Wenn Schlachtabfälle als Lebensmittel verkauft würden, sei dies „kriminell und nicht hinnehmbar“.

    Am 6. Juli 2017 ging der Bayerische Landtag dann noch weiter und verabschiedete eine weitere umfassende Reform der Kontrollmechanismen. Eine neue Behörde mit Sitz in Kulmbach wird ab 1. Januar 2018 die Kontrolle von rund 800 „komplexen“ Lebensmittelbetrieben übernehmen. Das Jahresbudget liegt bei rund 4,1 Millionen Euro. Dies sei laut Aussage eines Ministeriumssprechers notwendig, um die komplizierter werdenden Produktionsabläufe zuverlässig überwachen zu können.

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