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Prozess in Nördlingen: Zwölf Stämme: Kinder mit Stock geschlagen - Mütter verurteilt

Prozess in Nördlingen

Zwölf Stämme: Kinder mit Stock geschlagen - Mütter verurteilt

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    Über Monate hat sich Journalist Wolfram Kuhnigk immer wieder in den Sitz der "Zwölf Stämme" in Klosterzimmer  eingeschleust und gefilmt.
    Über Monate hat sich Journalist Wolfram Kuhnigk immer wieder in den Sitz der "Zwölf Stämme" in Klosterzimmer eingeschleust und gefilmt. Foto: RTL (Archiv)

    Zwei Mitglieder der Sekte Zwölf Stämme wurden gestern vor dem Amtsgericht Nördlingen wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Richter Gerhard Schamann sah es in beiden Prozessen als erwiesen an, dass die Mütter ihre Kinder mit Ruten geschlagen hatten und verhängte einmal neun und einmal sechs Monate Haft auf Bewährung. Die Strafe lag damit etwas unter den Forderungen von Staatsanwalt Christian Grimmeisen, der einmal auf zwölf und einmal auf neun Monate auf Bewährung plädiert hatte.

    Zwölf Stämme-Mitglieder demonstrierten

    Es waren zwei denkwürdige Prozesse, die sich am Dienstag im Amtsgericht in Nördlingen (Landkreis Donau-Ries) abspielten. Draußen vor dem Gebäude demonstrierte die Sekte  „Zwölf Stämme“, verteilte Flugblätter an Passanten und hielt Plakate hoch, auf denen sie dem Jugendamt vorwarf, ihnen „ohne Beweise“ das Sorgerecht für viele ihrer Kinder entzogen zu haben. Drinnen standen nacheinander zwei Mitglieder der Glaubensgemeinschaft vor Gericht.

    Die Staatsanwaltschaft hatte den zwei Frauen vorgeworfen, ihre Kinder mit Stöcken geschlagen zu haben. Die beiden Angeklagten lehnten Strafbefehle wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung jeweils ab, also kam es zu den Verhandlungen.

    Zwölf Stämme: Videos des RTL-Reporter Kuhnigk als Beweismittel

    In beiden Prozessen drehte sich alles um Videoaufnahmen. Der RTL-Reporter Wolfram Kuhnigk hatte sich im Sommer 2013 in die Glaubensgemeinschaft eingeschleust und in deren Sitz in Klosterzimmern heimlich Aufnahmen gemacht, auf denen zu sehen ist, wie die Frauen ihre Kinder mit Stöcken schlagen.

    Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme"

    Die "Zwölf Stämme" (The Twelve Tribes) sind eine urchristliche Glaubensgemeinschaft, die in den 70er Jahren in den USA gegründet wurde.

    Die Anhänger der "Zwölf Stämme" leben streng nach der Bibel, die sie wortwörtlich auslegen. Sie sind fest davon überzeugt, dass ihr Glaube der einzig Richtige ist.

    "Grundlage unseres Lebens ist der Gehorsam zu den Worten Jahschuas , des Messias, so wie sie in der Bibel, dem Wort Gottes, niedergeschrieben sind", schreiben die "Zwölf Stämme" über sich selbst.

    Die Zwölf Stämme haben weltweit etwa 2000 Mitglieder, davon etwa 100 in Deutschland.

    Mitglieder der Zwölf Stämme leben und arbeiten in streng hierarchisch aufgebauten Kommunen zusammen.

    Eine dieser Kommunen wohnt seit 2000 im Gut Klosterzimmern im Kreis Donau-Ries.

    Die Mitglieder der „Zwölf Stämme“ weigern sich, ihre Kinder in staatliche Schulen zu schicken. Die Gemeinschaft begründet dies mit ihrer Religion, macht „Gewissensgründe“ geltend. Ein Grund ist der Sexualkundeunterricht.

    "Unsere Religion hat sich nicht in den Staat einzumischen und umgekehrt sollte sich der Staat nicht in unsere Religion einmischen", ist eine weitere Aussage der "Zwölf Stämme" .

    Ab 2006 unterrichteten die Zwölf Stämme in Klosterzimmern ihre Kinder in einer Privatschule.

    Wegen des Verdachts, sie würden ihre Kinder züchtigen, haben die "Zwölf Stämme" immer wieder Ärger mit Polizei und Justiz. Die Mitglieder bestreiten die Vorwürfe.

    Als 2013 ein Video auftaucht, auf dem festgehalten ist, wie Mitglieder ihre Kinder mit Ruten schlagen, holen Polizisten alle 40 Kinder der Sekte ab und bringen sie in Pflegefamilien unter.

    Im September 2015 kündigen die "Zwölf Stämme" an Deutschland zu verlassen und nach Tschechien zu ziehen. Die Sekte hofft, dort ihren Glauben frei ausleben zu können.

    Staatsanwaltschaft und Verteidigung waren unterschiedlicher Ansicht darüber, ob man diese Videos als Beweismittel zulassen darf. Richter Gerhard Schamann entschied schließlich: Man darf. Da sie der einzige Beweis für die Schläge waren, hätten die beiden Sektenmitglieder ansonsten freigesprochen werden müssen, was ihre Verteidigung auch forderte.

    Doch so kam es nicht. Schamann verurteilte eine Mutter schließlich zu neun, die andere zu sechs Monaten Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung. Um das Sorgerecht für die Kinder, die derzeit in Pflegeeinrichtungen sind, ging es bei dem Prozess nicht. Das entscheidet das Familiengericht in anderen Verhandlungen.

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