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Kommentar: Steinmeiers Botschaft lautet: Reißt euch zusammen!

Kommentar

Steinmeiers Botschaft lautet: Reißt euch zusammen!

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    Möchte keine Neuwahlen: Bundespräsident Steinmeier.
    Möchte keine Neuwahlen: Bundespräsident Steinmeier. Foto: Wolfgang Kumm, dpa (Archiv)

    Es ist die Stunde des Bundespräsidenten. Das Experiment einer "Jamaika"-Koalition ist gescheitert, die fast 70 Jahre alte Bundesrepublik erlebt ihre erste Regierungsbildungskrise. Dem Präsidenten, der in normalen Zeiten repräsentative und notarielle Aufgaben versieht und nur über die Macht des Wortes verfügt, fällt plötzlich eine Schlüsselrolle zu.

    Der gelernte Diplomat Steinmeier handelt im Geist des Grundgesetzes, das auf stabile Regierungsverhältnisse angelegt ist und die Staatsräson über die Parteiinteressen stellt. Seine Botschaft lautet: Ich will keine Neuwahlen, die helfen nicht weiter. Also reißt euch zusammen und erfüllt eure Pflicht, eine Regierung zu bilden! Es ist ein Appell zur Neuauflage der Großen Koalition, der einzig verbliebenen Option. Steinmeier kann den Parteiführern Merkel, Seehofer und Schulz nichts befehlen. Doch ein klares Wort des Mannes, der in seinem früheren Leben ein führender SPD-Politiker war und die schwarz-roten Innereien kennt, dürfte genügen, damit es zu einer ersten Sondierungsrunde kommt.

    Die SPD tut sich mit der Lage schwer

    Bei Merkel und Seehofer rennt Steinmeier offene Türen ein. Die wendige Kanzlerin ist nach dem "Jamaika"-Schlamassel umgehend auf GroKo-Kurs gegangen, nachdem sie der SPD eben noch Regierungsunfähigkeit vorgeworfen hatte. Die SPD hingegen, die von Merkel seit 2005 in zwei Großen Koalitionen auf zuletzt 20 Prozent geschrumpft wurde und nun den Nothelfer geben soll, tut sich mit der neuen Lage sehr schwer. Es war eben ein Fehler, schon am Wahlabend um 18.03 Uhr den Abmarsch in die Opposition zu verkünden. Und es war ein noch schwererer Fehler des überfordert wirkenden, um sein politisches Überleben kämpfenden Vorsitzenden Schulz, die von der Erneuerung in der Opposition träumende Partei nach dem "Jamaika"-Aus noch einmal auf Opposition einzuschwören. Jetzt steht die SPD unter dem gewaltigen Druck, sich um ihrer staatspolitischen Verantwortung willen noch einmal auf das verhasste Bündnis mit der Union einzulassen – und Schulz hat größte Mühe, das Ruder herumzureißen und seine Partei für die Idee einer neuen GroKo zu erwärmen.

    Es stimmt ja: Der SPD ist die Allianz mit der Union schlecht bekommen. Und wem ist schon auf Dauer nach einer Regierung der beiden Volksparteien zumute, die das demokratische Wechselspiel erschwert, die Ränder stärkt und zur Verwaltung des Status quo neigt? Das ganze Land hatte ja das Gefühl, dass es Zeit sei für eine andere, eine frischere und innovativere Regierung. Das Problem ist, dass dieses Land eine stabile, mit verlässlichen Mehrheiten operierende Regierung braucht und nur eine Koalition der Wahlverlierer dafür sorgen kann. Also wird der SPD am Ende gar nichts anderes übrig bleiben, als in den sauren Apfel zu beißen. Nirgendwo steht ja geschrieben, dass die SPD an der Seite einer sichtbar schwächer werdenden Kanzlerin noch weiter abrutscht.

    Mögliche GroKo: Es wird hart zur Sache gehen

    Und da die GroKo, einst mit 70 Prozent angetreten, nur noch 53 Prozent auf die Waage bringt und es mit vier Oppositionsparteien zu tun bekommt, braucht einem auch um den Parlamentarismus nicht bange zu sein.

    Die SPD, so viel ist klar, wird ihre Haut so teuer wie irgend möglich verkaufen wollen. Da die Union nicht jeden Preis bezahlen kann und ihre Kundschaft im Auge behalten muss, wird es hart zur Sache gehen. Schwarz-Rot ist trotz des Zwangs zur Einigung kein Selbstläufer. Sollten die Unterhändler scheitern, kommen Steinmeier und eine Minderheitsregierung als Notlösung ins Spiel. Für eine Übergangszeit, ehe die Wähler wieder ranmüssen und – hoffentlich – für klarere Verhältnisse sorgen.

    Neuigkeiten lesen Sie auch hier in unserem News-Blog zum Bundestag.

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