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Medientage München: Digitale Revolution: Wohin geht die Reise?

Medientage München

Digitale Revolution: Wohin geht die Reise?

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    Welche Entwicklung nehmen die Medien? Für den Gründer und Aufsichtsrat der Werbeagentur Jung von Matt, Jean-Remy von Matt, steht jedenfalls fest: Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert und die des sozialen Netzwerks Facebook durch Mark Zuckerberg waren Meilensteine.
    Welche Entwicklung nehmen die Medien? Für den Gründer und Aufsichtsrat der Werbeagentur Jung von Matt, Jean-Remy von Matt, steht jedenfalls fest: Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert und die des sozialen Netzwerks Facebook durch Mark Zuckerberg waren Meilensteine. Foto: Daniel Wirsching

    Es ist ein düsteres Bild, das mancher Medienexperte bei den diesjährigen Medientagen München zeichnet. Stephen Dunbar-Johnson von der The New York TimesCompany findet George Orwells 1949 erschienenen Roman 1984 „furchterregend aktuell“. Orwell beschrieb das Leben in einer damals nicht allzu fernen Zukunft in einem totalitären Überwachungsstaat: „Big Brother is watching you.“

    Der – umstrittene – Internet-Kritiker Andrew Keen, selbst ein Geschöpf des Silicon Valley, prophezeit: „Die Zukunft ist furchterregend.“ Künstliche Intelligenz, also maschinelles Lernen, sei eine sich abzeichnende neue Bedrohung. Bedrohlicher noch als das gegenwärtige Internet. Das habe sein großes Versprechen auf Jobs, Wohlstand oder Aufklärung nicht eingelöst. Stattdessen habe es Monopole entstehen lassen und die Nutzer zum Produkt gemacht. Die Demokratie zerstöre es obendrein.

    „Wir haben alles ans Internet angeschlossen - warum nicht auch unseren Kopf?“

    Miriam Meckel sprach bei den Medientagen München über „Das Jahrhundert des Gehirns“. 
    Miriam Meckel sprach bei den Medientagen München über „Das Jahrhundert des Gehirns“.  Foto: Katharina Both, MTM

    Selbst Miriam Meckel, Herausgeberin der Wirtschaftswoche und Kommunikationswissenschaftlerin, entfährt das Wort „gruselig“. Sie hat allerdings am eigenen Körper erfahren, was es bedeutet, wenn Hirnareale über eine App mit leichter Stromzufuhr manipuliert werden: Sie konnte nicht schlafen, ihr wurde übel. Meckel befasst sich seit Jahren intensiv mit „Brain-Technologien“ – jener Verbindung von Neurowissenschaften mit Computertechnologie. Wenn sie von den Plänen des Unternehmers Elon Musk erzählt, jeder Mensch solle ein Hirnimplantat erhalten und diese Implantate würden miteinander verbunden, ist das in der Tat eine gruselige Vorstellung. Denn alles, was Menschen denken oder wissen, könnte dann in einer Datenbank gespeichert werden – letztlich um mit Computern und Künstlicher Intelligenz mithalten zu können. Science-Fiction? Nein, so Meckel. Forscher hielten so etwas durchaus für vorstellbar – in ferner Zukunft.

    Bereits in der Gegenwart ist Erstaunliches möglich. Meckel probierte es aus. Mit einer EEG-Haube auf dem Kopf gelang es ihr, ein Wort am Computer zu schreiben – durch Gedankenkraft. Ein Algorithmus lernte, ihre Gehirnsignale zu deuten – etwa wenn sie sich den Buchstaben A dachte. 2017 habe Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ein Gerät angekündigt, mit dem man Textnachrichten ins Smartphone denken könne, in einer Geschwindigkeit von hundert Wörtern pro Minute. „Das wird ein marktfähiges Produkt“, meint Meckel. Und so schön es wäre, bei einem Glas Rotwein auf der Couch Mails per Gedanken zu beantworten – so problematisch könne die Technologie sein: Geräte wie das von Zuckerberg angekündigte könnten schließlich gehackt werden. Wie Herzschrittmacher heute schon. Dabei liegt nahe, was kommen wird: „Wir haben alles ans Internet angeschlossen, sogar unsere Hörgeräte“, sagt Meckel. „Warum nicht auch unseren Kopf?“ Der nächste digitale Quantensprung, das scheint festzustehen, wird die Welt und uns weit mehr verändern als das Internet.

    Digitale Revolution wird gewaltige Veränderungen mit sich bringen

    Ja, das gute alte Internet, möchte man sagen – und das neue Buch Dirk von Gehlens von derSüddeutschen Zeitung empfehlen. Der war zwar nicht als Referent oder Podiumsgast bei den Medientagen. In seiner „Gebrauchsanweisung für das Internet“ trägt er aber zu einer wohltuenden Versachlichung bei: „Wir sollten uns darüber bewusst sein, dass das Internet ein Geschenk ist“, trotz der großen Probleme, die es zutage fördere, schreibt er. „Stellen Sie sich vor, es gäbe das Netz der Netze von heute auf morgen nicht mehr; keine Mails mehr…, kein sofortiger Zugriff auf weltweites Wissen“ – es wäre „ein unbestreitbarer zivilisatorischer Verlust“. Seit Jahrzehnten nutzen wir nun das Internet, Kinder wachsen ganz selbstverständlich damit auf. Braucht es da überhaupt noch eine „Gebrauchsanweisung“? Sie ist notwendiger denn je. Das Internet hat unser Leben verändert – umso wichtiger ist es, zu verstehen, was es ist. Das erklärt von Gehlen überaus anschaulich.

    Die nächste Stufe der sogenannten Digitalen Revolution wird nochmals gewaltigere Veränderungen mit sich bringen, darin sind sich Medienexperten einig. Nicht nur nach Auffassung von Miriam Meckel befinden wir uns auf „einer Reise, die wir gerade erst begonnen haben“. Jetzt sei die Zeit, sagt sie am Ende ihres Vortrags bei den Medientagen, über den digitalen Fortschritt nachzudenken: „Wollen wir das so? Was wollen wir? Wie wollen wir es ausgestalten?“ Es ist allerhöchste Zeit, mag man anfügen.

    Die Bücher:

    • Miriam Meckel: Mein Kopf gehört mir. Eine Reise durch die schöne neue Welt des Brainhacking. Piper, 288 Seiten, 22 Euro
    • Andrew Keen: How to fix the future. Fünf Reparaturvorschläge für eine menschlichere digitale Welt. Deutsche Verlags-Anstalt, 320 Seiten, 22 Euro
    • Dirk von Gehlen: Gebrauchsanweisung für das Internet. Piper, 224 Seiten, 15 Euro
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