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Abmahnwelle der Kanzlei U+C: Abmahnung wegen Porno-Stream: So reagiert man richtig

Abmahnwelle der Kanzlei U+C

Abmahnung wegen Porno-Stream: So reagiert man richtig

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    Die Kanzlei U+C hat tausende Internetnutzer wegen Ansehen eines Videostreams auf einer Porno-Plattform abgemahnt. Was hat das für Folgen? Und wie reagiert man in so einem Fall?
    Die Kanzlei U+C hat tausende Internetnutzer wegen Ansehen eines Videostreams auf einer Porno-Plattform abgemahnt. Was hat das für Folgen? Und wie reagiert man in so einem Fall?

    Eine Abmahnwelle rollt über Deutschland. Wohl mehr als 10.000 Internetnutzer, so Schätzungen, wurden seit vergangenem Donnerstag abgemahnt, weil sie sich pornografische Filme auf der Internetplattform Redtube angesehen haben sollen. Die Kanzlei Urmann + Collegen (U+C) fordert von den Betroffenen die Abgabe einer Unterlassungserklärung - und pro Fall 250 Euro.

    Was hat es mit den Abmahnungen auf sich? Was ist das Ungewöhnliche daran? Und sollte man als Betroffener einfach so bezahlen? Hier der aktuelle Stand:

    Was steckt hinter den Abmahnungen der Kanzlei U+C?

    Die Regensburger Kanzlei U+C hat tausende Menschen wegen Nutzung der Internetplattform Redtube abgemahnt. Die Betroffenen hätten einen oder mehrere Pornofilme auf der Internetplattform Redtube angesehen und damit einen Urheberrechtsverstoß begangen. Deshalb sollen die Abgemahnten eine Unterlassungserklärung abgeben und 250 Euro an eine Firma namens "The Archive" zahlen, nämlich 169,50 Euro Anwaltskosten, 65 Euro Ermittlungskosten und 15,50 Euro Schadensersatz.

    Ist das Ansehen eines Video-Streams im Internet ein Urheberrechtsverstoß?

    Das, was die Kanzlei U+C in ihren Abmahnungen als Tatsache in den Raum stellt, ist alles andere als klar. Ganz im Gegenteil ist die Frage, ob Streaming tatsächlich ein Urheberrechtsverstoß ist, bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Viele renommierte Juristen, etwa der bekannte Strafrechtler Udo Vetter, der Fachanwalt für Urheberrecht Karsten Gulden, oder der Anwalt Christian Solmecke gehen davon aus, dass Streaming eben kein Urheberrechtsverstoß ist. “Im Ergebnis dürfte (…) das Anschauen eines Films per Stream trotz Zwischenspeicherung im Cache urheberrechtlich nicht zu beanstanden sein, da die Ausnahme des § 44 a UrhG hier greift”, schreibt etwa Anwalt Solmecke aktuell in seinem Blog.

    Sind die Abmahnungen rechtlich korrekt?

    Bei den Streaming-Abmahnungen der U+C sehen Juristen und Verbraucherschützer eine ganze Reihe von kritischen Punkten:

    • Es ist völlig ungeklärt, ob das Ansehen von Streams tatsächlich illegal ist.
    • Um Schadensersatz verlangen zu können, müssten der oder die Filme aus einer “offensichtlich rechtswidrigen Quelle” stammen. so sagt es das Gesetz. Bei Redtube ist die Frage, ob es sich dabei um eine solche Quelle handelt.
    • Der angesetzte Gegenstandswert ist nach Meinung von Verbraucherschützern zu hoch.
    • Als Anschlussinhaber muss man nicht für jeden Urheberrechtsverstoß haften, der über seinen Anschluss erfolgt ist. “Die Rechtsanwälte U + C behaupten dies in ihrem Schreiben zwar, aber die Rechtsprechung sieht mittlerweile anders aus”, schreibt der Strafrechtler Udo Vetter.

    Betreffen die Abmahnungen nur pornografische Filme?

    Bei der aktuellen Abmahnwelle ja. Allerdings: Würde U+C mit seinen Abmahnungen durchkommen, hätte das möglicherweise noch ganz andere Dimensionen. Denn dann müsste jeder Internetnutzer damit rechnen, beim Ansehen eines Streams rechtlich belangt zu werden, wenn darin ein Urheberrechtsverstoß vorkommt. Beispiel: Man sieht sich ein Video bei Youtube an und darauf ist im Hintergrund Musik aus der Hitparade zu hören. Schon könnte einem eine teure Abmahnung ins Haus flattern.

    Wie ist die Kanzlei U+C  an die Namen und Adressen der Abgemahnten gekommen?

    Mehreren Berichten zufolge hat U+C wohl beim Landgericht Köln einen Herausgabebeschluss erwirkt. Daraufhin mussten die Internetprovider – vor allem wohl die Telekom – die Daten von Anschlussinhabern herausgeben, zu denen die bei der Stream-Nutzung mitgespeicherten IP-Adressen passen. Eine solche Herausgabe von Daten ist bei vorliegenden – oder zumindest glaubhaft gemachten – Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich erlaubt.

    Woher die IP-Adressen der – angeblichen – Stream-Nutzer stammen, ist bislang unbekannt.

    Ich habe die Seite Redtube genutzt und wurde jetzt abgemahnt. Sollte ich zahlen?

    Das kann man pauschal nicht beantworten. Vieles spricht dafür, nicht zu bezahlen: Die fragliche Rechtsgrundlage der Abmahnungen, die strittige Höhe der Abmahnkosten, die dubiose Art und Weise, wie U+C an die Nutzerdaten kam. Anderereseits besteht bei Nichtbezahlung die – theoretische – Möglichkeit, dass die Kanzlei vor Gericht zieht.

    Kann ich die Abmahnung der U+C ignorieren?

    Besser nicht. Den Brief des Anwalts zu ignorieren und einfach in den Papierkorb zu werfen, nutzt nichts. Denn die Kanzlei könnte dann - selbst wenn sie gar nicht Recht hat - eine einstweilige Verfügung erwirken oder vor Gericht ziehen. Die Verbraucherzentrale NRW schreibt: “In rechtlicher Hinsicht dürfte die Abmahnung angreifbar sein, da nach wie vor fraglich sein dürfte, ob durch das Streamen tatsächlich Urheberrechte verletzt werden. Denn das ist bislang rechtlich umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt. Dies gilt umso mehr, da das Portal redtube.com nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Betroffene sollten sich dringend Rechtsrat holen. Sollte dies aufgrund der kurzen Frist schwierig werden, sollte man versuchen, eine Fristverlängerung zu erreichen.” Dies geht per Brief als Einschreiben an die Kanzlei.

    Was kann mir schlimmstenfalls passieren, wenn ich nicht zahle oder nicht auf die Abmahnung reagiere?

    Dann könnte die Kanzlei gegen Sie eine einstweilige Verfügung vor Gericht erwirken. Dies geschieht in der Regel ohne mündliche Verhandlung im Schnellverfahren. Die Kosten des Verfahrens werden dabei Ihnen auferlegt. Gegen diese Verfügung könnten Sie Widerspruch einlegen. Dann müsste die U+C – oder die von ihr vertretende Firma – vor Gericht ziehen und den Fall durchkämpfen.

    Kommt es oft vor, dass die U+C gegen Abgemahnte vor Gericht zieht?

    Nein. Zumindest sind bislang sehr wenige solche Fälle bekannt geworden.

    Sollte ich die Unterlassungserklärung gegenüber U+C abgeben?

    Davon raten Experten ab. “Auf keinen Fall sollte man ungeprüft die geforderte Unterlassungserklärung unterzeichnen, da diese nach unseren derzeitigen Erkenntnissen zu weit gefasst ist”, schreibt etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. “Derzeit ist zur Abgabe der Unterlassungserklärung allerdings nicht zu raten. Es besteht jederzeit die Gefahr, dass der Nutzer im Internet den gleichen Film noch einmal anklickt und dann eine Vertragsstrafe zahlen müsste. Rechtlich ist der Nutzer aus unserer Sicht dazu auch nicht verpflichtet”, meint Anwalt Christian Solmecke. Und auch der Jurist Alexander Bräuer hat jede Menge Argumente zusammengetragen warum es sogar erst recht gefährlich werden kann, wenn man die vorgefertigte Unterlassungserklärung unterschreibt.

    Wie geht es in dem Fall jetzt weiter?

    Man kann davon ausgehen, dass die Verbraucherzentralen zeitnah Musterbriefe für Betroffene zur Verfügung stellen. Bis dahin sollte man gegebenenfalls bei der U+C um Fristverlängerung in seinem Fall bitten. Vermutlich werden sich auch erste Betroffene rechtlich gegen die Abmahnungen zur Wehr setzen. Gleich mehrere Anwälte dokumentieren die aktuellen Entwicklungen in dem Fall.

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