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Reiseportale: Urlaubsplanung per Chatbot: "Ich habe 5291 Flugangebote für Sie"

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Urlaubsplanung per Chatbot: "Ich habe 5291 Flugangebote für Sie"

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    Der Kayak-Chatbot im Facebook-Messenger kommuniziert augenscheinlich wie ein echter Mensch - doch der Funktionsumfang ist noch begrenzt.
    Der Kayak-Chatbot im Facebook-Messenger kommuniziert augenscheinlich wie ein echter Mensch - doch der Funktionsumfang ist noch begrenzt. Foto: Franziska Gabbert, dpa

    Sieht so die Zukunft aus? In dem erfolgreichen Kinofilm "Her" verliebt sich der schüchterne Theodore, gespielt von Joaquin Phoenix, in ein Computersystem namens Samantha. Ein solches Szenario ist noch Science-Fiction. Doch die Interaktion zwischen Mensch und Maschine wird stetig besser. Heißt: menschenähnlicher. Das hat auch die Tourismusbranche erkannt und setzt neuerdings auf Chatbots zur Kundenkommunikation. Was man wissen muss:

    Was sind Chatbots? 

    Chatbots sind Computerprogramme, die automatisiert mit dem Anwender kommunizieren. "Sie reagieren auf Schlagworte und typische Phrasen und können darauf antworten", erklärt Markus Schaffrin vom Verband der Internetwirtschaft (Eco). Dabei formuliert der Bot semantisch korrekte Sätze, wie ein Mensch. Er fragt zum Beispiel: "Wo soll die Flugreise losgehen?" Und er spricht oft von sich in der ersten Person: "Ich habe 5291 passende Flugangebote gefunden."

    Zum Einsatz kommen Chatbots innerhalb bekannter Programme wie dem Facebook Messenger oder Whatsapp. Dort kann sich der sonnenhungrige Urlauber dann direkt per Bot an den jeweiligen Reiseanbieter wenden. "Das ist sinnvoll, weil diese wichtigen Apps fast alle Nutzer auf ihren Geräten haben", sagt Schaffrin.

    Wie verbreitet sind Chatbots im Tourismus?

    Chatbots sind ein neues Phänomen. Bisher nutzen noch relativ wenig Touristikunternehmen die Programme, zum Beispiel die Metasuchmaschine Kayak und die Flugsuchmaschine Skyscanner. Die Branchenriesen Booking und Tripadvisor testen derzeit ebenfalls Chatbots. Es sind vor allem die Onliner, die sich dem Thema widmen. Die großen deutschen Reiseveranstalter nutzen Chatbots noch nicht. 

    Warum kommen Chatbots zum Einsatz?

    Webseiten, Apps, Social Media: Man könnte meinen, es gibt schon genug Kanäle. Warum also noch Chatbots? "Der Vorteil ist, dass sie dort arbeiten, wo viele Menschen schon sind", sagt Pim Van Oerle, Senior Technical Manager bei Skyscanner. Das ist nachvollziehbar: "Wenn man zum Beispiel im Facebook Messenger mit Freunden eine Reise plant, kann man kurz den Bot fragen, wie teuer die Flüge sind."

    Chatbots sind also ganz nah dran am Alltag der Nutzer, die sowieso den halben Tag auf Facebook verbringen. "Messenger-Apps sind extrem populär", bestätigt Martin Keller, Chefentwickler bei Kayak. Das liegt an ihrer Marktmacht. "Die Nutzer zögern immer öfter, noch viele weitere Apps herunterzuladen. Deshalb sind Chatbots wichtig." 

    Und dann ist da natürlich die Simulation menschlicher Kommunikation als Anreiz: "Chatbots reagieren sehr schnell und freundlich", sagt Eco-Experte Schaffrin. "Sie bleiben quasi auch bei Belastung cool. Chatbots kennen keinen Stress, anders als vielleicht der Mitarbeiter im Call Center." Und dann spiele auch Neugier eine gewisse Rolle. Mit einem Computer chatten wie mit einem Mensch? Mal ausprobieren!  

    Was können Chatbots?

    In Zukunft sollen Chatbots persönliche Online-Reiseberater werden. Doch der Weg bis dahin ist noch weit. Bislang bieten die Bots eher eine erste Annäherung an das Thema Urlaub. Beispiel: "Wohin kann ich für 500 Euro reisen?" Der Bot macht Vorschläge. "Das ist für Reisende, die sich erst noch inspirieren lassen wollen", sagt Keller. Generell könne nach Flügen, Hotels, Mietwagen und Aktivitäten vor Ort gesucht werden. Gebucht wird dann aber über die Kayak-Webseite, die sich in der Bot-Applikation öffnet. Man arbeitet bereits an einer Erweiterung: Künftig soll der Bot zum Beispiel für eine zehntägige Brasilien-Rundreise eine realistische Route vorschlagen können.  

    Ähnlich funktioniert es bei Skyscanner: "Der Bot kann Termine und Preise für Flüge finden", sagt Experte Van Oerle. "Und er macht Vorschläge, wenn man noch nicht weiß, wohin man reisen will."

    Auch nach der Buchung wird der Bot wieder aktiv, indem er zum Beispiel über eine geänderte Flugzeit informiert. "Und der Urlauber kann sich per Bot an Kayak wenden, wenn er Hilfe benötigt und es Probleme gibt", sagt Keller. Bei einer ernsthaften Beschwerde schaltet sich dann aber schnell ein echter Mitarbeiter ein.

    Was können Chatbots nicht?

    Chatbots sind sehr einfache Programme. "Noch ist die Fehlerquote in der Kommunikation hoch", sagt Schaffrin. "Der Chatbot braucht ganz klare Anweisungen. Man darf nicht zu viel erwarten." In der Tat sind die Bots ziemlich schnell überfordert, wenn man zu einer Anfrage einfache Ergänzungen oder Nachfragen hat.

    Die Flugsuche bei Kayak zum Beispiel beschränkt sich auf eine Person:  "Informationen für eine Gruppen von Passagieren sind momentan noch nicht möglich", sagt Entwickler Keller. Ähnlich ist es beim Bot von Skyscanner: "Der Bot kann einen Flug nach London am kommenden Donnerstag finden, aber er kann zum Beispiel nicht den Preis für den Tarif ohne Handgepäck nennen", gibt Van Oerle als Beispiel. 

    Jede halbwegs vernünftige Buchungsoberfläche einer Airline-, Hotel- oder Reisewebseite ist den Chatbots aktuell noch haushoch überlegen. Dort können Nutzer viel passgenauer nach Angeboten suchen, Häkchen setzen, Tarife vergleichen - und buchen, was über Chatbots noch nicht funktioniert. Fazit Schaffrin: "Die normale Benutzeroberfläche einer Webseite oder App ist mir derzeit auf jeden Fall noch lieber." Noch sind die Bots eher eine lustige Spielerei ohne großen Nutzwert. 

    Sind Chatbots die Zukunft?

    Danach sieht es nicht aus. Doch die Funktionen dürften deutlich besser werden. "In fünf Jahren wird es definitiv möglich sein, über den Chatbot zu buchen", sagt Kayak-Experte Keller. "Es wird eine Zielgruppe geben, die das intensiv nutzt. Genauso wird es weiter Menschen geben, die noch ins Reisebüro gehen." Kayak will vor allem die Spracheingabe ausbauen. Im Facebook Messenger sei das nicht so wichtig, aber auf Sprachassistenzplattformen durchaus - denn dort kommuniziert der Nutzer akustisch per Lautsprecher. 

    Auch bei Skyscanner ist man noch in der Testphase: "Wir probieren verschiedene Dinge aus", sagt Van Oerle. "Wir wissen noch nicht, wohin genau sich Bots entwickeln." Das Portal glaubt aber an eine bedeutende Rolle der Chatprogramme für das Reisesuchverhalten. "Wann das Buchen über den Bot möglich sein wird, wissen wir noch nicht." 

    Vielen Menschen sagt der Begriff Chatbots noch nichts: In einer Yougov-Umfrage im Auftrag von Kayak gaben 78 Prozent an, damit nichts anfangen zu können. Und beliebt sind die Bots auch noch nicht, legt eine Umfrage der Beratungsfirma Fittkau & Maaß Consulting nahe. Nur 3,5 Prozent gaben an, gerne über einen Chatbot zu kommunizieren. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) lehnt die Programme generell ab.   

    Wie menschlich sind Chatbots?

    Der Reiz von Chatbots liegt vermeintlich darin, dass die Programme wie ein Mensch kommunizieren können sollen. Doch das ist den Nutzern offenbar gar nicht so wichtig. "Anfangs dachten wir, dass die sprachliche Komponente sehr wichtig ist", erzählt Keller. "Aber die Kunden machen es sich in der Tat einfacher. Sie benutzen vor allem die vorgefertigten Antwortmöglichkeiten, die wir anbieten." 

    Es sei extrem wichtig für den Bot, dass diese Antworten Sinn ergeben und passend sind, so Keller. "Das Ziel ist, diese Vorschläge zu personalisieren." Wer also einmal von Berlin geflogen ist, bekommt beim nächsten Mal wieder den Abflug von Berlin angeboten. "Der Bot soll wie ein Schachcomputer arbeiten und den nächsten Schritt des Nutzers am besten schon kennen."

    Bei Skyscanner will man die Bot-Kommunikation sogar bewusst technisch halten. "Der Bot darf nicht zu freundlich und menschlich sein, sonst fangen die Leute richtige Gespräche mit ihm an", sagt Van Oerle. Die Gefahr, dass sich Menschen wie im Film "Her" in das Computerprogramm verlieben, besteht freilich noch nicht. dpa

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