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Flaschenmütter erzählen: "Ich fühlte mich wie eine Loserin"

Flaschenmütter erzählen

"Ich fühlte mich wie eine Loserin"

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    Während der Schwangerschaft raten einem fast alle Freundinnen, die schon ein Kind haben, zu stillen. Sätze wie: „Das ist das Beste für dein Kind, der Anfang ist schwer, aber es lohnt sich, es ist so praktisch, du hast es immer dabei, es kostet nichts“ sind nur Auszüge aus den Ratschlägen, die einem ungefragt um die Ohren gehauen werden. Als ich dann entbunden hatte und die PDA noch wirkte, war das Ganze auch kein Thema. Ich dachte: Ach prima das geht ja gut. Bis die Betäubung nachließ ...

    Es war für mich persönlich die Hölle. Meine Tochter saugte sehr stark und innerhalb kürzester Zeit war alles wund und entzündet. Vonseiten der Schwestern und Hebammen im Krankenhaus gab es wenig Verständnis. Sätze wie „Da müssen Sie durch, das ist normal, stellen Sie sich nicht an“, fielen und machten die Situation nicht besser.

    Ich habe diese Entscheidung nicht eine Sekunde bereut

    Ich habe mich noch im Krankenhaus am Tag nach der Entbindung fürs Abstillen entschieden und habe es keine Sekunde bereut. Ich freute mich, dass meine Tochter nun satt wurde und ich ihr Zuneigung und Freude während des Fütterns zeigen konnte, während ich, wenn ich versuchte zu stillen, weinend in meinem Bett saß und das Kind immer weiter weghob.

    Zu Hause trafen mich dann die zum Teil harten Vorwürfe der andere Frauen. „Ich hätte es nicht richtig gewollt. Das wäre egoistisch. Das Kind würde nur so gut schlafen, weil ich nicht stille. Würde ich stillen, hätte sie schon mehr zugenommen. Sie bekäme bestimmt mal Allergien.“ - All diese Vorwürfe und Zurechtweisungen darf man sich anhören. Sie kamen zum Teil von Freundinnen und von Familienmitgliedern, viele davon kenne ich über zehn Jahre. Das war keine schöne Erfahrung hat aber den Beziehungen keinen Abbruch getan. Ich denke, man muss darüber stehen und sich denken: Zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus.

    Was ist daran gut für das Kind, wenn die Mutter leidet?

    Die Gefühle, die einem dabei durch den Kopf gehen, sind schwierig. Meine Tochter hatte Hunger, und mir hat es in der Seele wehgetan, dass ich das mit dem Stillen nicht hinbekommen habe. Ich fühlte mich wie eine Loserin, weil ich es nicht fertigbrachte, meinem Kind die einfachste Form der Nahrungsaufnahme zu ermöglichen. Unempathische Frauen taten da natürlich ihr Übriges noch dazu.

    Als ich meinem Kind dann die Flasche gegeben habe, fiel mir ein Stein vom Herzen. Das Kind war satt und zufrieden. Dass man durch das Stillen eine positive Mutter Kind Bindung aufbaut, mag natürlich stimmen. Aber eine positive Flasche-Kind-Mutterbeziehung ist natürlich genau so möglich.

    Ich bin nach wie vor zufrieden mit meiner Entscheidung, die ich getroffen habe, bereue sie keinen Tag und werde nun beim zweiten Kind auch nicht stillen. Für mich erschließt sich der Nutzen nicht, wenn ich Schmerzen habe und leide, dass das besonders gut für mein Kind sein soll. Heutzutage ist meines Erachtens das Milchpulver so weit entwickelt, dass sich hieraus keine Nachteile für das Kind ergeben. Natürlich ist das mit Kosten verbunden, das steht außer Frage.

    Das Mitreden der anderen hört nicht auf

    Wir leben auch nicht mehr in den Zeiten, in denen es keine Alternative gab, um seinen Säugling zu ernähren. Früher wäre es mit Sicherheit undenkbar gewesen, das Nicht-Stillen auch nur in Betracht zu ziehen, da man es sich schlichtweg nicht leisten konnte und die Ergänzungsmilch nicht den Standard von heute hatte. Wer stillen möchte, soll es gerne tun. Nur sollten Frauen, die es nicht möchten oder können, aus welchen Gründen auch immer, nicht dafür von der Gesellschaft verurteilt werden.

    Sobald man ein Kind hat, reden plötzlich viele auch bei anderen Themen mit. "Wie du kochst dein Essen fürs Kind nicht selber?" "Also wir nehmen nur Stoffwindeln!" "O, mein Gott, du lässt das Kind impfen!" - sind nur einige der Themen, die man ungefragt immer wieder beantworte muss/darf/soll. Übermütter, die nur noch in der Wir-Form von sich und ihrem Kind reden, sind die neuen Helikoptermütter 2.0, die seit der Geburt eine untrennbare Symbiose mit ihrem Kind eingenommen haben, und, so macht es den Anschein, sich selbst verlieren. Dies aber nur am Rande, das ist ein ganz anderes Thema. (lea)  

    Dieser Text ist ein Teil unseres Wochenend-Journal-Schwerpunktes "Kampfzone Mutterbrust" zum Thema Nicht-Stillen. Mehr als 50 Frauen aus der Region haben sich daran beteiligt und ihre Geschichten erzählt. Die weiteren Gesprächsprotokolle finden Sie unter

    Kampfzone Mutterbrust: Harter Streit um die Milch fürs Baby 

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